Wenn unrecht zu recht wird, wird widerstand zur pflicht tattoo

BERLIN. Mehrfach hatten Arbeitsgerichte die Kündigung eines Lehrers mit rechtsextremen Tätowierungen aus Brandenburg kassiert. Nun gab es in Berlin erneut ein Urteil – diesmal rechtswirksam. Passend zum Richterspruch hat der Bundesrat in dieser Woche ein Gesetz passieren lassen, das das Erscheinungsbild von Beamten neu regelt.

Das Gericht hat geurteilt – im Sinne des Brandenburger Bildungsministeriums. Foto: Shutterstock

Der Bundesrat hat aktuell einem neuen „Gesetz zur Regelung des Erscheinungsbildes von Beamtinnen und Beamten sowie zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften“ zugestimmt, wie der Informationsdienst Haufe berichtet. Nach den neuen Regelungen könne der Dienstherr das Tragen von sichtbaren Tätowierungen, Schmuck oder einer bestimmten Haar- und Barttracht untersagen, wenn die Funktionsfähigkeit der Verwaltung oder die Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten dies erfordert. Der Bundestag hatte das Gesetz bereits im April verabschiedet, ohne dass dies öffentlich groß wahrgenommen worden wäre.

Die Tätowierungen ließen auf eine fehlende Eignung als Lehrer schließen, hieß es zur Begründung

Das neue Gesetz hat darin zwar (noch) keine Anwendung gefunden, ein aktuelles Urteil des Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (LAG) geht allerdings bereits in die Richtung: Wegen rechtsextremer Tätowierungen darf ein Lehrer nicht mehr unterrichten. Das LAG hat die außerordentliche Kündigung des 38-Jährigen durch das Land für wirksam erklärt und seine Klage abgewiesen, wie das Gericht mitteilte (8 Sa 1655/20). Die Tätowierungen ließen auf eine fehlende Eignung als Lehrer schließen, hieß es zur Begründung.

Der Mann hatte als Lehrer an einer Hennigsdorfer Oberschule (Oberhavel) in Brandenburg an einem Schulfest am Bernsteinsee (Barnim) im Sommer 2018 teilgenommen – und dabei seine Tätowierungen mit dem Wahlspruch der SS «Meine Ehre heißt Treue» und weiteren Symbolen auf seinem Oberkörper vor Schülern gezeigt. Daraufhin kündigte ihm das Land. Das Arbeitsgericht Neuruppin erklärte die Kündigung jedoch für unwirksam, da der Personalrat nicht beteiligt wurde. Im ersten Berufungsprozess bestätigte das LAG diese Entscheidung.

Daraufhin kündigte das Land dem Quereinsteiger erneut. Doch auch diese Kündigung kassierte das Neuruppiner Gericht mit der Begründung, dass das Strafverfahren gegen den 38-Jährigen noch nicht abgeschlossen sei und seine fehlende Eignung für den Beruf des Lehrers nicht mit Sicherheit habe festgestellt werden können. Das sahen die Richter in Berlin nun aber anders. «Zur Eignung als Lehrer gehöre auch die Gewähr der Verfassungstreue. Aus den hier zum Zeitpunkt der Kündigung vorliegenden Tätowierungen, unter anderem „Meine Ehre heißt Treue“ in Frakturschrift über dem Oberkörper könne auf eine fehlende Verfassungstreue geschlossen werden», hieß es in der Mitteilung.

Der Mann hatte seine Tätowierungen inzwischen geändert, allerdings half ihm das vor Gericht nicht. «Die ergänzenden Worte „Liebe Familie“ unterhalb des Hosenbundes änderten hieran nichts, da diese regelmäßig nicht zu sehen seien», hieß es. Und da für die Kündigung auf den Zeitpunkt abzustellen sei, in dem diese dem Mann gegenüber ausgesprochen worden sei, komme es auf die Änderung nicht maßgeblich an.

Vom Landgericht Neuruppin wurde der 38-Jährige wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen vergangene Woche zu einer Geldstrafe in Höhe von 4500 Euro verurteilt (Az.: 14 Ns 102/20). Er selbst hatte angegeben, keine rechte Gesinnung zu haben. Die Körperbemalung habe er ausgesucht, weil er sich für Wikinger und Germanen interessierte. Das LAG ließ die Revision gegen das Berufungsurteil nicht zu.

Warum enthält ein Gesetz, das Nazi-Tattoos verbieten soll, gleichzeitig die Möglichkeit, ein Kopftuchverbot für Beamtinnen durchzusetzen?

Zum neuen Gesetz allerdings regt sich Widerspruch. Denn darin heißt es, wie das ZDF berichtet, dass das Tragen religiöser Merkmale eingeschränkt oder untersagt werden kann, „wenn sie objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die neutrale Amtsführung der Beamtin oder des Beamten zu beinträchtigen“. In der Begründung werde auf die Neutralitätspflicht des Staates verwiesen. Als Beispiele würden das muslimische Kopftuch, die jüdische Kippa und das christliche Kreuz genannt. Muslimverbände sehen darin dem Bericht zufolge den Versuch, ein Kopftuchverbot für Beamtinnen durch die Hintertür einzuführen. Ein pauschales Kopftuchverbot für Lehrerinnen, wie es in einigen Bundesländern bestand, war vom Bundesverfassungsgericht 2015 gekippt worden.

Die religionspolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, Christine Buchholz, sagte nun, Union und SPD könnten nicht erklären, „warum ein Gesetz, das Nazi-Tattoos und verfassungswidrige Symbole verbieten soll, gleichzeitig die Möglichkeit enthält, ein Verbot von Kopftuch, Kippa oder Kreuz für Beamtinnen und Beamte durchzusetzen“. Eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums betonte hingegen, „selbstverständlich“ könnten Beamte weiter religiöse Symbole und Kleidungsstücke tragen. Dies könne nur „in einigen Ausnahmefällen“ untersagt werden, „nämlich dann, wenn der Staat klassisch hoheitlich gegenüber Bürgerinnen und Bürgern auftritt“. Was das für Lehrkräfte bedeutet? Das ist offen. News4teachers / mit Material der dpa

Wenn der nette neue Lehrer den Schülern seine Nazi-Tattoos zeigt … Problem Seiteneinstieg: Wer checkt die Eignung der Kandidaten?

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