Analysen Show
93. Jahrgang, 2013 · Heft 12 · S. 841–845 · JEL: H20, H24 Gregor Schlick, Dipl.-Volkswirt, ist Referent für Steuerpolitik beim Bundesministerium der Finanzen in Berlin. Er gibt hier seine persönliche Auffassung wieder. Der steuerliche Grundfreibetrag soll dafür sorgen, dass das Existenzminimum von der Besteuerung freigestellt wird. Allerdings wird er nicht wie andere Freibeträge einfach von den Einkünften abgezogen, sondern mit Hilfe der Tarifformel vom zu versteuernden Einkommen abgesetzt. Der Autor zeigt, dass diese komplizierte und intransparente Methode zu keinem anderen Ergebnis kommt, als es bei einem einfachen Abzug des Grundfreibetrags von den Einkünften erreicht würde. Steuerliche Freibeträge haben die Funktion, einen bestimmten Teil der Einkünfte von der Besteuerung auszunehmen. Ein bedeutender Freibetrag der Einkommensteuer ist der Grundfreibetrag, der das existenznotwendige Sockeleinkommen eines Steuerpflichtigen von einer Steuerbelastung verschonen soll. Ein weiterer Freibetrag ist der Kinderfreibetrag, der Steuerpflichtigen mit Kindern gewährt wird. Daneben weist das Einkommensteuerrecht auch Freibeträge mit engeren Anspruchsvoraussetzungen auf (z.B. Entlastungsbetrag für Alleinerziehende, Altersentlastungbetrag für ältere Steuerpflichtige, Freibetrag für Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Übungsleiterfreibetrag bei nebenberuflichen Einnahmen). Die Steuerbefreiung wird in der Regel durch einen Abzug des Freibetrags unmittelbar von den Einkünften des Steuerpflichtigen erzeugt. Ein Freibetrag mindert so das „zu versteuernde Einkommen“, also die Bemessungsgrundlage des Einkommensteuertarifs. Der Ansatz des Grundfreibetrags weicht hiervon jedoch ab. Er wird nicht von den Einkünften abgezogen und reduziert daher nicht die tarifliche Bemessungsgrundlage. Der unterschiedliche Ansatz des Grundfreibetrags und anderer Freibeträge wäre nur gerechtfertigt, wenn das Entlastungsergebnis ebenso unterschiedlich wäre. Diese Rechtfertigung gibt es nicht. Es kann gezeigt werden, dass auch der Grundfreibetrag über Umwege genauso wie jeder andere Freibetrag wirkt. Eine Harmonisierung der Freibetragsabzüge ist daher möglich. Ein direkter und transparenter Abzug des Grundfreibetrags von der Bemessungsgrundlage würde seiner rechtlichen Bedeutung, der Steuerbefreiung des Existenzminimums, besser entsprechen und steuerpolitische Vorteile aufweisen, etwa bei einer erforderlichen Anhebung des Grundfreibetrags. Aufbau des EinkommensteuertarifsDie Höhe der von einem Steuerpflichtigen zu zahlenden Einkommensteuer ist vom Steuertarif abhängig, den der Gesetzgeber in § 32a Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) festlegt. Der Tarif besteht aus mathematischen Formeln, mit denen der individuelle Steuerbetrag ausgerechnet wird. Für diese Formeln sind die von der Politik vorzugebenden Eckwerte maßgeblich. Hierzu gehören der Grundfreibetrag, die Grenzsteuersätze sowie die Einkommensabschnitte, in denen die Grenzsteuersätze ansteigen bzw. konstant bleiben sollen. Aus diesen Vorgaben werden die Tarifformeln für die derzeit fünf Einkommensabschnitte entwickelt (siehe den für 2013 geltenden Tarif im Kasten 1):
Kasten 1 |