Wer bei den eltern unterkommt ist nicht obdachlos

Martina Bodenmüller behandelt in ihrem Text „Auf der Straße leben“ die besonderen Lebenssituationen von Mädchen und jungen Frauen ohne Wohnung. Mädchen sind zwischen 14 und 18 Jahren alt, nach dem KJHG §7 Abs. 1 gelten sie ab dem 18 bis zum 27 Lebensjahr als junge Frauen. In dem Text geht Martina Bodenmüller auch auf die Unterschiede zu dem Leben erwachsener Wohnungsloser ein. In der folgenden Referatsausarbeitung werde ich auf Frau Bodenmüllers Text und Buch eingehen und unter Berücksichtigung der Diskussion in der Modulveranstaltung verschiedene Blickwinkel auf das Thema beleuchten.

2. Gesetzliche Grundlagen

Für die Bearbeitung dieses Themas ist es unumgänglich, sich mit den Gesetzen zu befassen, da diese unmittelbaren Einfluss auf das Leben der Mädchen und jungen Frauen auf der Straße haben. Auch spielt die Gesetzgebung eine nicht irrelevante Rolle für die Ausgestaltung „sozialarbeiterischer“ Angebote für diese Zielgruppe.

Nach §11 BGB kann es keine minderjährigen Obdachlosen geben, da sie grundsätzlich bei ihren Eltern leben sollen. Sie können nach geltendem Recht ihren Aufenthaltsort nicht frei wählen. § 1631 Abs. 1 BGB Personensorgerecht: Das Aufenthaltsbestimmungsrecht liegt bei den Eltern oder in Ausnahmefällen beim Jugendamt.

Im GG gibt es kein Recht auf menschenwürdiges Wohnen. Wohnungslos zu sein bedeutet für die Betroffenen hingegen, in einer rechtlich eingeschränkten Situation zu leben.

Für Jugendliche bedeutet dies, sogar eine illegale Existenz zu führen. Wenn die Sorgeberechtigten eine Vermisstenanzeige aufgegeben haben, werden die Jugendlichen polizeilich gesucht. Hierdurch sind sie gezwungen, sich vor der Polizei, der Bahnpolizei und anderen Behörden zu verstecken, da sie bei Kontakt mit diesen Institutionen in die Familie oder in ein Heim zurückgeführt werden.

Der Status der Illegalität hat für die Jugendlichen schwere Konsequenzen. Sie haben in Notsituationen keine Möglichkeit, sich an offizielle Stellen zu wenden und sie können weder zum Arzt gehen noch ein Krankenhaus aufsuchen. Auch können sie sich weder an das Sozialamt noch an das Arbeitsamt wenden. Da die Jugendlichen über keine legalen Möglichkeiten verfügen, an Geld zu kommen, ergibt sich oftmals zwangsläufig die Notwendigkeit, den Lebensunterhalt durch Betteln, Diebstahl, Hehlerei, Dealen oder Prostitution zu sichern.

Da diese Einkünfte nicht kalkulierbar sind, gibt es keine Regelmäßigkeit im Leben der Mädchen und jungen Frauen. Die menschlichen Grundbedürfnisse wie Essen, Schlafen, Pflege und Hygiene sind von Angeboten und Gelegenheiten abhängig.

3.1 Die „wohnungslosen Mädchen und jungen Frauen“

Für die soziale Arbeit und die Sozialpädagogik stellt sich die Frage: Was passiert in der Jugend der Mädchen und jungen Frauen, da der Weg in die Selbstständigkeit gleichzeitig der Weg in die Wohnungslosigkeit ist? Diese jungen Menschen entscheiden sich für ein Leben in Unsicherheit und Perspektivlosigkeit, um nicht bei ihren Familien oder in Einrichtungen der Jugendhilfe leben zu müssen. Hier stellt sich die Frage: Was müssen wir ändern um Angebote zu schaffen, die der Zielgruppe helfen?

