Was ist der unterschied zwischen leichten überfall und schweren überfall

I. Überblick

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Die gefährliche Körperverletzung gem. § 224 ist eine Qualifikation zur einfachen Körperverletzung. Die Strafschärfung erfolgt wegen der besonderen Gefährlichkeit der Begehungsweise und der damit einhergehenden erhöhten Gefahr erheblicher Verletzungen.

BGHSt 19, 352.

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§ 224 nennt fünf verschiedene Begehungsweisen, die kumulativ verwirklicht sein können, was bedeutet, dass Sie alle Nummern bei Vorliegen entsprechender Anhaltspunkte durchprüfen müssen. Im Einzelnen gibt es folgende „gefährliche Körperverletzungen“:

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In minder schweren Fällen kann gem. § 224 Abs. 1 der Strafrahmen abgesenkt werden. Es handelt sich um eine Frage der Strafzumessung, die bei Vorliegen eindeutiger Anhaltspunkte nach der Schuld zu diskutieren ist.

Expertentipp

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Wie immer können Sie zunächst den Grundtatbestand der einfachen Körperverletzung komplett durchprüfen und danach den Tatbestand des § 224 prüfen, der ebenfalls aus einem objektiven und subjektiven Tatbestand besteht. Eleganter ist es jedoch, Grundtatbestand und Qualifikation zusammen zu prüfen. Im objektiven Tatbestand prüfen Sie dann die Voraussetzungen des § 223 und des § 224, im subjektiven Tatbestand Vorsatz bezüglich beider Normen: Bitte benennen Sie im Obersatz stets alle in Betracht kommenden Varianten des § 224.

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Der Aufbau sieht dann wie folgt aus:

Prüfungsschema

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I.

Objektiver Tatbestand

1.

Voraussetzungen des § 223

2.

Voraussetzungen des § 224

a)

Nr. 1: durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen

gesundheitsschädliche Eignung

Rn. 188

Beibringen

Rn. 190

b)

Nr. 2: mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs

unbewegliche Gegenstände als „gefährliches Werkzeug“

Rn. 193

c)

Nr. 3: mittels eines hinterlistigen Überfalls

d)

Nr. 4: mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich

Beteiligter

Rn. 201

Wahrnehmung durch das Opfer

Rn. 202

e)

Nr. 5: mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung

konkrete/abstrakte Gefahr

Rn. 206

II.

Subjektiver Tatbestand

1.

Vorsatz hinsichtlich der Voraussetzungen des § 223

2.

Vorsatz hinsichtlich der Voraussetzungen des § 224

III.

Rechtswidrigkeit

IV.

Schuld

V.

Minder schwerer Fall gem. § 224 Abs. 1 a.E.

1. Körperverletzung durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen (Nr. 1)

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Nach § 224 Abs. 1 Nr. 1 ist eine qualifizierte Körperverletzung zu bejahen, wenn diese durch die Wirkung des beigebrachten Giftes oder sonstiger gesundheitsschädlicher Stoffe vollendet wurde. Die Beibringung von Gift oder sonstigen gesundheitsschädlichen Stoffen bildet also das tatbestandliche Verletzungsmittel.

Wessels/Hettinger/Engländer Strafrecht BT 1 Rn. 290.

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Wie der Gesetzesformulierung entnommen werden kann, ist Gift ein Spezialfall der gesundheitsschädlichen Stoffe.

Definition

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Unter einem Gift wird jeder anorganische oder organische Stoff verstanden, der die Gesundheit durch chemische oder chemisch-physikalische Wirkung zu beeinträchtigen vermag.

Küper/Zopfs Strafrecht BT Rn. 115 f.

Beispiel

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Zu den organischen Giften zählen bestimmte Rauschgifte wie z.B. Opium sowie das Gift von Schlangen. Zu den anorganischen Giften gehören unter anderem Salzsäure, Arsen, Zyankali und Blausäure.

Definition

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Andere gesundheitsschädliche Stoffe sind solche Substanzen, die vor allem mechanisch oder thermisch wirken sowie darüber hinaus krankheitserregende Mikroorganismen, Bakterien aber auch Stoffe des alltäglichen Gebrauchs, wie z.B. Kochsalz.

