Was passiert wenn man seine gefühle unterdrückt

Ich habe vor einigen Wochen jemanden kennengelernt. Er ist schön, klug, ambitioniert, lustig und hat die Art von Spotify-Playlists, die genau ins Schwarze treffen. Oder ins Rote, je nachdem. Er gefällt mir, und über seine Nachrichten freue ich mich immer ein bisschen mehr als über andere. Was klingt wie der Anfang einer Lovestory, ist auch eigentlich schon wieder das Ende. Denn der Mann, von dem ich spreche, gehört zu der Art von Mensch, die jemand wie ich nicht gut finden sollte. Jemand wie ich – damit meine ich diejenigen, die schon viele tiefgehende Enttäuschungen erlebt haben, vielleicht auch Opfer von Missbrauch in Beziehungen wurden. Deren Herzen nicht besonders gut geschützt sind und wie rohe Schnitzel in der Metzgerauslage da liegen. Die ein wenig sorgsamer auf sich aufpassen müssen als andere. (Lesenswert: Was zum Nachdenken: Aus diesem Grund hat unsere Expertin zwei Männer verpfiffen)

Doch genug von mir. Zurück zu dem Mann, um den es hier wenigstens teilweise gehen soll und den ich eigentlich gar nicht gut finden will.

Wenn wir jemanden mögen, der uns vielleicht nicht guttut

Da wäre die Sache mit der Entfernung: Er lebt nicht um die Ecke. Genauer gesagt, lebt er am anderen Ende Deutschlands. Für Fernbeziehungen aber fehlt mir die nötige Energie. Dazu kommt, dass er in einigen Punkten meinem toxic Ex ähnelt. Strahlt er an manchen Tagen diesen Daddy-Charme aus, wirkt er in anderen Momenten kalt, gewissenlos. Blöd für mich, dass mich beides gleichermaßen anspricht. Das Allerblödeste aber ist: Er ist vergeben, und hat – so glaube ich – nicht vor, das zu ändern. (Auch interessant: Schluss mit Hinhalten: Sagen Sie dem Flirt, wenn es einfach nicht passt)

Nun ist es nicht so, dass wir sexten oder uns jede Nacht die ewige Liebe schwören. Im Gegenteil. Offiziell sind wir voneinander angetan, mehr aber auch nicht. Wir sind so etwas wie Freunde, zwischen denen es nach zwei halbgeschäftlichen Treffen im Real Life und unzähligen WhatsApps eine Spannung gibt, die britzelt. Gerade deshalb jedoch bin ich angefixt. Von unseren Gesprächen. Und irgendwie auch von ihm. Dabei weiß ich sehr gut: Schwärmen darf ich. Alles andere ist tabu. Oder sollte es zumindest sein. (Weiterlesen: Ungleiches Paar: Finden wir Menschen im eigenen Alter überhaupt noch attraktiv?)

Was mich zur Frage der heutigen Kolumne führt: Lässt sich die Anziehung zu einem anderen Menschen auspusten wie die Flamme einer IKEA-Sinnlig-Vanille-Duftkerze? Kann die Ratio dem Gefühl sagen: “Bis hierhin und nicht weiter, Freundchen!” – und das Gefühl gehorcht?

Oder anders gefragt: Was mache ich, wenn mich jemand fasziniert, der mir auf Dauer schadet? Der zu weit weg lebt, gerade mit seiner Freundin zusammen gezogen ist und mir schon bei der ersten Begegnung stolz seine Sammlung der schönsten Red Flags von ganz Westeuropa präsentierte. (Apropos: Toxische Beziehungen: So erkennen Sie emotionalen Missbrauch und psychische Gewalt) 

Gefühle unterdrücken – warum es schwierig ist

Man könnte jetzt sagen: “Warten Sie doch mal ab, Frau Erhardt, Sie wissen doch gar nicht, was aus der Geschichte wird.” Vielleicht. Aus Erfahrung weiß ich jedoch, dass Abwarten in Situationen wie dieser ungefähr so erfolgversprechend ist wie der Sprint in die Kreissäge. Je länger man wartet, umso mehr gewöhnt man sich an die Person, der der Verstand schon lange Hausverbot erteilt hat. Und haben wir uns erstmal an jemanden gewöhnt, lassen wir ihn so schnell nicht wieder gehen. (Lesenswert Hand auf's Herz: So zeigen Sie Ihrem Partner, dass Sie ihn lieben)

Und jetzt? Am besten sich so früh trennen wie möglich. Rigoros sein. Kein Geplänkel, keine Dates. Kein Kuss, kein Sex, kein Herzklopfen. Es gar nicht erst an den Punkt kommen lassen, an dem man um den Verlust des anderen trauern würde.