Die wohnungslosen Mädchen und jungen Frauen haben ihr Leben in die eigenen Hände genommen und gestalten es im Rahmen der Möglichkeiten selbst. Verständlich, dass sie diese Selbstbestimmung nicht aufgeben wollen. Daher brauchen wir Angebote, die auf Partizipation basieren. Martina Bodenmüller schreibt hierzu, dass Angebote, die über die Betroffenen hinweg geplant werden, diese entmündigten und sie letztlich nicht mehr erreichen, da sie an deren Entscheidungen nicht beteiligt werden und an der Ausgestaltung nicht mitwirken können.

3.2 Begriffe und Definitionen:

Setzt man sich mit dem Thema Obdachlosigkeit auseinander, ist man mit einer Vielzahl an Bezeichnungen konfrontiert, die sich in der Praxis nur schwer abgrenzen lassen und häufig eine Stigmatisierung für die Betroffenen bedeutet.

Obdachlose (ohne „Dach über dem Kopf“ aber Ortsansässig): Hilfe wird durch den Örtlichen Sozialhilfeträger finanziert.

Nichtsesshafte: Hilfe zahlt der überörtliche Sozialhilfeträger den

- Alleinstehenden Wohnungslosen (unverheiratet)
- Wohnungsnotfällen
- Straßenkindern (Jugendliche)
- TrebegängerInnen (Jugendliche)
- AusreißerInnen (Jugendliche)

Die Unterscheidung zwischen Obdachlosen und Nichtsesshaften ist in der Praxis kaum haltbar. Wissenschaftlich ist die Annahme, dass es eine Gruppe Menschen gibt die auf Grund ihrer Persönlichkeitsstruktur dazu neigt, nicht sesshaft zu sein, nicht haltbar. Vielmehr begründet sich dieses Verhalten in Vertreibungsprozessen. Auf Obdachlose Frauen trifft der Begriff der Nichtsesshaften noch viel weniger zu. Die Fachöffentlichkeit hat auf dieses Problem reagiert, indem die Bezeichnung der Nichtsesshaftigkeit durch den Begriff des „alleinstehenden Wohnungslosen“ ersetzt wurde. In Gesetzestexten und offiziellen Statistiken wird jedoch noch immer diese diskriminierende Unterscheidung getroffen.

In Deutschland befinden sich obdachlose Menschen, rechtlich gesehen, in einem ordnungswidrigen Zustand. Diese Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung soll durch Einweisung in Notunterkünfte beseitigt werden. (§14ff OBG) Menschen, denen Nichtsesshaftigkeit unterstellt wird, werden nicht in Notunterkünfte eingewiesen. Dies gilt auch für Menschen die in versteckter Obdachlosigkeit leben zum Beispiel bei Bekannten.

Wenn man den geschützten Wohnraum als menschliches Grundbedürfnis sieht, bedeutet der Verlust dessen auch den Verlust von Privatsphäre, Intimität und fast immer auch den Verlust von Eigentum, Arbeit, Schulbildung und Lebensperspektiven. Zudem ist dieser Umstand oftmals mit extremer Armut gekoppelt und häufig leiden auch die sozialen Beziehungen unter der Wohnungslosigkeit. Hierbei zeichnet sich ab: Die Wohnungslosigkeit ist eine existentielle Notlage.

Diese Definitionen treffen insbesondere auf junge Frauen und Mädchen nur unzureichend zu. In der Gruppe der obdachlosen Frauen werden im sozialhilferechtlichen Sinn nur die Betroffenen erfasst, die in kommunaler Zuständigkeit verbleiben. Dies bedeutet in der Umsetzung, dass die (alleinstehenden) Frauen in Obdachlosenunterkünfte, Normalwohnungen oder Billighotels eingewiesen werden. Diese Gruppe stellt allerdings nur einen kleinen Teil der Frauen in Wohnungsnot dar.