Wessels/Hettinger/Engländer Strafrecht BT 1 Rn. 288; BGH JuS 2006, 758.

Beispiel

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Zerstoßenes Glas, heiße Flüssigkeiten sowie eine Infektion mit dem HI-Virus stellen gesundheitsschädliche Stoffe dar.

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Das Gift und die Stoffe müssen geeignet sein, die Gesundheit zu schädigen. Umstritten ist, wie diese gesundheitsschädliche Eignung zu definieren ist.

Teilweise wird jegliche gesundheitsschädliche Eignung, also auch eine abstrakte, als ausreichend angesehen. Gegen eine besondere Gefährlichkeit spreche dieser Ansicht zufolge die Formulierung der Norm, wonach inzwischen lediglich gesundheitsschädliche nicht aber gesundheitszerstörende Stoffen erforderlich seien.

SK-Horn/Wolters § 224 Rn. 8a. Nach h.M. genügt es jedoch nicht, dass der Stoff abstrakt gesundheitsschädlich ist. Erforderlich soll vielmehr sein, dass das Gift oder der gesundheitsschädliche Stoff in der konkreten Art und Weise seiner Verwendung geeignet sein muss, erhebliche, eventuell weitere, nicht notwendig lebensgefährliche Körperverletzungen herbeizuführen.Wessels/Hettinger/Engländer Strafrecht BT 1 Rn. 291; BGH NJW 2006, 1822; Jäger Strafrecht BT Rn. 75. Begründet wird diese Einschränkung mit dem erhöhten Strafrahmen und dem Vergleich mit dem gefährlichen Werkzeug in der Ziffer 2, welches ebenfalls geeignet sein muss, erhebliche Verletzungen herbeizuführen. Diese Einschränkung führt dazu, dass abstrakt gefährliche Stoffe ungeeignet und abstrakt ungefährliche Stoffe geeignet sein können.

Beispiel

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A verabreicht B „K.O.-Tropfen“, damit dieser in einen komatösen mehrstündigen Schlaf fällt und ihn bei seinem Vorhaben, seine Freundin zu verführen, nicht stört.

Hier liegt in dem komatösen Schlaf das Herbeiführen eines pathologischen Zustandes. Diese Herbeiführung erfolgte jedoch nicht durch die Beibringung von Gift, da eine geringe Menge K.O.-Tropfen nicht geeignet ist, eine erhebliche Körperverletzung herbeizuführen.

Schönke/Schröder-Stree/Sternberg-Lieben § 224 Rn. 2b.

Beispiel

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T zwingt ihre 4 Jahre alte Stieftochter S unter Androhung von Schlägen, einen mit 32 Gramm Kochsalz versehenen Pudding aufzuessen. Es soll sich dabei um eine erzieherische Maßnahme handeln, da S den Pudding in der Absicht, ihn zusätzlich zu süßen, versehentlich gesalzen hatte. T rechnete dabei mit Übelkeit und Bauchschmerzen, nicht jedoch mit der infolge von Durchfall und Erbrechen eintretenden Dehydration des Kindes, welche schließlich zum Tode führt.

Hier hat der BGH

BGH JuS 2006, 758. die Beibringung eines gesundheitsschädlichen Stoffes bejaht. In Anbetracht der Höhe der Dosierung und der Konstitution eines kleinen Kindes (S wog 15 Kilo) war Salz als alltäglicher Stoff geeignet, die Gesundheit über die Übelkeit hinaus in erheblichem Maße zu gefährden.

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Das Gift bzw. der gesundheitsschädliche Stoff muss dem Körper des Opfers beigebracht worden sein und die Körperverletzung ursächlich bewirkt haben.

Definition

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Beigebracht ist das Gift bzw. der gesundheitsschädliche Stoff dann, wenn eine Verbindung mit dem Körper hergestellt wurde, so dass das Gift bzw. der gesundheitsschädliche Stoff dort seine schädliche Wirkung entfalten kann.

Wessels/Hettinger/Engländer Strafrecht BT 1 Rn. 289.

