Wann wurde das Stück Morgenstimmung komponiert?

Ein musikalisches Naturstimmungsbild von bemerkenswerter Dichte und Intensität: Geschichtslos-traumverloren, in einer eigentümlichen Schwebe hebt das Hauptthema in der Flöte an, wird von der Oboe wiederholt. Woher kommt sie, diese unnachahmliche Wirkung, die der „Morgenstimmung“ aus Edvard Griegs erster „Peer Gynt“-Suite zu Weltberühmtheit verhalf? Wohl daher, dass das in sich kreisende Thema strikt als Fünfton-Musik gebaut ist – es fehlen just die Töne, die in tonaler Musik Spannung erzeugen: der Leit- und der Gleitton. Mag der unbefangene Hörer davon auch nichts wissen – allemal wird er Opfer des dadurch erzeugten nachhaltigen Effekts.

Es bleibt freilich nicht bei dieser seligen Zuständlichkeit: die Violinen übernehmen das Thema, das Klangvolumen expandiert, es kommt zu einem leuchtenden, in seinem programmatischen Bezug übrigens direkt verständlichen Höhepunkt. Klar, im Kontext einer „Morgenstimmung“ kann das nur der Sonnenaufgang sein.

Wo findet der statt? Nun: Ursprünglich als Einleitung zum vierten Akt von Henrik Ibsens Versdrama „Peer Gynt“ vorgesehen, kann es sich nur um einen Morgen in der arabischen Wüste handeln – wo dieser vierte Akt halt spielt. Aktiviert die Musik in ihrer ganzen Reinheit und Klarheit solche Assoziationen? Wohl kaum. Wenn sich ein Landschaftsbild einstellt, dann noch am ehesten das von Griegs Herkunftsland, also der norwegischen Natur mit ihren Fjorden, Wäldern, Berggipfeln.

Merkwürdiger Fall einer schöpferischen Verfehlung: Ibsens „Peer Gynt“-Drama als die „Faust“-nahe Tragödie einer realitätsverfehlenden Selbstüberschätzung und Griegs „Peer Gynt“-Musik bezeichnen gleichermaßen Gipfelleistungen „nordischer“ Romantik des 19. Jahrhunderts – aber sie passen denkbar schlecht zueinander. Der Komponist selbst hatte das geahnt, als er im Vorfeld der Komposition über die „unverdauliche Thematik“ und das „unmusikalischste aller Sujets“ klagte.

So richtig toll war auch das Verhältnis der beiden norwegischen Großen zueinander nie gewesen. 1866 hatte man einander in Rom – sozusagen auf halbem Weg zwischen Norwegen und afrikanischer Wüste – kennengelernt, ohne dass sich eine sonderlich herzliche Beziehung ergeben hätte. Immerhin erging dann 1874 an den „lieben Herrn Grieg“ die Aufforderung, zu der zum Bühnenstück umgearbeiteten „Peer Gynt“-Dichtung die Schauspielmusik zu schreiben.

Grieg komponierte dann nach dem beschriebenen anfänglichen Zaudern 23 Nummern, und beides – Drama und Musik erlebten am 24. Februar 1876 in Oslo ihre übrigens außerordentlich erfolgreiche Uraufführung. Als „Ikone der Klassik“ hat freilich nicht die komplette Schauspielmusik überlebt, sondern lediglich der Auszug, den Grieg selbst 1888 und 1891 in Gestalt zweier Orchestersuiten unter Verzicht auf die gesprochenen Dialoge und den Gesang herstellte. Die erste Suite mit der eröffnenden „Morgenstimmung“ entstand übrigens in der Dachgeschosswohnung im Hause des Peters-Musikverlags in der Leipziger Talstraße.

Der Komponist hoffte, mit diesen Bearbeitungen sein Werk auch außerhalb Norwegens populär machen zu können – eine Erwartung, die sich vollauf erfüllen sollte. Weil die Suiten die an der Dramenhandlung orientierte ursprüngliche Folge der Stücke auflösten, wurde die Verbindung zu Ibsens Drama durch die Sekundärverwertung noch schwächer – ein Umstand, der der Musik allerdings in keiner Weise geschadet hat. In der Rezeption ist die ursprüngliche Verknüpfung eh weithin verloren gegangen – bis hin zu dem Effekt, dass die Suitensätze vom Publikum mehr oder weniger als absolute Musik gehört werden.

