Wann kam der Homo sapiens sapiens?

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Der moderne Mensch entstand in Afrika. Das gilt als gesichert, doch viele Details der Entwicklung von Homo sapiens sind noch ungeklärt. Genauso wie die Frage, wann und auf welchen Wegen Homo sapiens von Afrika nach Asien und Europa zog.

Stand: 29.07.2022

Wann kam der Homo sapiens sapiens?

Der bislang älteste Beleg für den Homo sapiens in Afrika ist eine Sensation: Er datiert frühe Homo sapiens-Knochen aus Jebel Irhoud in Marokko auf ein Alter von rund 300.000 Jahren. Bis 2017 war man davon ausgegangen, dass sich der moderne Mensch erst 100.000 Jahre später von Ostafrika aus über den Kontinent verbreitet hat.

Viele Menschenarten gleichzeitig

Die Entwicklung des modernen Menschen lässt sich heute weniger als Stammbaum, sondern eher als "Stammbusch" beschreiben. Mehrere Menschenarten haben gleichzeitig gelebt: Zeitgleich mit dem frühen Homo sapiens in Afrika lebten in Europa der Neandertaler, der Denisova-Mensch in Sibirien und der Homo naledi in Südafrika. Auch der Homo heidelbergensis, der Vorfahr vom Neandertaler, dessen Überreste bei Heidelberg gefunden wurden, streifte zur gleichen Zeit umher wie der Homo sapiens. Mit dem Nesher-Ramla-Homo kommt eine weitere Menschenart hinzu, die teilweise zeitgleich mit dem Homo sapiens im östlichen Mittelmeerraum (Levante) gelebt haben soll.

Gattung Homo: der moderne Mensch und seine Verwandten

Wann kam der Homo sapiens sapiens?

Schädel von Australopithecus (links) und Homo habilis (rechts)

In der Paläontologie wird die Bezeichnung Homo bzw. Hominini für die Gattung innerhalb der Menschenaffen verwendet, zu der wir, Homo sapiens, gehören und unsere nächsten Verwandten, die alle ausgestorben sind. Ein wichtiges gemeinsames körperliches Merkmal aller Hominini findet sich übrigens in den Zähnen. Alle Vertreter der Gattung Homo haben sechs oder sieben Höcker auf ihren hinteren Backenzähnen. Bei ihren Vorfahren, den Australopithecinen, waren es noch weniger.

Die ältesten Vertreter der Gattung Homo

Die ältesten Vertreter der Gattung Homo waren Homo rudolfensis (vor 2,5 bis 1,9 Mio Jahren) und Homo habilis (vor 2,1 bis 1,5 Mio Jahren). Homo erectus lebte vor rund 2 Millionen Jahren. Nach Homo erectus entstand der Homo heidelbergensis (vor 700.000 bis 300.000 Jahren). Darüber hinaus gab es noch den Homo naledi in Südafrika (vor 335.000 bis 236.000 Jahren).

Homo heidelbergensis, Homo neanderthalensis, Homo denisova

Der aus dem Homo erectus hervorgegangene Homo heidelbergensis ist der Vorfahr von Homo neanderthalensis (lebte vor mind. 130.000 bis 40.000 Jahren) und wahrscheinlich auch von Homo denisova (ausgestorben vor 30.000 bis 14.500 Jahren). Homo sapiens (seit rund 300.000 Jahren) und der Neandertaler teilen sich ebenfalls einen gemeinsamen Vorfahren. Wann genau sich die Linien getrennt haben, ist nicht klar, es gibt fossile Hinweise auf einen Zeitpunkt vor mindestens 430.000 Jahren.
Ein besonderer Verwandter des Homo sapiens ist der Homo floresiensis (lebte vor rund 60.000 bis 100.000 Jahren, vielleicht aber sogar vor 600.000 Jahren), möglicherweise ein kleinwüchsiger Nachfahr des Homo erectus oder Homo habilis.

"Die Evolution des Menschen war kein linearer Prozess, wo sich aus einer Art die nächste entwickelt hat. Das ist eher ein komplexer Stammbusch, wo sich Arten zeitlich und räumlich überlappen."

Jean-Jacques Hublin, Direktor des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie in Leipzig

Früher Homo sapiens sah uns schon ähnlich

Anhand von 22 versteinerten Überresten von Knochen, Schädeln, Kiefern und Zähnen, die in Jebel Irhoud in Marokko gefunden wurden, kann sich das internationale Forscherteam des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie in Leipzig ein Bild von diesem frühen Homo sapiens machen.

Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass Gesicht und Zähne des frühen Homo sapiens uns schon sehr ähnelten. Der Hinterkopf dagegen sei deutlich länger gewesen und würde eher an ältere Vertreter der Gattung Homo erinnern. "Das bedeutet, dass sich die Form der Gesichtsknochen bereits zu Beginn der Evolution unserer Art entwickelt hat", folgert Philipp Gunz, Ko-Autor der Studie. Die Form des Gehirns dagegen und womöglich auch seine Funktion haben sich erst innerhalb der späteren Entwicklung verändert.

"Diese neuen Knochen zeigen uns, wie der Evolutionsprozess hin zum anatomisch modernen Menschen passierte. Es war keine schnelle und plötzliche Entwicklung, sondern eher ein langsamer, gradueller Prozess. Vor allem der Hirnbereich hat sich erst in den vergangenen 300.000 Jahren stark gewandelt."