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In der Regel erfolgt die Beibringung durch eine direkte innere Anwendung. Umstritten ist jedoch, ob das Beibringen auch zu bejahen ist, wenn der Stoff oder Gift nur äußerlich angewendet werden.

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Nach h.M. ist es unerheblich, ob das Gift bzw. der gesundheitsschädliche Stoff in das Körperinnere gelangt ist. Eine Entfaltung der Stoffe auf der Körperoberfläche soll ausreichen. Maßgeblich ist allein die Gefährlichkeit der Begehungsweise, die sowohl „äußerlich“ als auch „innerlich“ gleich intensiv sein kann.

BGHSt 32, 130. Nach anderer Ansicht soll lediglich eine interne Wirkung des Stoffes unter den Anwendungsbereich der Nr. 1 fallen, da ansonsten Nr. 1 gegenüber Nr. 2 keinen eigenständigen Anwendungsbereich mehr hätte.Jäger Strafrecht BT Rn. 76. Demnach müsste der äußerlich angebrachte Stoff seine Wirkung jedenfalls im Körperinneren entfalten.

Beispiel

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A überschüttet D mit kochend heißem Wasser und verursacht so bei D im Bereich des Oberkörpers Verbrennungen dritten Grades.

Hier hat A nach h.M. eine gefährliche Körperverletzung mittels der Beibringung eines gesundheitsschädlichen Stoffes begangen. Das heiße Wasser stellt einen solchen Stoff dar, da es thermisch wirkt. Das Aufbringen des heißen Wassers auf den Körper reicht zur Vollendung des Delikts aus. Nach a.A. liegt eine Körperverletzung gem. §§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 2 vor, da das heiße Wasser als gefährliches Werkzeug angesehen werden kann und für die Nr. 1 eine Wirkung im Körperinneren erforderlich ist.

2. Körperverletzung mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs (Nr. 2)

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Bei § 224 Abs. 1 Nr. 2 ist Grund für die Strafschärfung, dass der Täter die Körperverletzung mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs begangen hat.

Auch hier kann dem Gesetzestext entnommen werden, dass die Waffe den Spezialfall des gefährlichen Werkzeugs darstellt.

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Was unter einem gefährlichen Werkzeug zu verstehen ist, ist umstritten. Nach h.M. lautet die Definition wie folgt:

Definition

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Ein gefährliches Werkzeug ist jeder bewegliche Gegenstand, der nach seiner objektiven Beschaffenheit und Art seiner Verwendung im konkreten Fall geeignet ist, erhebliche Verletzungen herbei zu führen.

BGH NStZ 87,174; BGH Urteil vom 24.9.2009 Az 4 StR 347/09 – abrufbar unter www.bundesgerichtshof.de; Wessels/Hettinger/Engländer Strafrecht BT 1 Rn. 296.

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Nach a.A. sollen auch unbewegliche Gegenstände, wie feststehende Wände, gegen die der Kopf des Opfers geschlagen wird, unter den Begriff des Werkzeugs zu subsumieren sein, da es von der Wirkung keinen Unterschied mache, ob das Werkzeug beweglich sei oder nicht.

LK-Lilie § 224 Rn. 27; NK-Paeffken § 224 Rn. 13.

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Die h.M. hält dieser Ansicht entgegen, dass sie zum einen gegen den Wortlaut verstoße, da der natürliche Sprachgebrauch keine feststehenden Gegenstände als Werkzeug betrachten würde. Darüber hinaus wird ausgeführt, dass in den meisten Fällen bei den von der Literatur ins Auge gefassten Begehungsweisen eine gefährliche Behandlung gemäß Abs. 1 Nr. 5 vorliegen wird, sodass eine Erfassung über Abs. 1 Nr. 2 nicht erforderlich ist.

BGHSt 22, 235; BGH NStZ 88, 361; Wessels/Hettinger/Engländer Strafrecht BT 1 Rn. 274.

Expertentipp

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Beachten Sie, dass allerdings auch nach h.M. es unerheblich ist, ob der Gegenstand gegen das Opfer oder das Opfer gegen den Gegenstand geführt wird. Wird also das Opfer mit seinem Kopf gegen einen beweglichen Amboss geschleudert, so liegt eine Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 vor.

