Wie viel Prozent überleben eine Reanimation?

Herzstillstand

Alte Menschen haben nach einer erfolgreichen Wiederbelebung zwar geringere Überlebenschancen als junge. Doch auch Hochbetagte lassen sich noch retten.

Veröffentlicht: 16.07.2015, 05:01 Uhr

BOSTON. Es liegt zwar auf der Hand, dass alte Menschen einen Herzkreislaufstillstand und die daraus resultierenden Schäden im Gehirn weniger gut verkraften als junge, allerdings ist die Studienlage dazu nicht sehr eindeutig.

Auch ist kaum bekannt, wie stark sich das Alter auf die Wiederbelebungs- und Überlebenschancen auswirkt und ab welchem Alter sich die Prognose markant verschlechtert, berichten Notfallmediziner vom Beth Israel Deaconess Medical Center in Boston.

Die Ärzte um Dr. Lars Andersen haben daher in der großen US-Datenbank CARES (Cardiac Arrest Registry to Enhance Survival) nach Antworten gesucht (Resuscitation 2015, online 1. Juni).

In dem Register werden seit 2004 Angaben zu Herzstillstand-Patienten aus den ganzen USA aufgeführt.

Die Ärzte fanden Daten zu knapp 102.000 Patienten mit einem Herzkreislaufstillstand außerhalb einer Klinik. 68 Prozent erlitten den Herzstillstand zuhause, 12 Prozent in einem Pflegeheim. 77 Prozent zeigten einen nicht schockbaren Initialrhythmus, das Alter lag im Median bei 66 Jahren.

Nur jeder Zehnte überlebt

Bei knapp einem Drittel (31 Prozent) wurde eine anhaltende Rückkehr des Spontankreislaufs beobachtet (mindestens 20 Minuten Puls), fast ein Zehntel (9,6 Prozent) konnte lebend die Klinik verlassen und fast jeder Zwölfte (7,9 Prozent) trug keine gravierenden neurologischen Schäden davon - definiert als Wert von ein oder zwei Punkten nach der Cerebral Performance Category (CPC).

Nun analysierte das Team die Resultate in Abhängigkeit vom Alter und bildete Gruppen in Fünf-Jahres-Intervallen.

Wie die Forscher herausfanden, kam es bei den unter 20-Jährigen am häufigsten zur anhaltenden Rückkehr des Spontankreislaufs (34 Prozent), doch selbst bei den über 95-Jährigen war dieser Anteil mit knapp 24 Prozent noch relativ hoch.

Insgesamt waren die Unterschiede hier eher gering, die Rückkehr des Spontankreislaufs lag in den Gruppen der 45- bis 80-Jährigen weitgehend konstant bei etwa 30 Prozent - das Alter scheint hier kaum einen Einfluss zu haben.

Die Rückkehr des Spontankreislaufs war jedoch für die weitere Prognose bei den älteren Patienten nur wenig relevant. Überlebte fast jeder Zweite der unter 20-Jährigen nach der Wiederbelebung das Ereignis (insgesamt 16,7 Prozent), so war es bei den reanimierten Hochbetagten nur einer von 15 (insgesamt 1,7 Prozent).

Immerhin kamen in beiden Gruppen die meisten der Überlebenden (88 und 70 Prozent) ohne gravierende neurologische Schäden davon. Absolut betrachtet war dieses Schicksal noch 14,8 Prozent der jüngsten Patienten vergönnt, aber nur 1,2 Prozent der ältesten.

Alter allein nur wenig relevant

Schaut man sich den Verlauf der Überlebensraten in sämtlichen Altersgruppen an, ergibt sich jedoch kein klarer altersabhängiger Zusammenhang.

So ist die Überlebensrate bei den Allerjüngsten mit knapp 17 Prozent zwar am höchsten, von den 25- bis 45-Jährigen überleben jedoch nur noch etwa 11 Prozent, danach steigt die Rate auf über 12 Prozent und fällt erst im Alter von über 60 Jahren linear ab.

Ein ähnliches Bild zeigt sich beim Anteil der Patienten mit gutem neurologischem Ergebnis: Auch hier ist der Anteil bei den 45- bis 60-Jährigen neben den ganz jungen Patienten (unter 25 Jahren) am höchsten.

Die Ärzte um Andersen lesen aus diesen Daten auch, dass es kein bestimmtes Alter gibt, ab dem sich eine Wiederbelebung nicht mehr lohnt.

