Wie viel Wasser ist im Schnee?


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20.04.2021  |  Roman Oester  |  News SLF

Seit über 80 Jahren misst das SLF das Schneewasseräquivalent (SWE). Dieses sagt aus, wie viel Wasser im Schnee gebunden ist. Nun testen Forschende eine neue Messmethode: mit Sensoren für Navigationssatellitensysteme.

Wie viel Wasser ist im Schnee?
Das Schneewasseräquivalent in der Schweiz, Stand 31.3.2021: In den blauen Bereichen ist viel Wasser in Form von Schnee gespeichert, in den gelben Bereichen weniger. Karte: SLF

Schnee als Wasserspeicher beeinflusst die Wasserressourcen, die für Landwirtschaft, Energieproduktion und menschlichen Konsum verfügbar sind. Die Schneeschmelze kann eine grosse Rolle bei Überschwemmungen spielen, wie nach dem Lawinenwinter 1999: Damals kam es zu einer Hochwassersituation und grosse Teile der Schweiz standen unter Wasser. Schnee hat zudem einen abkühlenden Effekt auf das Klima, weil er die Sonneneinstrahlung stark reflektiert. Daher ist es wichtig zu wissen, wie viel Wasser im Schnee gespeichert ist – das sogenannte Schneewasseräquivalent (SWE). Dieses ist zudem eine von zahlreichen Klimavariablen des globalen Systems zur Klimabeobachtung (GCOS, siehe Infobox).

Doch nicht nur in Bezug auf die Schneeschmelze im Frühling und das Klima ist das SWE relevant, sondern auch für Gebäude: Damit lässt sich die Schneelast auf Dächern bestimmen, die Einfluss auf die örtlichen Bauverordnungen hat. Denn die eigentliche Schneehöhe sagt noch nichts darüber aus, wie schwer der Schnee ist.

Automatische Messungen: schneller und günstig

Konventionelle – das heisst manuelle – Messungen sind aufwändig und liefern keine kontinuierlichen Daten, sondern nur Momentaufnahmen. Deshalb testen Forschende des SLF, der ETH Zürich, der Ludwig-Maximilians-Universität München LMU sowie der Universität für Bodenkultur Wien BOKU seit einigen Jahren eine neue Methode, um das SWE einfach und kostengünstig zu messen – und zwar mithilfe von Sensoren, die Signale von Navigationssatelliten nutzen (GNSS, siehe Infobox). Dazu wurden auf dem SLF-Versuchsfeld am Weissfluhjoch oberhalb von Davos sowie in Davos Laret, Klosters und Küblis jeweils zwei GNSS-Antennen installiert: eine Antenne am Boden, die im Winter mit Schnee bedeckt ist, die andere auf einem Mast, der schneefrei bleibt und als Referenz dient. Durchlaufen die GNSS-Signale die Schneedecke, ändern sich ihre Eigenschaften: Sie werden abgeschwächt und verlangsamt. Aus der Differenz der Signale, die ober- und unterhalb der Schneedecke empfangen werden, können die Forschenden das SWE berechnen. Zusätzlich ist es bei dieser Installation möglich, die Schneehöhe und den momentanen Gehalt an flüssigem Wasser in der Schneedecke abzuleiten.

Mit Vergleichsmessungen die Genauigkeit prüfen

Wie viel Wasser ist im Schnee?
Ein Forscher überprüft den GNSS-Sensor, der auf einem Mast im Versuchsfeld Weissfluhjoch bei Davos installiert ist. Foto: Franziska Koch/BOKU

Um die gemessenen Werte zu überprüfen, werden an den Beobachtungsstandorten verschiedene Referenzdaten erhoben. Am Weissfluhjoch und in Davos Laret stehen verschiedene automatische Sensoren, in Klosters und Küblis haben die Forschenden zusätzlich Schneehöhensensoren sowie Kameras installiert. Überall wurde das Schneewasseräquivalent auch konventionell gemessen: Dazu gräbt man ein Schneeprofil und entnimmt Schneeproben, die man wiegt. Daraus lässt sich die Wasserhöhe in Millimetern berechnen, die verbleibt, wenn der Schnee geschmolzen ist.

Vielversprechende Ergebnisse

Die erhaltenen Werte stimmen gut mit den Vergleichsmessungen überein. Die Messung mit GNSS-Sensoren hat das Potential, um an vielen Orten die oben erwähnten Schneeparameter günstig und einfach zu messen. Die Tests an vier verschiedenen Standorten und Höhenlagen von Küblis bis Weissfluhjoch haben jedoch gezeigt, dass für den operationellen Einsatz noch einige Verbesserungen nötig sind. Ein Punkt ist die Verfügbarkeit der Messwerte: Die Rohdaten der Messungen sind zwar sofort verfügbar, doch müssen diese komplex nachbearbeitet werden, damit sie zur Beurteilung geeignet sind. Trotzdem sieht das SLF darin die Zukunft der SWE-Messungen und entwickelt die Methode mit viel Engagement weiter.

Vorerst heisst es für die Forschenden noch: Schneeschaufeln und Messungen konventionell vornehmen.

Was ist GCOS?

GCOS (Global Climate Observing System) ist das globale System zur Klimabeobachtung. In der Schweiz wird es von MeteoSchweiz koordiniert, wobei das SLF eine der Partnerinstitutionen ist und die Daten zum SWE liefert. Ein Teil der langjährigen SWE-Messungen des SLF und entsprechende Forschungsarbeiten in diesem Bereich werden von GCOS Schweiz mitfinanziert.

Was ist GNSS?

GNSS steht für «Globales Navigationssatellitensystem» und ist ein Sammelbegriff für die Verwendung verschiedener Satellitensysteme. Das bekannteste von ihnen ist GPS (Global Positioning System) der USA. Für die Auswertungen der SWE-Messungen kombinierten die Forschenden die GPS-Signale mit jenen des Satellitensystems GALILEO (EU).

Dieser Artikel erschien am 20. April 2021 in einer gekürzten Version in der Davoser Zeitung.

WEITERFÜHRENDE INFORMATIONEN

Wie viel Liter Wasser sind 1 m3 Schnee?

Mit einem Kubikmeter können 2,3 bis 2,5 m³ Kunstschnee hergestellt werden, mit dem vier Quadratmeter Piste mit 25 Zentimeter Schnee belegt werden können. Rund 400 Liter Wasser und rund zwei kWh Strom sind notwendig, um einen Kubikmeter Kunstschnee zu erzeugen.

Wie viel Wasser ist in einem Kilo Schnee?

Einfache Frage, klare Antwort: Das hängt von seiner Konsistenz ab. Ein Kubikmeter trockener Pulverschnee wiegt zwischen 30 und 50 Kilogramm, ein Kubikmeter feuchter Altschnee hingegen bringt das Zehnfache auf die Waage. Zum Vergleich: Ein Kubikmeter Eis wiegt bis zu 900 Kilogramm, ein Kubikmeter Wasser 1.000 Kilogramm.

Wie viel Wasser ist in einer Schneeflocke?

Eine Schneeflocke enthält etwa 1018 Wassermoleküle, darunter ca. 1014 Deuterium-Atome.

Wie schwer ist ein Liter Schnee?

Während trockener Pulverschnee gerade einmal eine Masse von 30 bis 50 Kilogramm pro Kubikmeter auf die Waage bringt, kann feuchter Neuschnee bis zu 200 Kilogramm pro Kubikmeter schwer sein.