Was bedeutet Frühling lässt sein blaues Band wieder flattern durch die Lüfte?

… das wohl bekannteste Frühlingsgedicht mit dem eigentlichen Titel „Er ist’s“ stammt von Eduard Friedrich Mörike aus dem Jahre 1829.

Die Meteorologen legten den Frühlingsbeginn auf den 1. März. Die Astronomen dagegen sind eigentlich näher dran, denn der 21. März ist der von ihnen definierte Tag. (Frühlingsanfang 2021: 20.03.2021)

Doch nicht der Verstand legt solche Zeiten fest. Das heißt, der wahre Frühling beginnt erst, wenn wir tatsächlich an der Natur selbst sehen, dass der Frühling beginnt.

Der NABU kennt drei „Frühlinge“: Der Vorfrühling beginnt mit der Blüte von zum Beispiel Hasel und Schneeglöckchen, der Erstfrühling startet mit der Blüte der bekannten gelben Forsythie sowie vielen Obstbäumen, und der Vollfrühling wird begleitet von der Blüte von Apfel, Flieder und Rosskastanie.

Wenn es nach den Comedian Harmonists geht, verhext der Frühling die ganze Welt. Sein Beginn wird unterschiedlich festgelegt - astronomisch am 20. März, meteorologisch aber schon am 1. März. Auch beim wohl berühmtesten Gedicht zum Thema gibt es Verwirrung. Viele ordnen es dem falschen Autor zu.

Hier haben wir bereits ein wenig über das Leben Mörikes erzählt. Nun soll es um eines seiner Gedichte gehen. Es ist typisch für die Naturbezogenheit des Biedermeier-Dichters und ein gutes Beispiel dafür, wie lyrische Sprache Sinneseindrücke transportiert, um Gefühle zu suggerieren.

Kurze Auslegungen von Gedichten der deutschen und englischen Literaturgeschichte erscheinen regelmäßig auf diesem Blog. Diese und weitere Interpretationen werden auch bald als Lektürehilfen für Schüler, Studierende und andere Interessierte in der App verfügbar sein.


Eduard Mörike: Er ist’s

Frühling läßt sein blaues Band
Wieder flattern durch die Lüfte;
Süße, wohlbekannte Düfte
Streifen ahnungsvoll das Land.
Veilchen träumen schon,
Wollen balde kommen.
  – Horch, von fern ein leiser Harfenton!
     Frühling, ja du bist’s!
Dich hab ich vernommen!


Interpretation des Gedichts von Eduard Mörike

Fast könnte man „Er ist’s“ für Kitsch halten – wäre es nicht so elegant durchkomponiert. Neun Verse hat das kurze Gedicht, keine Strophen und ein besonderes Reimschema. Die erst vier Verse folgen dem Schema des umarmenden Reimes (abba), die restlichen scheinbar dem des Kreuzreimes (cdcd). Aber sie werden unterbrochen, im achten Vers.

Dort kann der Sprecher nicht an sich halten und ruft freudig aus: „Frühling, ja du bist’s!“ – er ist glücklich über die Natur um ihn herum. Innerhalb des Gedichts gibt es keinen Vers, dessen Endlaut als Reim zu diesem Ausruf passt. Aber dafür steht außerhalb der Verse, so merkt man schnell, stattdessen die Überschrift parat. Sie endet auf „ist’s“ und reimt sich sehr deutlich. Die undeutliche Ankündigung „Er ist’s“ wird im achten Vers somit inhaltlich und formal präzisiert und erfüllt.

Sehen, riechen, hören

Die Verse vor dem Freudenjauchzen handeln davon, wie der Frühling überhaupt „vernommen“ werden konnte, bevor es zu diesem Ausbruch an Emotionen kommen konnte. Die ersten vier Verse sind dabei relativ allgemein und abstrakt gehalten: das „blaue Band“ (V. 1) eines strahlenden Himmels ist verzeichnet, die blaue Luft flattert vor wärmeren Winden (V. 2) und „[s]üße, wohlbekannte Düfte / Streifen ahnungsvoll das Land.“ (V. 3f.)

Plötzlich wird es dann konkreter. Die Verse 5 und 6 sprechen von wachsenden Frühlingsveilchen. Sie werden personifiziert, „träumen schon, / Wollen balde kommen“ – und ergänzen so das Ahnungsvolle der Verse zuvor. Vom großen Ganzen der Natur wechselt also der Blick auf eines ihrer kleinen Elemente.