3.3 Untergruppen der Frauen in latenter Wohnungslosigkeit:

- Manifest wohnungslose Frauen (Nichtsesshafte): Sie reproduzieren sich in einer Gruppe des Straßenmilieus oder ziehen alleine Umher. Auch zählen Bewohnerinnen von Obdachloseneinrichtungen zu dieser Gruppe.
– latent wohnungslose Frauen sind Frauen, die in prekären Wohnverhältnissen leben. zum Beispiel in einer unabgesicherten Arbeitgeberunterkunft (Küchenhilfen, Zimmermädchen, Bardamen)

Viele Mädchen und Frauen gelangen auch über eine persönliche Beziehung zu einer Unterkunft. Der Preis für diese Unterkunft ist oft hoch, wie beispielsweise sexuelle Gefälligkeiten und Abhängigkeit.

Zu dieser Gruppe zählen auch Patientinnen von Psychiatrien und Kliniken, die nach Entlassung Obdachlos werden. Dies zeigt, dass die üblichen verwendeten Begriffe der Situation von Mädchen und Frauen nicht gerecht werden. Der Deutsche Städtetag schlug vor, von WOHNUNGSNOTFÄLLEN zu sprechen.

Dieser Begriff schließt dann auch wohnungslose Familien und Alleinstehende mit ein. Der vorliegende Text befasst sich allerdings in erster Linie mit der Lebenssituation von Mädchen und jungen Frauen, die nicht in einem Familienverband leben beziehungsweise ihn bewusst aufgegeben haben. Bei Untersuchungen fiel auf, dass nur eine Minderheit der befragten Frauen tatsächlich alleinstehend war. Fast die Hälfte der befragten Frauen hatte Kinder oder war schwanger. Da Wohnungslosigkeit eine existenzielle Bedrohung ist, hat dies häufig eine Fremdunterbringung der Kinder zur Folge.

Es entspricht nicht dem Normativgedanken, dass minderjährige Mädchen oder junge Frauen auf der Straße leben. Trotzdem ist es in der Realität der Fall, dass sie aus den Familien oder Heimen flüchten und sich in subkulturellen Zusammenhängen, im Straßenmilieu oder in anderen Unterkünften aufhalten. Dies geschieht meist ohne das Wissen der Eltern oder Betreuer, zuweilen aber auch mit deren Kenntnis.

Da sich Jugendliche illegal auf der Straße aufhalten, haben sie auch keine Möglichkeit in Obdachlosenunterkünften Zuflucht zu finden. Daher werden die Straße, sowie heruntergekommene/verlassene Gebäude und Wohnungen zum zentralen Aufenthalts- und Überlebensort: Sie genießen keinen Schutz.

Mädchen und junge Frauen, die auf der Straße leben, sind in zwei Untergruppen zu gliedern:

1.Gruppe = Mädchen und junge Frauen, die noch Kontakt zu ihren Familien unterhalten.
2.Gruppe = Mädchen und junge Frauen, die vollständig auf sich allein gestellt sind. Hier sind allerdings nur diejenigen erfasst, die sich im weitesten Sinne im Straßenmilieu aufhalten, also manifest Wohnungslos sind. Gerade in der Gruppe der Mädchen und jungen Frauen ist auch davon auszugehen, dass es latente Wohnungslosigkeit gibt. Dies heißt im Alltag, dass sie bei Bekannten, älteren Szeneangehörigen in der Wohnung oder dem Wohnwagen mit wohnen. Auch kommt es vor, dass die Mädchen und jungen Frauen bei Männern unterkommen und somit nicht selten sexuelle Gefälligkeiten schulden.

Hier begeben sie sich notgedrungen in Abhängigkeit, obwohl sie ihr leben ja eigentlich in die eigenen Hände nehmen wollten. An dieser Stelle fehlen entsprechende Hilfsangebote, die den Bedürfnissen der Zielgruppe nach Selbstbestimmung und Mitgestaltung ihres Alltags entsprechen.