Ich meine, ich ghoste doch auch sonst Hinz und Kunz und alle, die nicht bei Drei auf dem Baum sind. (Lesen Sie auch: Stashing: So wehren Sie sich dagegen – und in diesen Fällen müssen Sie sich damit abfinden)

Warum fällt es mir in diesem Fall so schwer?

Weil ich, Sie ahnen es, bereits mit einem Fuß in meinem selbst geschaufelten Grab stehe. Weil ich unsere Chats vermissen würde, die Tagträumereien, in denen ich mich frage: „Was wäre, wenn?“ Vielleicht würde gar nicht der Mann an sich mir fehlen, sondern vielmehr, das gute Gefühl, das er mir gibt.

Eine Freundin, die ebenfalls oft unfreiwillig bei verpartnerten Männern landet (das ist übrigens keine Vorliebe, im Gegenteil, ich hasse es, aber manchmal schlittert man halt in was rein, und das ist menschlich), ist da ganz anders. Sie findet: “Ich nehme solche Beziehungen mit, solange sie mir guttun. Wenn ich spüre, dass es anfängt, wehzutun, beende ich sie.” (Außerdem: Warnzeichen: Dieses Verhalten macht eine Beziehung toxisch)

Ich bewundere diese Konsequenz. Und dieses Aufmerksamsein-Können. Spüren, wenn etwas anfängt, wehzutun. Ich spüre ja nicht mal, nach dem wievielten Glas Wein ich mal lieber ein Wasser trinken sollte. Stattdessen trinke ich, nein, spiele ich so lange mit dem Feuer, bis ich mich verbrenne. Und laufe schön besoffen in die Kreissäge.

Sorry, ich spiele heute Metaphern-Bingo. Es ist aber auch schon spät, während ich das hier schreibe.

Gefühle unterdrücken: möglich oder absurd?

Was ist nun die Antwort auf meine Frage, ob sich Gefühle unterbinden lassen? Ich habe keine. Antwort, meine ich. Gefühle habe ich zur Genüge. Ich glaube nicht, dass das funktioniert, Emotionen lassen sich nicht steuern. Jedenfalls nicht meine. Vielleicht aber lassen sie sich aussitzen und verhungern, wenn sie kein Futter erhalten. (GQ empfiehlt: Hesidating: Wenn man daten möchte, es aber nicht tut)

Eine weitere Möglichkeit aus meinem Dilemma: Mir immer wieder vor Augen halten, dass das Kribbeln am Anfang nur einen kurzen Moment andauert. Der tiefe Fall dagegen eine Ewigkeit. Und dass das aufregende (Vor)Spiel in dem Moment endet, in dem ich mich auf einen Mann einlasse, der so gar nicht available ist. Vielleicht muss ich auch ehrlich sein mit dem Menschen, um den es geht. Miteinander reden, auf sein Einsehen hoffen. Und dann konsequent sein und alle Brücken hinter mir abbrechen. Mir zuliebe. Ich versuche das mal. Drücken Sie mir die Daumen.

Mimi Erhardt ist Sex-Kolumnistin für GQ und GQ.de. Hier erfahren Sie mehr über die Autorin.


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Wie verhält sich jemand der seine Gefühle unterdrückt?

Eines der auffälligsten Signale dafür, dass er nicht zu seinen Gefühlen steht, ist eine Art Rückzugsstrategie. Erst haben Sie das Gefühl, er ist unglaublich aufmerksam und wird bald über seine wahren Gefühle reden und im nächsten Augenblick zieht er sich zurück und sorgt für Distanz.

Warum verdränge ich meine Gefühle?

"Das Unterdrücken unangenehmer Gefühle ist ein allgemeiner Abwehrmechanismus, den jeder Mensch von Zeit zu Zeit nutzt", erläutert Marcus Mund, Hauptverantwortlicher der Studie: "Es gibt aber auch Menschen, in deren Persönlichkeit das Prinzip der Abwehr wesentlich verankert ist." Diese Eigenschaft nennen die Psychologen ...

Kann man Gefühle für jemanden unterdrücken?

Vivian Dittmar: Ja, Anziehungskraft lässt sich steuern, wenn auch nicht unmittelbar. Ob wir einen Menschen anziehend finden oder nicht, hat viel mit den Bildern, Sehnsüchten und ungelebten Anteilen zu tun, die jeder von uns in den Tiefen seiner Psyche mit sich herumträgt.

Was passiert wenn Bedürfnisse unterdrückt werden?

Unerfüllte Bedürfnisse können unglücklich und krank machen. Werden Grundbedürfnisse dauerhaft nicht befriedigt, geht das nicht nur mit anhaltenden negativen Gefühlen und Anspannung, sondern auch mit einer erhöhten Anfälligkeit für psychische Störungen einher.