Auch aus diesem Grund will die o.g. Literaturauffassung unbewegliche Gegenstände unter den Begriff des Werkzeugs subsumieren, da letztlich nicht die durch die Bewegung des Gegenstandes herbeigeführte Verletzung maßgeblich ist.

Die erheblichen Verletzungen müssen nicht tatsächlich eingetreten sein. Es reicht nach der Definition, dass das gefährliche Werkzeug potentiell geeignet war, diese herbeizuführen.

BGH Urteil vom 24.9.2009 Az 4 StR 347/09 – abrufbar unter www.bundesgerichtshof.de.

Beispiel

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Je nach Verwendung im Einzelfall können gefährliche Werkzeuge sein:

Eine Schere, der Schuh am Fuß beim Tritt gegen empfindliche Stellen des Körpers, ein Kraftfahrzeug, auch das Ausdrücken einer brennenden Zigarette auf der Haut des Opfers wegen der nicht sicher absehbaren Folgen, wie z.B. komplizierte Wundheilung und Narbe, sowie das Übergießen mit siedenden Flüssigkeiten, wobei diese schon vom Anwendungsbereich der Nr. 1 umfasst werden. Keine gefährlichen Werkzeuge sollen Behandlungs- und Operationsinstrumente in den Händen von niedergelassenen Ärzten sein, die bestimmungsgemäß gebraucht werden, wie z.B. Skalpelle.

Siehe die Übersicht bei Wessels/Hettinger/Engländer Strafrecht BT 1 Rn. 300.

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Dem Wortlaut „gefährliches Werkzeug“ ist zu entnehmen, dass als ein solches Werkzeug nur körperfremde Sachen in Betracht kommen. Unbewehrte Körperteile, wie z.B. die Faust, die Handkante oder das Knie, stellen mithin keine gefährlichen Werkzeuge dar. Unerheblich ist hingegen der Aggregatzustand des Werkzeugs, so dass auch Salzsäure und giftige Gase in Betracht kommen.

Jäger Strafrecht BT Rn. 78.

Definition

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Unter einer Waffe ist eine Waffe im technischen Sinn zu verstehen. Umfasst werden gebrauchsbereite Werkzeuge, die nach ihrer Art der Anfertigung nicht nur geeignet, sondern allgemein auch dazu bestimmt sind, Menschen durch ihre mechanische oder chemische Wirkung körperlich zu verletzen.

BGHSt 4, 125.

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Wesentlich ist auch bei der Waffe die konkrete, einsatzbezogene Gefährlichkeit, wie beim gefährlichen Werkzeug.

Beispiel

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Als Waffe werden gem. § 1 Abs. 2 WaffG i.V.m. Anlage 1 zum WaffG Pistolen, auch Gaspistolen, Gewehre, Messer, sofern sie nach ihrer Bauart als Waffen bestimmt sind, Handgranaten usw. angesehen.

Wird die Pistole allerdings nur mit einem leichten Schlag gegen den Oberkörper des Opfers geführt, so liegt keine gefährliche Körperverletzung vor, da es in diesem Fall an der einsatzbezogenen Gefährlichkeit der Waffe fehlt.

Beachten Sie, dass die Körperverletzung „mittels“ des gefährlichen Werkzeugs oder der Waffe begangen worden sein muss. In der Verletzung muss sich also die Gefährlichkeit des Tatwerkzeuges in typischer Weise realisieren.

Beispiel

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Polizist P möchte einen anfahrenden Autorfahrer stellen, indem er sich auf die Motorhaube des Fahrzeugs legt und sich an den Scheibenwischern festhält. Nachdem der Autofahrer nicht anhält, nutzt er bei der nächsten Kurve die Fliehkräfte und lässt sich auf den Asphalt fallen. Dabei zieht er sich Schürfwunden an Armen und Beinen zu.