Das Phänomen des Weglaufens kann differenziert werden. Ausreißerinnen die nur kurz aus der Familie oder dem Heim flüchten setzen damit ein Signal, eben weil sie nach einer Problemlösung suchen. Hingegen lebt die andere Gruppe fest und ohne Kontakt zur Familie auf der Straße.

Diese beiden Kategorien decken jedoch nicht das gesamte Spektrum der Jugendlichen und jungen Erwachsenen auf der Straße ab. Nicht erfasst sind hier zum Beispiel diejenigen, die in Folge von Ausstoßungsprozessen aus Familien und Heimen ohne Wohnung sind und auch keinen Anschluss an subkulturelle Zusammenhänge genießen.

Grundsätzlich herrscht in Deutschland eine Verachtung der Obdachlosigkeit, die zur Diskriminierung und Benachteiligung führen kann. Wenn erst einmal das Etikett „Obdachlosenasyl“ im Personalausweis steht, stellt dies ein kaum zu überwindendes Hindernis bei der Wohnungs- und Arbeitssuche dar.

Bei fehlender Adresse ist es schwierig Behördenpost zu empfangen, geschweige denn fristgerecht zu reagieren. Auch ist die Gruppe der Obdachlosen an vielen öffentlichen Orten nicht gerne gesehen. Viele Städte und die Bahn AG haben ein Regelwerk geschaffen, welches den Obdachlosen nahezu verbietet, sich an diesen Orten aufzuhalten. Dies ist schwierig, da fast alle sozialen Kontakte sich dort abspielen. Auch zahlen viele Städte nur Tagessätze an die obdachlosen Hilfeempfänger aus. In vielerlei Hinsicht haben Wohnungslose so das Gefühl, Bürger zweiter Klasse zu sein.

In Deutschland gibt es keine Statistiken zu wohnungslosen Jugendlichen. Der Einzige Anhaltspunkt sind die Vermisstenlisten der Landeskriminalämter. Schon in den 1970er Jahren zeichnete sich in den Vermisstenstatistiken ein hoher Mädchenanteil ab. Diese Entwicklung kam erst in den 1990er Jahren bei den erwachsenen Frauen an. Im Jahr 1980 wurden 36.500 Kinder und Jugendliche als vermisst gemeldet. Davon waren 53,5% Mädchen und 46,5% Jungen. Noch höher ist der Mädchenanteil ab 14 Jahren.

Von 1000 Jugendlichen ergreifen 9 Mädchen die Flucht aus dem Elternhaus. Bei den Jungs sind es „nur“ 6.

Auch stieg die Zahl der vermisst gemeldeten Mädchen im zeitvergleich an: 1950 waren es 30%, 1982 waren es bereits 55%.

Abschließend bleibt festzuhalten, dass es wichtig ist, passende Hilfen für diese Zielgruppe zu schaffen. (vgl. Text Moodel Auf der Straße leben, von Martina Bodenmüller)

3.4 Die Wege von Mädchen und jungen Frauen in die Wohnungslosigkeit

In den letzten Jahrzehnten hat sich die Lage auf dem Wohnungsmarkt dramatisch zugespitzt. Durch den Abbau des sozialen Wohnungsbaus gibt es kaum noch bezahlbaren Wohnraum, besonders junge Menschen ohne gesichertes Einkommen finden kaum eine Wohnung. Fast immer haben junge Erwachsene nur zeitlich befristete Arbeitsverträge, wodurch eine weitere Hürde bei der Suche nach einem Wohnraum entsteht. Wenn man einmal die Meldeadresse verloren hat, gestaltet sich die Rückkehr in den Normativzustand einer festen Wohnung extrem schwierig. Laut der Notschlafstelle Frankfurt existiert für die Klienten auf beiden Wohnungsmärkten kein hinreichendes Angebot mehr. Die einzig verbleibenden Lösungen sind betreute Wohngemeinschaften, Therapieeinrichtungen und ähnliche Angebote. (vgl. S. 34 Auf der Straße leben, Martina Bödenmüller)