Komplettiert wird der dabei parallel vermittelte Eindruck aus Sehen und Riechen der Natur durch einen „Harfenton“, der erklingt. Weil Mörike über sie auch ein anderes Gedicht geschrieben hat, kommt dem antikenkundigen Lesenden die Äolsharfe in den Sinn. Sie ist ein Instrument aus der griechischen Mythologie, das durch Wind in Schwingung versetzt wird. Es liegt nicht allzu fern, sich vorzustellen, wie auch in „Er ist’s“ die Winde vom Anfang des Gedichts im siebten Vers das mythische Instrument spielen.

Die Jahreszeit des Frühlings wird von Mörike in diesem Text also vor allem durch blaue flatternde Luft, angenehme Düfte, Blumen und harmonische Töne symbolisiert. Dadurch wird ein Bild einer positiven, wachsenden, optimistischen Zeitspanne gezeichnet, in der die Natur so freudig ist, wie der Mensch, der sie sieht und sinnlich erfährt. An dieser Harmonie ändert auch nicht, dass das Gedicht eigentlich etwas asymmetrisch komponiert ist – im Gegenteil: Durch die Freude im achten Vers wird diese Harmonie erst vollends bejubelt.

Er ist’s ist ein Gedicht von Eduard Mörike, welches um das Jahr 1829 entstand und 1832 veröffentlicht wurde. Das Gedicht ist Teil des Werkes Maler Nolten. Novelle in zwei Theilen., einem romantischen Künstlerroman des Dichters, der in der Emanuel Schweizerbart’s Verlagshandlung erschien.

Neben Er ist’s, dessen ersten beiden Verse Frühling läßt sein blaues Band / Wieder flattern durch die Lüfte; enorm populär wurden, fügte Mörike viele weitere Gedichte in den Prosatext ein, wie etwa Der Feuerreiter, eines der bekanntesten Werke des Dichters, das Mörike über viele Jahre überarbeitete.

Er ist’s ist aber nicht nur eines der bekanntesten Gedichte des Künstlers, sondern gilt gleichermaßen als eines der bekanntesten deutschsprachigen Frühlingsgedichte überhaupt, wobei es ein fester Bestandteil zahlreicher Anthologien sowie thematischer Gedichtsammlungen ist.

Das Gedicht selbst umfasst lediglich neun Verszeilen, die sich einer einzigen Strophe unterodnen, ist aber dennoch kunstvoll gestaltet und sollte aufgrund seiner Kürze nicht vorschnell beurteilt werden.

Inhaltsangabe

In den ersten vier Versen des Gedichts beschreibt das lyrische Ich, wie es die Ankunft des Frühlings über das Sehen und Riechen wahrnehmen kann. Im nächsten, dem fünften, Vers werden Veilchen[1] benannt, die kurz davor stehen zu blühen, was im sechsten Vers ausgeführt wird.

In den letzten drei Verszeilen des Werkes verkündet das lyrische Ich, dass es in der Ferne den Klang einer Harfe vernehmen kann, der als Frühling gedeutet wird, was dem Sprecher im Gedicht gefällt.


[1] Veilchen gelten seit dem Mittelalter als Vorboten des Frühlings (vgl. Literaturepochen).

Analyse/Stilmittel

Gedichtanalyse der äußeren FormGedichtartEinstrophiges Gedicht, das als Naturlyrik giltStrophen1 Strophe mit 9 VersenVerse9 Verszeilen aus ingesamt 38 WörternVersmaß
(Metrum)vierhebiger Trochäus in den Versen 1 – 4, dreihebiger Trochäus in Zeile 5 – 6, dann fünfhebiger Trochäus in Vers 7 und dreihebiger Trochäus in den Verszeilen 8 – 9, wobei die Kadenzen wechselhaft erscheinen (abwechselnd männlich und weiblich).ReimschemaUmarmender Reim (V. 1 – 4), Kreuzreim (V. 5 – 9), Reimwaise (V. 8)ReimformenVerse der Strophen durch Endreime verbundenZeitformenPräsens (Gegenwart), PerfektStilmittel im Gedicht Er ist’sStilmittelVersTextstellePersonifikation1Frühling lässt sein blaues BandMetapher1Frühling lässt sein blaues BandAlliteration1blaues BandOnomatopoesie2flattern durch die LüftePersonifikation3, 4Düfte / Streifen ahnungsvoll das Land.Personifikation5Veilchen träumen schonAppell
(Befehl)7HorchAlliteration7Horch, von fern ein leiser Harfenton!Exclamatio7, 8, 9Horch, von fern ein leiser Harfenton! / Frühling, ja du bist’s! / Dich hab’ ich vernommen!Interjektion8Frühling, ja du bist’s!

