Hat die Scheidung zwischen Vergangenheit Gegenwart und Zukunft nur die Bedeutung einer wenn auch hartnäckigen Illusion?

Liebe Frau Ehlers, liebe Familie Ehlers, liebe Trauergemeinde,

wir sind tief betroffen vom plötzlichen und unerwarteten Tod von Jürgen Ehlers, dem Gründungsvater unseres Instituts. Noch am Montag letzter Woche, einen Tag vor seinem Tode, konnten wir ihn wie gewohnt an seinem Institut erleben. An jenem Tag hatte ich selbst noch Gelegenheit, längere Zeit mit ihm in seinem Arbeitszimmer zu verbringen, um mit ihm zusammen eine Preisnominierung vorzubereiten. Nichts deutete darauf hin, dass schon einen Tag später - wie Sie, liebe Frau Ehlers, das in Ihrer Todesanzeige ausgedrückt haben - für ihn Raum und Zeit aufhören würden.

Jürgen war ein brillanter Wissenschaftler. Er war der Nestor der allgemeinen Relativitätstheorie in Deutschland. Zusammen mit seinem Mentor Pascual Jordan hat er diese in Deutschland nach dem Zusammenbruch von 1945 fast im Alleingang wieder aufgebaut und zu neuer Blüte gebracht. Dass die allgemeine Relativitätstheorie nach langen Jahren heute nicht mehr das Mauerblümchen der theoretischen Physik in Deutschland ist, ist daher vor allem sein Verdienst. Seiner Vision und seinem ganz persönlichen Einsatz verdanken wir die Existenz unseres Instituts, ebenso wie die Anerkennung und Freundschaft, welche dieses inzwischen weltweit genießt. All dies war Voraussetzung dafür, dass sich unser Institut als eine von nur wenigen Einrichtungen in Deutschland mit dem Namen Albert Einstein schmücken darf.

Es ist hier nicht der Platz, seine zahlreichen Beiträge zur allgemeinen Relativitätstheorie und anderen Gebieten der Wissenschaft zu würdigen. Jürgen war nicht nur begeisterter Forscher, sondern auch ein akademischer Lehrer von höchstem Grade. Niemand verstand es wie er, die begrifflichen und mathematischen Grundlagen der allgemeinen Relativitätstheorie und ihrer modernen Entwicklungen und Anwendungen so klar und durchsichtig darzustellen und zu erklären. Selbst als "alter Hase" konnte man immer noch etwas aus den einführenden Vorlesungen lernen, welche er für Anfänger, so z.B. im Rahmen unserer Frühjahrsschulen, regelmäßig gehalten hat. Ich selbst habe sie mir immer wieder gerne und mit Gewinn angehört.

Aber vielleicht noch mehr als der Wissenschaftler Jürgen Ehlers hat uns Jürgen als Mensch beeindruckt. Nicht nur, dass er uns bis zum allerletzten Tage vor seinem Tod mit Rat und Tat zur Seite stand, wo immer er gebraucht wurde. Im täglichen Umgang mit ihm konnten wir einen Menschen erleben, dem bei allem Stolz auf das in der Wissenschaft erreichte persönliche Eitelkeit völlig fremd war. Sein natürlich bescheidenes und liebenswürdiges Auftreten gewannen ihm die Herzen aller, die mit ihm zu tun hatten. Und so sind die zahlreichen Beileidsbekundungen, welche in den vergangenen Tagen in rascher Folge aus allen Ecken des Globus hier in Golm eintrafen, eben nicht nur Zeugnis einer großartigen wissenschaftlichen Lebensleistung, sondern mehr noch ein Zeichen der Freundschaft und Zuneigung, welche er sich im Laufe seines Lebens in aller Welt erworben hatte. So war und ist er uns nicht nur in der Wissenschaft sondern auch darin ein Vorbild.

Schließen möchte ich mit einem Zitat von Albert Einstein. Wenige Wochen vor seinem eigenen Tode gedachte dieser seines Jugendfreundes Michele Besso mit folgenden Worten: "Nun ist er mir auch mit dem Abschied von dieser sonderbaren Welt ein wenig vorausgegangen. Dies bedeutet nichts. Für uns gläubige Physiker hat die Scheidung zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft nur die Bedeutung einer wenn auch hartnäckigen Illusion." In diesen Worten spiegelt sich wohl auch ein wenig von Jürgens Sicht der Welt wider.

Wir verneigen uns in Dankbarkeit vor Jürgen Ehlers.

Four weeks before his death Albert Einstein wrote in a letter of condolence to the family of his life-long friend Michael Besso (Dukas and Hoffman, 1979)1: “Für uns gläubige Physiker hat die Scheidung zwischen Vergangenheit, Gegenwart and Zukunft nur die Bedeutung einer wenn auch hartnäckigen Illusion.” There is no doubt that Einstein meant this remark very seriously. It obviously refers to the four-dimensional (‘static’ or ‘objective’) representation of all events in a spacetime frame which his theory of relativity uses so efficiently. This picture seems to be at variance with the subjective experience of a present passing through time (the ‘flow of time’), a concept which his theory allows to be incorporated into the objective picture only as the local moment of a present (the here-and-now) ‘moving’ along a world line. The above remark of Einstein’s is frequently misinterpreted as a statement in support for a merely subjective arrow of time. It is therefore often quoted by the information-theoretical school of statistical mechanics, or even as support for an extra-physical concept of growing knowledge (as used in the idealistic interpretation of quantum mechanics), which fundamentally introduces an extra-physical (‘absolute’) direction of time. The increase of entropy would then also have to be interpreted essentially ‘subjectively’ (referring to subjects gaining information), since this extra-physical concept of knowledge would ultimately determine in which direction of time statistical reasoning has to be applied.

Keywords

  • Physical Reality
  • World Line
  • Local Moment
  • Physical Description
  • Kinematical Wholeness

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