Wer ist bürgermeister von istanbul

Ekrem Imamoglu ist populär, ein ernstzunehmender Konkurrent für Staatschef Recep Tayyip Erdogan – und könnte bald im Gefängnis landen. Ein türkisches Gericht hat Istanbuls Bürgermeister zu einer Haftstrafe von mehr als zweieinhalb Jahren verurteilt.

Er soll 2019 Mitglieder eines für die damaligen Kommunalwahlen zuständigen Gremiums beleidigt haben. Die Richter haben Imamoglu außerdem untersagt, sich politisch zu betätigen. Ein überaus hartes Urteil, das offenbar Erdogans Rivalen ausschalten soll.

Denn wird der Schuldspruch in einem Berufungsverfahren bestätigt, verlöre die säkulare Oppositionspartei CHP ihren wohl prominentesten und aussichtsreichsten Hoffnungsträger für die Präsidentenwahl Mitte kommenden Jahres. Und die Millionenmetropole am Bosporus bräuchte ein neues Stadtoberhaupt.

Beides käme Erdogan und seiner Regierungspartei zupass. Denn Imamoglu war es, der ihm die wohl schmerzhafteste Niederlage zufügte – er entriss vor drei Jahren der AKP Istanbul. Sogar die äußerst fragwürdige Wiederholung der Wahl nutzte den Gegnern des Bürgermeisters nichts: Imamoglu siegte noch deutlicher.

Ist es die Furcht vor dem beliebten Politiker, die Erdogan dazu treibt, den Oppositionspolitiker mithilfe der Justiz aus dem Weg räumen zu lassen? Davon ist Imamoglus Anhängerschaft überzeugt, sie hält das Gerichtsverfahren für politisch motiviert. Diese Einschätzung dürfte zutreffend sein.

Wer ist bürgermeister von istanbul

Erdogan kann sich nicht sicher sein, dass seine Wiederwahl im kommenden Jahr ein Selbstläufer ist.

Von Rechtsstaatlichkeit in der Türkei, von unabhängigen Richtern und Staatsanwälten oder Meinungsfreiheit kann nun beim besten Willen keine Rede sein. Auch wenn Erdogan das immer wieder behauptet. Der Präsident hat vielmehr über Jahre hinweg die Gewaltenteilung de facto aufgehoben.

Nach dem Putschversuch 2016 wurden Tausende Richter entlassen

Zum Beispiel, indem er die Strafverfolgungsbehörden mit Linientreuen besetzte. Vor allem nach dem Putschversuch 2016 gab es eine regelrechte Säuberungswelle. Tausende Richter und Staatsanwälte wurden von einem auf den anderen auf die Straße gesetzt. Jetzt sprechen andere Recht – wie im Fall von Imamoglu.

Nur: Die juristische Attacke gegen den 52 Jahre alten Istanbuler Bürgermeister könnte Erdogan auf die Füße fallen. Denn das Urteil tut Imamoglus Popularität keinen Abbruch. Im Gegenteil. Es könnte ihn stärken und so für Erdogan noch gefährlicher machen.

Nach der Entscheidung des Gerichts versammelten sich Hunderte vor dem Rathaus. Sie skandierten „Recht“ oder „Gerechtigkeit“. Und wissen: Imamoglu kann Wahlen gewinnen. Genau das will die Staatsmacht verhindern.

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Imamoglu im Wahlkampf 2019 in Istanbul. Bild: REUTERS

Imamoglu gilt als möglicher Herausforderer von Präsident Erdogan bei der Präsidentschaftswahl im kommenden Jahr. Das Urteil gegen ihn bedeutet auch ein Politikverbot für den Oppositionspolitiker.

Der Istanbuler Bürgermeister Ekrem Imamoglu ist am Mittwoch wegen Beleidigung zu mehr als zwei Jahren und sieben Monaten Haft verurteilt worden. Ein Gericht sah es als erwiesen an, dass er türkische Beamte beleidigt habe. Mit dem Urteil ist Imamoglu faktisch künftig von jedem politischen Amt ausgeschlossen. Sein Anwalt kündigte gegenüber der Nachrichtenagentur AFP an, Berufung gegen das Urteil einlegen zu wollen.

Imamoglu gilt seit seiner Wahl im Jahr 2019 als aufstrebender Politikstern und als potentieller Herausforderer von Präsident Recep Tayyip Erdogan bei der Präsidentschaftswahl 2023. Der Prozess gegen ihn war am Mittwoch unter sichtbaren Sicherheitsvorkehrungen weitergegangen. Ab dem frühen Morgen waren die unmittelbare Umgebung des Gerichtsgebäudes abgeriegelt sowie die Straßen von der Polizei gesperrt, wie AFP-Reporter beobachteten.

Bei einem früheren Verhandlungstermin im November hatte die Staatsanwaltschaft eine Haftstrafe zwischen 15 Monaten und vier Jahren für den Politiker der oppositionellen CHP gefordert. Der Bürgermeister hatte zuvor erklärt, der Prozess sei „politisch“ motiviert. „Es ist wirklich traurig, dass wir so weit gekommen sind, aber ich will trotz allem den Richtern vertrauen“, sagte Imamoglu am Dienstagabend bei einem Interview mit dem türkischen Privatsender TV100.

Der 52-Jährige hatte im Jahr 2019 die Bürgermeisterwahl in Istanbul gewonnen. Die Wahl des Politikers der sozialdemokratischen CHP war eine empfindliche Niederlage für den türkischen Präsidenten und dessen islamisch-konservative AKP.