Der BGH

BGH Beschluss vom 30.6.2011 Az 4 StR 266/11 – abrufbar unter www.bundesgerichtshof.de; ähnlich BGH Beschluss vom 20.12.2012 Az 4 StR 292/12. hat § 224 Abs. 1 Nr. 2 in diesem Fall verneint. Zwar könne ein fahrendes Auto grundsätzlich ein gefährliches Werkzeug sein, so z.B. beim Zufahren auf einen Fußgänger. Die Verletzungen des P seien jedoch, so der BGH, nicht durch eine Einwirkung des Fahrzeuges auf den Körper, sondern durch den Sturz auf den Asphalt entstanden.

3. Körperverletzung mittels eines hinterlistigen Überfalls (Nr. 3)

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Ein weiterer Qualifikationsgrund liegt nach § 224 Abs. 1 Nr. 3 in der Begehung mittels eines hinterlistigen Überfalls.

Definition

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Unter einem Überfall ist jeder plötzliche unerwartete Angriff auf einen Ahnungslosen zu verstehen.

Wessels/Hettinger/Engländer Strafrecht BT 1 Rn. 304. Dieser Überfall ist hinterlistig, wenn der Täter planmäßig berechnend vorgeht, indem er seine wahre Absicht verschleiert und gerade dadurch dem Angegriffenen die Abwehr erschwert.BGH GA 89, 32.

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Das Ausnutzen eines Überraschungsmoments genügt für sich alleine insofern nicht.

BGH GA 61, 241.

Beispiel

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A und B befinden sich in einer wortreichen Auseinandersetzung, die B dadurch zu beenden vorgibt, dass er A die Hand zum Friedensschluss entgegen streckt. Kaum hat der ahnungslose A die Hand ergriffen, stößt ihm B unvermittelt das Knie in den Unterleib.

Hier hat der BGH einen hinterlistigen Überfall bejaht, da der Täter durch das Ausstrecken der Hand zum Friedensschluss seine wahre Absicht planmäßig berechnet verdeckt hat.

BGH MDR/D 56, 526.

Weitere hinterlistige Überfälle können sein: Verstecken und Auflauern, Beibringen eines Betäubungsmittels, Anbringen einer Stolperfalle etc.

4. Körperverletzung mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich (Nr. 4)

200

Gem. § 224 Abs. 1 Nr. 4 ist die Körperverletzung gefährlich, wenn sie mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich begangen wird.

Definition

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Gemeinschaftlich ist die Körperverletzung begangen, wenn mindestens zwei Personen als Angreifer am Tatort zusammen wirken.

201

Umstritten ist, was unter dem Begriff des „Beteiligten“ zu verstehen ist.

Teilweise wird unter Hinweis auf das Tatbestandsmerkmal „gemeinschaftlich“ noch immer verlangt, dass die beiden Personen mittäterschaftlich handeln müssen.

Schroth NJW 1998, 2861. Nach inzwischen herrschender Meinung in der Literatur und Rechtsprechung lässt die Formulierung „mit einem anderen Beteiligten“ jedoch darauf schließen, dass die Täter nicht als Mittäter miteinander verbunden sein müssen, sondern dass es ausreicht, dass Anstifter und Haupttäter bzw. Gehilfe und Haupttäter am Tatort zusammenwirken. Das Tatbestandsmerkmal „gemeinschaftlich“ soll lediglich sicherstellen, dass ein verbundenes Handeln mehrerer Personen erfasst wird, die gefahrerhöhend am Tatort anwesend sind, so dass das Opfer immer damit rechnen muss, auch der unterstützende Angreifer könne jederzeit zum täterschaftlichen Angriff übergehen.Wessels/Hettinger/Engländer Strafrecht BT 1 Rn. 306; BGH Urteil vom 3.9.2002 Az 5 STR 210/02 – abrufbar unter www.bundesgerichtshof.de.

Beispiel

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A, B und C wollen eine Gaststätte überfallen. Während C draußen wartet, betreten A und B das Gebäude und treffen zunächst in der Küche auf den Koch K. Nachdem dieser erklärt hat, er habe kein Geld und könne auch nicht auf die Kasse zugreifen, betritt die Pächterin P die Küche. Diese erkennt die Sachlage, verlässt die Küche und betritt über einen Flur einen Nebenraum, um die Polizei zu rufen. Während A den K in Schach hält, folgt B der P. Im Nebenraum schubst er sie gegen eine „Entkorkmaschine“, wobei P Prellungen erleidet. Die Täter verschwinden alsdann ohne Geld.

