Was beurteilungen wirklich bedeuten

"Leon kann altersgerechte Texte zunehmend flüssiger vorlesen." Ist das jetzt gut? Oder muss Leon in Sachen Lesen noch deutlich aufholen? Lehrerin "Frau Bachmayer" spricht Klartext und übersetzt euch die Zeugnis-Klauseln.

Was beurteilungen wirklich bedeuten

Foto: Lukassek - stock.adobe.com

"Leons Arbeitsverhalten entspricht den Erwartungen in vollem Umfang, er kann den Arbeitsanweisungen zunehmend sicherer folgen." Klingt doch gut, oder? Zeugnisse stecken oft voller Verklausulierungen. Um ein Zeugnis zu interpretieren, muss man auf die Adjektive achten, sagt Lehrerin Frau Bachmayer aus Niedersachsen,die unter diesem Synonym jede Woche bei Antenne Niedersachsen bloggtund Klartext redet.

NoteBedeutung
(Die Leistung entspricht...)Beurteilung SozialverhaltenBedeutung
(Das Verhalten entspricht…)1… den Anforderungen im besonderen Maße"verdient besondere Anerkennung"… den Erwartungen in besonderem Maße, u.U. werden einzelne Gesichtspunkte hervorgehoben bzw. ergänzt2… voll den Anforderungen."entspricht den Erwartungen in vollem Umfang"… den Erwartungen voll und uneingeschränkt.3… im Allgemeinen den Anforderungen"entspricht den Erwartungen"… den Erwartungen im Allgemeinen4… im Ganzen noch den Anforderungen, weist jedoch Mängel auf"entspricht den Erwartungen mit Einschränkungen"… noch den Erwartungen im Ganzen5… den Anforderungen nicht. Es ist jedoch erkennenbar, dass die notwendigen Grundkenntnisse vorhanden sind und die Mängel in absehbarer Zeit behoben werden könnten"entspricht nicht den Erwartungen"… nicht oder ganz überwiegend nicht den Erwartungen und eine Verhaltensänderung ist in absehbarer Zeit nicht zu erwarten6… nicht den Anforderungen. Selbst die Grundkenntnisse sind so lückenhaft, dass die Mängel in absehbarer Zeit nicht behoben werden könnenwird nicht vergebenwird nicht vergeben

Die Zeugnis-Übersetzung

Was beurteilungen wirklich bedeuten

Wir haben hier ein Halbjahres-Zeugnis von einem Zweitklässler aus Hannover. Seinen Namen und die Schule verraten wir nicht. In den ersten zwei Schuljahren erhalten Schüler in Niedersachsen ja noch keine echten Schulnoten, sondern bekommen eine Bewertung in Textform. In dem Zeugnis stecken bestimmte Formulierungen, die man nur richtig verstehen muss. "Frau Bachmayer" hat uns diese Formulierungen in Noten übersetzt. Hinweis: Die Noten lassen sich nicht pauschal sagen – das ist nur eine Einschätzung von Frau Bachmayer – sie rät den Eltern, bei Unsicherheiten Rücksprache mit den jeweiligen Lehrern zu halten.

Hier also die Formulierung im Zeugnis und die Einschätzung von Lehrerin "Frau Bachmayer"...

Interessen, Fähigkeiten, Fertigkeiten

"XY arbeitet mit Interesse und guten Beiträgen im Sachunterricht mit. Sein Herbstheft hat er besonders gut geführt. Er arbeitet im Musikunterricht interessiert mit und kann sowohl Melodien als auch Rhythmen gut aufnehmen und wiedergeben. XY zeigt Interesse an den Themen des Religionsunterrichts. In Gesprächsphasen ist er aufmerksam und konzentriert dabei. Er verhält sich im Sportunterricht bei kooperativen Spielen sportlich und fair."

NOTE: 2
Insgesamt klingt das positiv, denn hier werden viele positive Adjektive verwendet. Das Wort "gut" kommt mehrfach vor, das heißt der Schüler befindet sich im Zweier-Bereich. Einmal finden wir sogar das Wort "besonders", das heißt sogar überdurchschnittlich gut und lässt sich sogar im Einser-Bereich einordnen, hier bezogen auf das Herbstheft.


Deutsch

Sprechen und Zuhören

"XY verfügt über einen guten Wortschatz und spricht grammatisch richtig. Er kann inhaltlich verständlich und orientiert an der Standardsprache vor anderen sprechen. XY beachtet die Gesprächsregeln und bleibt in Gesprächen stets sach- und inhaltsbezogen. In Klassengesprächen verhält er sich eher zurückhaltend, kann sich aber auf Beiträge anderer beziehen und seine Meinung äußern. Er versteht Inhalte beim Zuhören, kann gezielt nachfragen, Arbeitsergebnisse reflektieren und diese gut präsentieren."

NOTE: 2-
Zwei Mal das Adjektiv "gut", also guter Wortschatz und der Schüler kann Arbeitsergebnisse gut reflektieren, das ist klarer Zweier-Bereich. Allerdings gibt's eine kleine Einschränkung: In Klassengesprächen verhält sich der Schüler eher zurückhaltend. Das lässt den Rückschluss zu, dass es ein eher ruhigerer Schüler ist. Er könnte sich sicher mehr am Klassengespräch beteiligen.