Interpretation

Er ist’s von Eduard Mörike gilt wohl als eines der bekanntesten Frühlingsgedichte überhaupt und wird dennoch aufgrund seiner Einfachheit recht selten analysiert oder gar interpretiert, da die Aussage des Gedichts klar erscheint: der Frühling kündigt sich an und das lyrische Ich ist voll freudiger Erwartung.

Jedoch verbergen sich im Gedicht zahlreiche Feinheiten, wodurch die formale Gestaltung des Werkes durchaus als besonders kunstvoll erachtet werden kann. Das Werk Er ist’s verbindet exemplarisch den Inhalt, der Vers für Vers entfaltet wird, mit der äußeren Form. Das Gedicht stellt sich selbst dar, tastet sich an den Frühling heran und mündet in der überschwänglichen Erkenntnis: der Frühling ist da!

In der ersten Verszeile wird die Jahreszeit durch die Personifikation regelrecht zum Leben erweckt. Der Frühling ist im Werk demnach nicht nur präsent, sondern wird tatsächlich vermenschlicht, wenn er sein blaues Band durch die Lüfte flattern lässt. Dieses Personifizieren des Frühlings wird dadurch verstärkt, dass dieser ohne Artikel angeführt wird und so als lebendiges Wesen, als Eigenname, erachtet wird.

Dennoch bereitet schon der erste Vers gewisse Probleme, denn auch wenn er häufig zitiert wird, kann nicht eindeutig geklärt werden, was es mit der Metapher des blauen Bandes auf sich hat. So könnte das sanfte Blau für einen aufbrechenden Himmel stehen, der das Grau des Winters farbenfroh durchbricht.

Naheliegend ist auch, dass das Band an einen Brauch aus früheren Tagen anspielt. Damals übersandte man Freunden gemalte Bänder, um sie zu grüßen. Wenn der Frühling nun sein blaues Band durch die Luft flattern lässt, kann dies als Gruß und Ankündigung seines baldigen Eintreffens gedeutet werden.

Diese Ankündigung lässt das lyrische Ich zurückblicken, denn es gebraucht ein wieder. Das bedeutet, dass es durchaus mit dem Frühling vertraut ist und diesen bereits erlebt hat, was außerdem durch die wohlbekannten Düfte des dritten Verses unterstrichen wird. Der Frühling lässt sich hierbei mit allen Sinnen erleben, lautmalerisch flattert er, ist zu sehen (blau) und außerdem zu riechen (Düfte).

Auffällig ist nun aber, dass sich der angekündigte Frühling eher langsam auszubreiten scheint. Erst wird er benannt, dann schickt er einen Gruß (blaues Band), wird plötzlich hörbar (flattern), kann dann über das Riechen wahrgenommen werden. Berücksichtigt man hier den Umstand, dass der Mensch ferne Dinge zuerst sieht, dann hört und letztlich riechen kann, scheint sich der Frühling zu näheren.

Dennoch bleiben die ersten vier Verse unkonkret. Das blaue Band flattert nur durch die Luft, die Düfte erscheinen nicht greifbar und der Frühling deutet sich nur an. Demnach können diese Verszeilen, also die ersten vier, durchaus als eigenständiger Sinnabschnitt gelten, der eine Vorbereitung der baldigen Ankunft des Frühlings vorwegnimmt. Dies wird durch den umarmenden Reim der Verse untersrichen.

Im fünften und sechsten Vers wird es allerdings schnell konkret. Das lyrische Ich erspäht Veilchen, also etwas das tatsächlich da ist, auch wenn sie bisher träumen, sich also auch in einem Schwebezustand zwischen Sein und Abwesenheit befinden. Aber die Veilchen sind da: die Ankunft muss bevorstehen.

Im siebenten Vers plötzlich ein Geräusch. Das lyrische Ich appelliert an den Adressaten des Gedichts, dass er nun ruhig sein muss, um zu hören, um den Klang einer Harfe zu vernehmen. Die Abfolge des Wahrnehmens ist hierbei identisch. Die Veilchen wurden ersten gesehen, wie zuvor das blaue Band, woraufhin ein Klang ertönt, hier die Harfe, vorab das Flattern. Da kommt wohl etwas immer näher.

Und ja: der achte Vers bringt die Gewissheit: Frühling, ja du bist’s! Darauf folgt die Rückbesinnung auf das Bisherige, wenn das lyrische Ich nun die Richtigkeit der angestellten Beobachtungen unterstreicht, denn den Frühling hat es tatsächlich vernommen (achter Vers). Interessant ist hierbei, dass die Zeile, die den Frühling benennt, eine Sonderstellung einnimmt.