Hier stellte sich für den BGH

BGH NStZ 2017, 640. die Frage, ob B die Körperverletzung mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich begangen hat. C, der draußen Schmiere stand, schied als Beteiligter aus. In Betracht kam aber A, der in der Küche K in Schach hielt. Der BGH hat § 224 Abs. 1 Nr. 4 verneint und dabei darauf abgestellt, dass sich beide Täter in unterschiedlichen Räumen aufhielten. Das überzeugt aufgrund der doch immer noch bestehenden räumlichen Nähe nicht unbedingt. Vielmehr spricht gegen die Anwendung der Nr. 4, dass A damit beschäftigt war, K in Schach zu halten und von daher nicht zur Unterstützung des B im Nebenraum zur Verfügung stand.So auch Anm. Bock NStZ 2017, 640.

Expertentipp

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In der Klausur ist der Aufbau der Prüfung des § 224 Abs. 1 Nr. 4 nicht ganz unproblematisch, da inzident die Beteiligungsform einer anderen Person mitgeprüft werden muss.

Sofern unproblematisch eine mittäterschaftliche Begehung angenommen werden kann, sollten Sie den gemeinsamen Aufbau bei der Mittäterschaft wählen und „… die Strafbarkeit von A und B gem. §§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 4, 25 Abs. 2…“ prüfen.

Sofern unproblematisch die andere Person Anstifter oder Beihelfender ist, prüfen Sie bei dem Merkmal „Beteiligter“ inzident den jeweiligen Beitrag („fördern oder bestimmen“) und stellen fest, dass insoweit eine gemeinschaftliche Begehung vorliegt. Später können Sie dann bei der Prüfung des Teilnehmers hinsichtlich des Beitrags auf oben verweisen.

Sofern die Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme in der Klausur Probleme aufwirft, sollten Sie erneut mit dem Haupttäter beginnen (im obigen Fall B) und bei § 224 Abs. 1 Nr. 4 dann feststellen, dass zumindest ein die Tat fördernder Beitrag i.S.d. Beihilfe oder ein bestimmender Beitrag i.S.d. Anstiftung in Betracht kommt, was nach h.M. ausreicht. Ob der Tatbeitrag zudem auch eine Mittäterschaft begründen könnte, lassen Sie an dieser Stelle dann offen und verweisen auf die spätere Prüfung.

202

Umstritten ist ferner, ob das Opfer den weiteren Beteiligten auch wahrgenommen haben muss.

Beispiel

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A will X einen Denkzettel verpassen und möchte auf die Reifen seines fahrenden Fahrzeuges schießen. Damit der Plan gelingt, bittet er B, sich 250 m vorher ins Gebüsch zu setzen und ihm mittels eines Walkie Talkie Bescheid zu geben, sobald X sich nähert. Das Fahrzeug gerät aufgrund des Schusses von der Fahrbahn ab und landet im Graben. Die Insassen ziehen sich diverse Verletzungen zu.

203

In der Literatur wird überwiegend vertreten, dass das Opfer die unterstützungsbereite Person am Tatort auch wahrgenommen haben müsse, da es nur dann auch aufgrund seiner psychischen Zwangslage in seiner Verteidigung eingeschränkt sei.

LK-Lilie § 224 Rn. 35; MüKo-Hardtung § 224 Rn. 26.

204

Der BGH und Teile der Literatur hingegen verweisen auf die erhöhte Gefährlichkeit, die sich auch aus der Angriffs- und Wehrbereitschaft mehrerer Angreifer ergebe, so dass eine Wahrnehmung des Opfers nicht erforderlich sei.

BGHSt 2006, 572; Joecks/Jäger § 224 Rn. 36a.

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5. Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung (Nr. 5)

205

Gem. § 224 Abs. 1 Nr. 5 kann sich die Gefährlichkeit der Körperverletzung schließlich noch aus der lebensgefährdenden Behandlung ergeben.