Neben dem Mangel an bezahlbaren Wohnraum gibt es aber noch andere Gründe für Wohnungslosigkeit bei jungen Frauen und besonders bei minderjährigen Mädchen. Unter 18 Jährige könnten sowieso keinen Mietvertrag unterschreiben. Bei ihnen führen andere Wege auf die Straße: Sie gehen direkt aus ihrem Elternhaus auf die Straße und meistens stellt dies eine Flucht dar, da es die Mädchen zuhause nicht mehr aushielten. Auch führt in manchen Fällen die Zugehörigkeit zur subkulturellen Szene zu einem Leben in besetzten Häusern und auf der Straße. (vgl. S. 35 Auf der Straße leben, Martina Bödenmüller)

Hier stellt sich die Frage: Welche Biographien stecken hinter der Entscheidung für ein Leben auf der Straße? Welche Erfahrungen haben die Jugendlichen gemacht, bevor sie den Schritt auf die Straße wagten. Bei Mädchen aus unterprivilegierten Schichten resultiert der Druck durch soziale Ungleichheit nicht selten aus einem Konfliktherd mit den Eltern, wobei auch häufig körperliche Bestrafungen eine Rolle spielen. Die Töchter alleinerziehender Mütter sind durch den gesellschaftlichen Erfolgsdruck in der Erziehung, der auf ihren Müttern lastet, und der Konfrontation mit Lebenspartnern oft gefährdet. Konflikte mit der erfolgsorientierten Mutter und dem Lebenspartner können demnach auf die Straße führen. Das Heranwachsen zwischen Familie und Subkultur setzt die Pubertierenden teilweise unter einen solchen Druck und führt zu starken Auseinandersetzungen mit den Eltern. Mädchen aus bikultureller Sozialisation leiden in der Übergangsphase vom Kind zur Frau häufig unter extremer Zerrissenheit, da ihre Eltern eine traditionelle Rollenvorstellung für ihre Töchter haben, weshalb die Mädchen nicht selten ein eher westlich geprägtes Leben anstreben. Auch das kann zur Flucht aus der Familie führen. Ebenso führt Sexueller Missbrauch oft zu der Flucht auf die Straße. Dies sind Häufig die Gründe, aus denen Mädchen sich in die Wohnungslosigkeit flüchten. Andere Gründe für das Stranden in dieser „Lebensform“ sind beispielsweise Ausstoßungsprozesse aus der Familie. Hier muss man zwischen subtilen Ausgrenzungsprozessen und dem gezielten Rauswurf durch die Eltern unterscheiden. In beiden Fällen gibt es allerdings keinen Weg zurück ins Elternhaus. Nicht selten ist das Ausreißen aus Heimen und Erziehungseinrichtungen das direkte Ticket in die Wohnungslosigkeit. Entlassung oder Ausschluss aus Erziehungseinrichtungen und Jugendhilfeeinrichtungen kann auch nicht selten zur Obdachlosigkeit führen. Im ersten Fall sind die Klientinnen oft zu alt und müssen auf eigenen Beinen stehen, im zweiten Fall werden sie zum Beispiel wegen Drogenkonsum entlassen. Dies ist durchaus fraglich: Wie kann die Jugendhilfe „Problemteenis“ in die Obdachlosigkeit schicken? Gibt es hier keine andere Lösung? Dies ist definitiv ein Punkt an dem gearbeitet werden muss. Bei den jungen Frauen ist es häufig etwas anders gelagert: Hier führen zum Beispiel Beziehungsschwierigkeiten und Trennungen häufig zur Obdachlosigkeit. Auch ökonomische Schwierigkeiten können die jungen Frauen in die Situation bringen, ohne Obdach auskommen zu müssen. (vgl. S.36 – 42 Auf der Straße leben, Martina Bodenmüller)