Jean-Jacques Hublin, Direktor des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie in Leipzig

Die Out-of-Africa-Theorie

Viele Forscherinnen und Forscher gehen heute davon aus, dass sich Homo sapiens in mehreren Auswanderungswellen von Afrika aus über die ganze Welt ausgebreitet hat. Dabei kommen mehrere Routen in Frage. Tübinger Forscher gehen laut einer Studie vom Juni 2017 davon aus, dass die plausibelste Variante der Weg über die Arabische Halbinsel in Richtung Asien war, die sogenannte "Südliche Route".

"Sowohl die anatomischen Schädelvergleiche als auch die genetischen Daten sprechen für mehrfache Auswanderungswellen."

Prof. Katerina Harvati-Papatheodorou, Institut für Naturwissenschaftliche Archäologie, Universität Tübingen

Mehrere Auswanderungswellen des Homo sapiens

Wann kam der Homo sapiens sapiens?

Die südliche Route geht über die Arabische Halbinsel bis nach Asien.

Eine erste Gruppe unserer Vorfahren brach demnach vor rund 130.000 Jahren aus Afrika auf und wanderte an der Küste der Arabischen Halbinsel entlang bis nach Australien und in das Gebiet des Westpazifiks (grüner Pfeil). Eine zweite Ausbreitungswelle ins nördliche Eurasien erfolgte ihren Untersuchungen zufolge vor rund 50.000 Jahren (roter Pfeil). Bisherige Studien gingen von einer einzigen Wanderungsbewegung vor 50.000 bis 75.000 Jahren aus, und zwar über das Rote Meer auf die Arabische Halbinsel.

Für die südliche Route sprechen auch andere Erkenntnisse: So hätte das Rote Meer an der Bab-el-Mandeb-Meerenge damals auch mit relativ simplen Flößen überquert werden können, vor allem bei niedrigem Meeresspiegel.

Erste Homo sapiens im mittleren Europa

Bei einer Auswertung von Fossilien der Bacho-Kiro-Höhle in Bulgarien konnte im Mai 2020 gezeigt werden, dass die frühesten Homo sapiens schon vor etwa 45.000 Jahren in den mittleren Breitengraden Europas heimisch waren. Ein Forscherteam des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie in Leipzig hat Fundstücke, Tierknochen, Steine und menschliche Knochensplitter in der Höhle ausgewertet.

"Besonders bemerkenswert ist die umfangreiche Sammlung von Knochenwerkzeugen und persönlichen Schmuckgegenständen."

Dr. Geoff Smith, Zooarchäologe, MPI Leipzig 

Homo sapiens und Neandertaler

Die Forscherinnen und Forscher gehen davon aus, dass Homo sapiens schon seit damals den Neandertaler beeinflusste. Lange war man davon ausgegangen, dass das erst rund 8.000 Jahre später begann. Auch ein Fund in Israel aus dem Jahr 2015 zeigt eine sehr frühe Besiedlung Eurasiens durch Homo sapiens. In einer Höhle beim Dorf Manot im Norden Israels wurde das Oberteil eines rund 55.000 Jahre alten Schädels gefunden. Je nachdem, ob Homo sapiens vor 70.000 oder vor 50.000 Jahren über die Levante nach Europa kam, haben die Vorfahren von "Manot" möglicherweise schon tausende Jahre vor ihm in der Region gelebt.

"Manot" ist etwa 10.000 Jahre älter als die Überreste moderner Menschen, die bisher in Europa gefunden wurden.

Kam Homo sapiens noch früher nach Europa?

Ein Fund aus Griechenland gibt im Juni 2017 sogar Hinweise darauf, dass ein Vertreter von Homo sapiens noch viel früher in Europa angekommen sein könnte: vor 210.000 Jahren. Im Apidima-Höhlenkomplex sind zwei fossile Schädelfragmente genauer untersucht worden. Die Forscher aus Tübingen haben einen der Schädel dem Homo sapiens zugeordnet. Vorher war man davon ausgegangen, dass er, wie der zweite Schädel, zum Neandertaler gehört. Bislang hat man aber keine DNA-Spuren auswerten können, die das bestätigen könnten.

Neandertaler starb aus, Homo sapiens setzte sich durch

Warum der Neandertaler am Ende in Europa ausstarb, ist bis heute nicht geklärt. Auch nicht, ob dies damit zusammenhängt, dass er auf Homo sapiens traf. Insgesamt scheint der Neandertaler einfach schlechter fürs weitere Überleben gerüstet gewesen und in eine Sackgasse geraten zu sein. Der moderne Mensch gelangte dagegen auf die Überholspur der Evolution: Homo sapiens breitete sich rasch über Eurasien aus und beeinflusste die Neandertaler und Denisovaner. Bisweilen vermischte er sich mit seinen entfernten Verwandten. Bis er sie schließlich ersetzte.

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Was kam nach den Homo sapiens?

Häufig werden die Arten der Hominini wie folgt bezeichnet: die Australopithecinen als Vormenschen; Homo habilis und Homo rudolfensis als Urmenschen; alle späteren Arten der Gattung Homo (außer Homo sapiens) als Frühmenschen; Homo sapiens als Jetztmensch oder anatomisch moderner Mensch.

Was war vor 200.000 Jahren?

Auch der moderne Mensch entstand in Afrika, vor etwa 200.000 Jahren. Im Laufe der Zeit eroberte er den ganzen Kontinent, besiedelte vor 100.000 Jahren den Nahen Osten und vor spätestens 50.000 Jahren den Rest der Welt.

Wann begannen die Menschen?

Heute steht fest: Alle Hominidenfunde, die älter als zwei Millionen Jahre alt sind, stammen ausschließlich aus Afrika. Der Startschuss zur Menschwerdung fiel bereits vor sechs Millionen Jahren.