206

Dabei ist umstritten, ob es sich bei der Gefahr um eine konkrete oder abstrakte Gefahr handeln muss.

Im Hinblick auf die hohe Strafandrohung wird in der Literatur teilweise vertreten, dass das Opfer in eine konkrete Lebensgefahr gekommen sein müsse. Dafür spreche auch die Unbestimmtheit des Begriffs der abstrakten Gefahr.

Schönke/Schröder-Stree/Sternberg-Lieben § 224 Rn. 12. Eine konkrete Gefahr liegt vor, wenn es nur noch vom rettenden Zufall abhängt, ob der Tod eintritt.

Hinweis

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§ 221 Abs. 1 verlangt eine derart konkrete Lebensgefahr als tatbestandlichen Erfolg. Dementsprechend finden Sie dort auch die Formulierung „… ihn dadurch der Gefahr des Todes … aussetzt“.

207

Die herrschende Meinung lässt hingegen die abstrakte Gefährlichkeit der Körperverletzungshandlung ausreichen.

BGHSt 36, 9. Eine tatsächliche Lebensgefahr muss demnach nicht eintreten. Begründet wird dies damit, dass keine der in § 224 genannten Ziffern eine tatsächlich eingetretene schwere Folge voraussetzt und dass der Wortlaut schließlich auch nicht von dem Herbeiführen einer Lebensgefahr, sondern nur von einer lebensgefährdenden Behandlung spreche. Schließlich habe auch der Gesetzgeber deutlich gemacht, dass eine konkrete Gefahr nicht erforderlich sei.Joecks/Jäger § 224 Rn. 38. Nach herrschender Meinung wird die lebensgefährdende Behandlung damit wie folgt definiert:

Definition

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Eine das Leben gefährdende Behandlung liegt vor, wenn die Verletzungshandlung generell geeignet ist, das Leben des Opfers in Gefahr zu bringen.

Beispiel

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Sowohl eine konkrete als auch eine abstrakte Gefahr kann bejaht werden bei einem festen Würgegriff, der zu Schmerzen und Würgemerkmalen am Hals führt,

S_BGH\-2007-07-03\-5StR37-07BGH Entscheidung vom 3.7.2007 Az 5 StR 37/07 – abrufbar unter www.bundesgerichtshof.de. Anfahren mit einem Fahrzeug, zu Boden stoßen auf eine viel befahrene Autobahnfahrbahn,BGH NStZ 2007, 34. Verabreichen eines versalzenen PuddingsBGH JuS 2006, 758..

Anders hingegen in dem oben beschriebenen Fall des exzessiv röntgenden Arztes, da hier allenfalls eine abstrakte Gefahr für die Zellen besteht.

BGHSt 43, 356 mit abl. Bspr. Jung MedR 1998, 329. Auch eine Ansteckung mit dem HI-Virus wird von der herrschenden Meinung als eine das Leben gefährdende Behandlung angesehen, sofern der Nachweis der Kausalität gelingt.Wessels/Hettinger/Engländer Strafrecht BT 1 Rn. 292.

Expertentipp

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Sofern Sie eine andere Definition wählen als die der h.M., wirkt sich das auch auf den Vorsatz aus. Sind Sie z.B. der Auffassung, dass bei Nr. 5 eine konkrete Gefahr erforderlich ist, so muss der Täter auch mit dieser konkreten Gefahr gerechnet und sie billigend in Kauf genommen haben. In der Klausur kann es sein, dass insbesondere bei der Nr. 5 im objektiven Tatbestand die unterschiedlichen Meinungen irrelevant sind, im subjektiven Tatbestand der Täter aber allenfalls Vorsatz im Hinblick auf eine abstrakte, nicht aber auf eine konkrete Gefahr hat, so dass Sie in Fällen dieser Art den Streit im objektiven Tatbestand entscheiden sollten.

208

Zu beachten ist, dass sich die Lebensgefährdung aus der Behandlung selber ergeben muss. Ergibt sich die Gefahr erst aus den nachfolgenden Konsequenzen, so muss § 224 Abs. 1 Nr. 5 verneint werden.