3.5 Mädchenjugend und Entwicklungsaufgaben

Für Mädchen die auf der Straße leben sind die ohnehin oft nicht leicht zu bewältigenden Entwicklungsaufgaben in der Adoleszenzphase von vielen weiteren Faktoren beeinflusst. Die pubertäre Entwicklung stellt auf der Straße eine besondere Herausforderung dar. Es ist in der Praxis aufgefallen, dass die Mädchen vielfach schon im frühen Jugendalter auf die Straße kommen. Somit verbringen sie häufig schon die frühen Pubertätsjahre auf der Straße. Dies erschwert und beeinflusst eindeutig die Bewältigung der Entwicklungsaufgaben. Die Identitätsfindung auf der Straße wird natürlich von ganz anderen Einflüssen und Vorbildern geprägt, als im normativen Alltag in Schule und Familie. Der Aufbau von Freundschaften und der Alltag mit der Peergroup stehen durchaus auch in anderen Zusammenhängen, als es bei Jugendlichen mit Elternhaus der Fall ist. Freundschaften werden nahezu ausschließlich in der Straßenszene, am Bahnhof, in besetzten Häusern und den Subkulturellen Gruppen geschlossen. Partnerschaften zu pflegen und die eigene Sexualität zu entwickeln stellen, unter den Gegebenheiten auf der Straße, auch eine besondere Aufgabe dar. Für die Mädchen ist ein Partner oftmals ein Familienersatz, auch kann er in manchen Fällen ein Dach über den Kopf bieten, womit der Partner nicht selten zum Lebensmittelpunkt wird. Dies kann aber auch zu erheblichen Problemen führen, da viele der Mädchen aufgrund ihrer Sozialisation nicht gelernt haben, sich vor Übergriffen zu Schützen. Die Gewalt und Missbrauchserfahrungen aus dem Herkunftsmilieu können sich hierdurch wiederholen. (vgl. S. 59, Mädchen auf der Straße, Retza u. Weber)

Zudem sind Schulische Bildung und Berufsausbildung für Mädchen auf der Straße nur schwer erreichbar. Diese Entwicklungsschwierigkeiten können durchaus Langzeitfolgen haben: Die fehlende Schulbildung kann das Erlernen des Wunschberufes verhindern oder zumindest erschweren. Eine fehlende Ausbildung verschlechtert die Chancen auf dem Arbeitsmarkt erheblich und mündet zwangsläufig im Niedriglohnsektor oder der Arbeitslosigkeit, was wiederum die Wohnungssuche erschwert. Hinzu kommt, dass die meist intensiven Partnerschaften und der starke Wunsch nach familiärer Geborgenheit nicht selten zu frühen Schwangerschaften führen. Die Mädchen und jungen Frauen befinden sich also sehr oft in einer Endlosschleife, aus der sie entkommen möchten. Leider bietet das Hilfesystem ihnen selten die passenden Angebote.

Was tun um nicht obdachlos zu werden?

Viele Ämter haben eine Abteilung zur "Verhinderung von Obdachlosigkeit". Fragen Sie nach, welches Amt diese Abteilung beheimatet. Wenn Sie obdachlos sind, kann Ihnen die Stadt eine Notunterkunft zur Verfügung stellen. Gehen Sie persönlich zu der zuständigen Behörde.

Was tun wenn man auf der Straße landet?

Wo finde ich schnelle Beratung und Hilfe? Wenn Sie wohnungslos geworden sind oder Ihnen Wohnungslosigkeit droht, wenden Sie sich am besten so schnell wie möglich bei einer Ambulanten Beratungsstelle der Wohnungslosenhilfe in Ihrer Nähe - die Adressen finden Sie hier oder im Telefonbuch.