Lesen und mit Texten umgehen

"XY kann altersgerechte Texte selbstständig erlesen und geübte Texte flüssig und sinngestaltend vorlesen. Er kann sinnverstehend lesen und schriftlichen Arbeitsanweisungen zunehmend sicherer folgen. Informationen in Bildern, Tabellen und Gedichten versteht er weitgehend und klärt Verständnisprobleme selbstständig. XY kann handelnd und produktiv mit Texten umgehen und Arbeitsergebnisse gut präsentieren. Er verfügt über grundlegende Leseerfahrungen, nutzt das Leseangebot vom Freiarbeitsmaterial und zeigt Leseinteresse."

NOTE: 2-
Das Adjektiv "selbstständig" lässt den Rückschluss zu, dass er schon ganz ordentlich mit Texten umgehen kann. Beim Lesen und Vortragen sind die Leistungen außergewöhnlich gut. Allerdings gibt es auch eine kleine Einschränkung, die die Leistungen etwas abschwächen. "Zunehmend sicherer" bedeutet beispielsweise, dass er noch nicht ganz sicher ist, dafür ist der Schüler aber bemüht. Im dritten Absatz finden wir das Wort "weitgehend", das ebenfalls eine Einschränkung darstellt.


Schreiben, Texte verfassen

"XY hat eine sehr formklare und flüssige Schrift. Er kennt schon viele Rechtschreibregeln und wendet diese sicher an. Beim Abschreiben arbeitet er zunehmend zügiger, sorgfältig und fast fehlerfrei. XY kann eigene, kreative Schreibideen entwickeln und diese verständlich verschriftlichen. Seine Texte sind inhaltlich plausibel und die Sätze aufeinander bezogen."

NOTE: 2-
"Sicher" ist außergewöhnlich gut, genauso wie das Wort "sehr". Heißt: Gut bis sehr gut. Allerdings gibt’s hier eine Einschränkung durch das Wort "zunehmend" – hier ist noch Luft nach oben.


Was beurteilungen wirklich bedeuten

02.12.2019

Zeugnistexte - Worauf Eltern achten sollten

Reinhören

Mathematik

Zahlen und Operationen

"XY kann sich im Zahlenraum bis 100 sicher orientieren. Er addiert und subtrahiert sowohl Zehnerzahlen als auch einstellige Zahlen mit Zehnerübergang sehr souverän. Es gelingt ihm gut Sachaufgaben richtig zu lösen und bei Problemstellungen Lösungswege zu erkennen, die er sprachlich angemessen erklären kann. Die Ziffern schreibt XY formklar und sauber."

NOTE: 1
Mathe liegt dem Schüler. Die Formulierung "sehr souverän" heißt, dass er hier wirklich sehr gute Leistungen zeigt. Außerdem kommt das Wort "gut" vor.


Größen und Messen

"XY kann die Geldscheine und Münzen sicher benennen. Er kann Geldbeträge richtig ermitteln, auf verschiedene Weise legen und Sachaufgaben dazu selbstständig lösen."

NOTE: 2
Die Leistungen liegen stabil im Zweier-Bereich, das zeigen die Wörter "richtig" und "sicher".


Raum und Form

"XY kann geometrische Körper sicher in der Umwelt erkennen, benennen und darstellen. Er kann Modelle nach Anweisungen bauen und geometrische Muster richtig fortsetzen. XY erkennt symmetrische Figuren und kann sie zeichnerisch ergänzen."

Was Arbeitszeugnisse wirklich sagen?

Ein Arbeitszeugnis enthält neben Ihren Stammdaten und der Tätigkeitsbeschreibung im Unternehmen eine Beurteilung Ihrer Leistungen und Ihres Sozialverhaltens. Es ist gesetzlich festgelegt, dass dieser Teil wohlwollend formuliert werden muss.

Wie erkenne ich ob mein Arbeitszeugnis gut oder schlecht ist?

Laut Absenger gehört in ein gutes Arbeitszeugnis der offizielle Firmenkopf, eine kurze Vorstellung des Mitarbeiters und der Firma selbst. Dann sollte das Arbeitszeugnis die wesentlichen Tätigkeitsfelder des Mitarbeiters aufzählen und schließlich auch seine Leistung und das Verhalten bewerten.

Wie lese ich eine Beurteilung?

Die Bewertung lässt sich grob in vier Schulnoten gliedern: Sehr gut: stets/immer zu unserer vollsten Zufriedenheit; Übertraf jederzeit unsere Erwartungen; in jeder Hinsicht sehr gut; … Gut: stets zu unserer vollen Zufriedenheit; waren jederzeit gut; … Befriedigend: zu unserer vollen Zufriedenheit.

Was bedeutet bestens im Arbeitszeugnis?

“Für die Zukunft wünschen wir ihr weiterhin viel Erfolg und persönlich alles Gute” deutet auf eine sehr gute Bewertung der bisherigen Leistung hin. Wünscht der Arbeitgeber nur “weiterhin Erfolg”, ist das gleich eine Abstufung nach unten.