Beispiel

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Wird ein Opfer vom Täter auf eine Straße geschubst und erleidet es seine Verletzungen erst dadurch, dass sich im Anschluss daran ein Unfall entwickelt, weil ein Autofahrer nicht rechtzeitig ausweichen kann, so ist die Behandlung, nämlich das „Schubsen“, vom BGH nicht als lebensgefährliche Behandlung angesehen worden. Demnach muss die Gefahr auch hier „mittels“ der Art der Behandlung eintreten.

BGH Beschluss vom 5.1.2010 Az 4 StR 478/09 – abrufbar unter www.bundesgerichtshof.de.

III. Subjektiver Tatbestand

209

In subjektiver Hinsicht reicht für § 224 normaler Vorsatz, d.h. dolus eventualis aus. Der Vorsatz muss sich also auch darauf beziehen, dass

das Gift oder der gesundheitsschädliche Stoff in der konkreten Art und Weise seiner Verwendung geeignet ist, erhebliche, eventuell weitere, nicht notwendig lebensgefährliche Körperverletzungen herbeizuführen (Nr. 1),

das gefährliche Werkzeug nach seiner objektiven Beschaffenheit und Art seiner Verwendung im konkreten Fall geeignet ist, erhebliche Verletzungen herbei zu führen (Nr. 2),

die das Leben gefährdende Behandlung generell geeignet ist, das Leben des Opfers in Gefahr zu bringen (Nr. 5).

Beispiel

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Im obigen Kochsalzfall hat der BGH

BGH JuS 2006, 758. den Vorsatz bezüglich der Nr. 1 bejaht, da die Täterin zumindest mit erheblichen Bauchschmerzen und Übelkeit gerechnet habe. Den Vorsatz bezüglich der Nr. 5 hat er nicht geprüft, da er sich anschließend auf die Strafbarkeit gem. § 227 fokussiert hat. Im Rahmen des § 227 hat er ausgeführt, dass es für die Täterin aufgrund ihrer intellektuellen Fähigkeiten und Kenntnisse nicht subjektiv vorhersehbar gewesen sei, dass eine derartige Salzmenge zu einer Dehydration und damit zum Tode führen könne. Ausgehend davon wird man den Vorsatz der Täterin bezüglich der abstrakten Lebensgefährdung wohl ebenfalls verneinen müssen.

IV. Rechtswidrigkeit und Schuld

210

Es gibt keine deliktsspezifischen Besonderheiten. Insofern wird auf die allgemeinen Grundsätze verwiesen.

V. Konkurrenzen

211

Die Verwirklichung mehrerer Alternativen des § 224 stellt insgesamt nur eine gefährliche Körperverletzung dar. Zu den Konkurrenzen mit § 226 und den Tötungsdelikten vgl. Rn. 239.

Was ist leichter Raub?

Der einfache Raub sieht eine Freiheitsstrafe von nicht unter einem Jahr vor. Der Raub ist daher ein Verbrechen. Bei Verbrechen wird jedoch in der Regel eine sogenannte notwendige Verteidigung vorliegen, sodass Ihnen ein Pflichtverteidiger beizuordnen sein wird.

Was ist ein schwerer Raub?

Schwerer Raub vs. Von einem schweren Raub ist die Rede, wenn der Täter bei der Ausführung seines Raubes eine Waffe oder ein gefährliches Werkzeug mit sich führt.

Was bekommt man für einen schweren Raub?

Für einen schweren Raub droht zum Beispiel eine drei- bis fünfjährige Haftstrafe. Das gilt zum Beispiel in folgenden Fällen: Raub mit einer Waffe oder einem anderen gefährlichen Werkzeug (Hierfür genügt es übrigens schon, wenn der Täter oder ein Tatbeteiligter diese Waffe nur bei sich führt, ohne sie zu benutzen.)

Wann minder schwerer Fall Raub?

2 StGB eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein solcher minder schwerer Fall kann beispielsweise vorliegen, wenn die angewendete Gewalt als gering anzusehen ist, beispielsweise bei einer Ohrfeige.

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