In der Literatur werde zum Teil eine Überlebenswahrscheinlichkeit von über 1 Prozent gefordert, um die Wiederbelebung zu rechtfertigen. Dieser Anteil werde auch bei den Hochbetagten noch überschritten.

Zudem gebe es neben dem Alter noch andere prognostisch bedeutsame Faktoren: Ein nicht schockbarer Initialrhythmus vermindere die Überlebenschancen im Vergleich zu einem schockbaren Rhythmus um etwa 80 Prozent, Zeugen des Ereignisses erhöhten die Überlebensrate um das Dreifache.

Ein weiteres Problem: Es sei möglich, dass ältere Menschen zum Teil deswegen eine schlechtere Prognose haben, weil sie nach einem Herzkreislaufstillstand nicht mehr so intensiv medizinisch betreut werden wie jüngere - aus der Erwartung heraus, dass die Intensivmedizin bei ihnen nicht mehr viel nützt, so die Autoren.

In einer Patientenverfügung können Sie grundsätzlich auch darüber Aussagen machen, wann Sie eine und wann Sie keine Reanimation wünschen. Im Fall von akuten Notsituationen, in denen beispielsweise ein Rettungsdienst oder ein Notarzt involviert sind, kann es aber zu einer Reanimation trotz Patientenverfügung, die eine Reanimation in diesem Fall ausschließt, kommen. 

Der Hintergrund ist die Dringlichkeit. Würden Rettungssanitäter oder Notärzte zuerst beginnen, eine eventuell vorhandene Patientenverfügung ausfindig zu machen, ginge ihnen die notwendige Zeit verloren, in denen sie den Patienten hätten retten können. Somit wird üblicherweise erst geholfen und dann nach den Wünschen recherchiert.

Besondere Bedeutung erhält eine Ablehnung von Reanimation, wenn sich der Patient bereits in einer Lebenssituation befindet, die seinen persönlichen Maßstäben von Lebensqualität nicht mehr gerecht wird. So kann es z.B. sein, dass ein Patient im Zustand einer weit vorangeschrittenen schweren Krankheit lebenserhaltende Maßnahmen beim Auftreten von akuten Komplikationen ablehnt, um sein Leiden verkürzen zu wollen.

Entscheidend hierbei ist natürlich, dass das direkte Umfeld bzw. das Personal der Einrichtung, in der der Patient bereits untergebracht ist, Kenntnis von einer derartigen Verfügung haben. Nur so kann dies gegenüber dem im Notfall eintreffenden medizinischen Personal auch verbindlich dargelegt bzw. gar kein Notfallszenario mehr angestoßen werden. Befindet sich der Patient in einem bereits länger währenden Zustand der Einwilligungsunfähigkeit und hat er eine derartige Ablehnung im Rahmen einer Patientenverfügung rechtswirksam verfügt, liegt es in der Verantwortung von Betreuer bzw. Vorsorgebevollmächtigten entsprechende Vorkehrungen zu treffen.

Kann man nach einem Herzstillstand wieder normal leben?

Werden Patienten nach einem Herzstillstand wiederbelebt und bewusstlos eingeliefert, sind ihre Überlebenschancen heute so gut wie nie zuvor. Herausforderung bleibt aber die Prognoseabschätzung nach dem initialen Koma.

Wie lange kann man reanimieren ohne Schäden?

Zehn Minuten nachdem Herzstillstand ist ein Mensch nicht mehr zu retten - das galt lange Zeit als Richtlinie. Das stimmt nicht mehr so ganz, erklärt Notfallmediziner Dr. Johannes Wimmer. Tatsächlich hören viele Ärzte nach 20 Minuten mit der Reanimation auf, dabei wäre es besser, es 40 Minuten lang zu versuchen.

Wie lange ging die längste Reanimation?

Der längste Reanimationsversuch, nach dem ein Patient mit Erhalt der Funktionalität überlebt hatte, dauerte 47 Minuten. Da allerdings nur wenige Daten zu noch längeren Wiederbelebungsbemühungen vorliegen, lässt sich anhand dessen nicht sagen, ob eine längere Reanimation noch Sinn macht.

Welche Hirnschäden nach Reanimation?

Wenn eine Reanimation (Wiederbelebung) erfolgreich war, treten bei vielen der Betroffenen Hirnschädigungen auf. Diese können unterschiedlich schwer ausfallen. Das Ausmaß des hypoxischen Hirnschadens hängt unter anderem von der Dauer der Unterversorgung des Gehirns ab.