Dabei verdankt sich der Weltruhm der „Peer Gynt“-Suiten nicht allein der „Morgenstimmung“, sondern eben auch den starken Impressionen der Folgestücke. Nahezu genauso eindringlich sind der verführerische Walzer „Anitras Tanz“ mit pizzicato-begleitetem Violingesang und quasi-kanonischen Führungen zwischen Violinen und Celli und die maschinenhaft-unwiderstehliche Musik zu „In der Halle des Bergkönigs“, die ohrwurmhaft das katastrophale Treiben der Trolle darstellt. Grieg selbst konnte einem bemerkenswert distanzierten Selbstzeugnis zufolge diese Musik „nicht ausstehen“ – sie klinge „nach Kuhfladen, Norwegertum und Selbstgefälligkeit“. Aber er erwarte auch, „dass man die Ironie fühlen kann“.

Keine Ironie waltet offenkundig im finalen Stück der zweiten Suite, der Instrumentalfassung von „Solveigs Lied“ (die Singstimme ist den Violinen übertragen). Warum auch, Hintergrund ist die Situation der auf die Heimkehr ihres Geliebten wartenden Titelgestalt. Und gewartet wird nicht in Afrika oder sonst wo, sondern im heimatlichen Norwegen. Die intensive Moll-Färbung und die in sich zurücksinkende Melodiegeste zeigt das Stück von einer schier herzzerreißenden Trauer erfüllt. Dann aber – jeweils am Schluss der beiden Strophen – ereignet sich das Wunder: der Übergang zum erlösenden Dur und einem verhaltenen Tanzrhythmus im Dreier-Metrum. Diese Verbindung von Verzweiflung und Sehnsucht, Trauer und Hoffnung macht das Stück nahezu zu einem Inbegriff romantischen Lebensgefühls.

KOMPONIST UND WERK

Edvard Grieg, geboren 1843 in Bergen (Norwegen), begann im Alter von neun Jahren zu komponieren und studierte als Teenager Musik am Konservatorium in Leipzig, wo er anfangs allerdings wenig bis nichts gelernt haben will. Außer für seine „Peer Gynt“- Komposition ist Grieg vor allem für seine „Lyrischen Stücke“ berühmt.

Entstehung und Uraufführung: Grieg komponierte die komplette Schauspielmusik zwischen 1874 und 1876. Die Suiten stellte er 1888 und 1891 zusammen. Die erste erlebte ihre Uraufführung am 1. November 1888 unter Carl Reinecke im Leipziger Gewandhaus, die zweite am 4. November 1891 unter Griegs Leitung in Christiania (heute Oslo).

Beste Stelle: für mich die Musikalisierung des Sonnenaufgangs in der „Morgenstimmung“ (MaS)

In unserer Serie „Ikonen der Klassik“ erschienen zuletzt Beiträge über Antonin Dvoráks neunte Sinfonie („Aus der neuen Welt“) und Hector Berlioz’ Ouvertüre „Le Carnaval romain“.

DIE BESTE EINSPIELUNG

Diesbezüglich nenne ich nicht eine Einspielung der Orchestersuiten, sondern eine der kompletten Schauspiel-Musik, aus der die Suiten schließlich extrahiert wurden. Sie ist enthalten in Vol. V der Gesamteinspielung des sinfonischen Grieg-Œuvre, die das WDR Sinfonieorchester unter dem norwegischen Dirigenten Eivind Aadland beim Label audite vorgenommen hat. Hier beginnen die Farben der Landschaft in seltener Reinheit und Transparenz zu leuchten. (MaS)

IKONEN DER KLASSIK (16) DIE ERSTE „PEER GYNT“-SUITE VON EDVARD GRIEG

Diese undatierte Aufnahme zeigt den norwegischen Komponisten und Pianisten Edvard Grieg (1843 – 1907) in voller Blüte seines Zauselschopfs. Foto: dpa

Wann wurde die Morgenstimmung komponiert?

Morgenstimmung - MVSR1779 | Noten Für die Uraufführung im Jahre 1876 schrieb Grieg eine Bühnenmusik, wovon er acht Nummern später noch einmal überarbeitete und neu instrumentiert zu zwei Konzert-Suiten zusammenstellte.

Was ist in dem Stück Morgenstimmung beschrieben?

Satz: Morgenstimmung (allegretto pastorale) Die Melodie schildert stimmungsvoll den Tagesanbruch im Hochgebirge, Sonnenaufgang und Waldesweben. Das Werk wird durch eine Flötenmelodie mit kleinen Verzierungsnoten eröffnet und man meint, einen Vogel singen zu hören.

Wie heißen die 2 bekanntesten Stücke der Peer Gynt Suite?

Griegs Bühnenmusik zu Henrik Ibsens Drama „Peer Gynt“ enthält einige seiner bekanntesten Kompositionen, etwa die „Morgenstimmung“ oder „In der Halle des Bergkönigs“.

Wann wurde in der Halle des Bergkönigs geschrieben?

Geschichte. Grieg komponierte das Stück zwischen Sommer 1874 und Sommer 1875.