Sie ist nämlich die einzige Verszeile des Textes, die sich mit keiner anderen reimt, außer mit dem Titel selbst, was wiederum ihre Sonderstellung weiterhin verstärkt. Die ersten vier Verse bilden durch den Schweifeim eine abgeschlossene Einheit, die folgenden Verse entsprechen dann dem Muster des Kreuzreims, wirken dadurch unsteter und spiegeln durch dieses Hin und Her die Vorfreude des Ichs wider – doch das Erkennen des Frühlings fällt aus diesem Muster heraus.

Der Titel des Gedichts bildet aber dennoch ein Reimpaar mit ebendieser Zeile. So bleibt demnach doch keine Zeile ohne Reim und das Gedicht scheint selbst nochmals zu unterstreichen, dass es tatsächlich der Frühling ist, wenn der Titel Er ist’s mit Frühling, ja du bist’s! gereimt und demnach verbunden wird.

Inhaltlich baut das Werk folglich eine Erwartungshaltung, beinahe Spannung, auf, die ihre Erlösung im Erkennen des Frühlings findet. Interessant ist hier, dass diese Spannung, diese aufgeregte Vorfreude sich im Gedicht selbst abzeichnet. Anfänglich bildet der Schweifreim eine Einheit, dann wird es im Kreuzreim unruhiger, der dann, als Höhepunkt, durch die scheinbare Reimwaise gesprengt wird.

Dieses Aufgeregte lässt sich auch daran erkennen, dass die ersten zwei Verse noch einen ganzen Satz beinhalten, welcher sich über beide Zeilen erstreckt, auch Vers drei und vier tragen anmutig einen Satz, der seine eigene Länge auskostet. Die Beobachtung der träumenden Veilchen wird zwar immer noch in einem Satz, der sich über zwei Verse erstreckt, ausgedrückt, doch ist dieser deutlich kürzer.

Danach schlägt der Text in einen absoluten Zeilenstil um. Das bedeutet, dass das Vers- und Satzende zusammenfallen und spätestens im vorletzten Vers gipfelt das Gedicht im Stakkato. Die Ankunft des Frühlings wird ausschließlich durch einsilbige, zackige Wörter, die sich durch viele Konsonanten und helle Vokale auszeichnen, hervorgebracht. Die vorfreudige Unruhe lässt sich sprachlich nachweisen.

Auch metrisch wird dieses Hin und Her unterstrichen. Zwar werden in Er ist’s alle Verse vom Trochäus bestimmt, doch variieren die Hebungen der einzelnen Zeilen enorm. Anfänglich bleibt dieser Trochäus vierhebig, wird dann dreihebig, danach sogar fünfhebig im siebenten Vers, um dann, als der Frühling endlich da ist, aprupt zu wechseln und abermals drei Hebungen aufzuweisen.

Hinweis: Obige Interpretation ist als Ansatz zu verstehen. Um eine vollständige Gedichtsanalyse, welche die Interpretation einschließt, anzufertigen, sollten die Stilmittel funktionalisiert sowie ein Epochenbezug hergestellt werden.

Wie geht das Gedicht Frühling lässt sein blaues Band wieder flattern durch die Lüfte?

[Frühling]1 läßt sein blaues Band Wieder flattern durch die Lüfte; Süße, wohlbekannte Düfte Streifen ahnungsvoll das Land. Veilchen träumen schon, Wollen balde kommen. -- Horch, [von fern ein leiser]2 Harfenton!

Was bedeutet die Metapher blaues Band?

blaues BandMetapher; Alliteration Mit dem bildhaften Ausdruck des „blauen Bandes“ ist der wolkenlose Himmel gemeint, der mit der Zeit des Frühjahrs auch aus meteorologischer Sicht in Verbindung steht.

Wer schrieb das Gedicht Frühling lässt sein blaues Band wieder flattern durch die Lüfte?

Das wohl berühmteste Gedicht zu unserem Thema ist „Frühling lässt sein blaues Band“. Doch auch wenn viele Menschen es noch immer für ein geniales Werk von Johann Wolfgang von Goethe halten, das „blaue Band des Frühlings“ floss aus der Feder von Eduard von Möricke (1804-1875). Streifen ahnungsvoll das Land.

Was symbolisiert das Gedicht von Eduard Mörike?

Das Gedicht stellt sich selbst dar, tastet sich an den Frühling heran und mündet in der überschwänglichen Erkenntnis: der Frühling ist da! In der ersten Verszeile wird die Jahreszeit durch die Personifikation regelrecht zum Leben erweckt.