Ab wie viel Grad Fieber zum Arzt

Hilft erhöhte Temperatur gegen Krankheitserreger? Oder sollte man sie senken? Ein Immunologe erklärt, warum es meist besser ist, Fieber auszuhalten - und wann es nötig ist, einen Arzt aufzusuchen.

Von Frederik Jötten

28.01.2015, 12.38 Uhr

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Ab wie viel Grad Fieber zum Arzt

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Zu hohe Körpertemperatur: Fieber unterdrücken kann die Krankheit verschleppen

Foto: Corbis

Zur Person

Martin Fleck ist klinischer Immunologe und Professor am Uniklinikum Regensburg. Der Mediziner forscht zum Thema "Fieber unbekannter Ursache".

SPIEGEL ONLINE: Sollten sich Kranke freuen, wenn sie während einer Infektion Fieber bekommen?

Fleck: Fieber ist per se positiv, denn es hilft, Infektionen zu bekämpfen und sie rasch loszuwerden. Deshalb ist es auch nicht sinnvoll, bei jedem Fieber die Temperatur zu senken.

SPIEGEL ONLINE: Ist wissenschaftlich belegt, dass Menschen Infektionen schneller loswerden, wenn sie Fieber haben?

Fleck: Es ist schwierig, kontrollierte Studien mit dieser Fragestellung beim Menschen durchzuführen, weil es viele Einflussfaktoren gibt. Aber allein die Evolutionsgeschichte zeigt, dass Fieber sinnvoll ist. Es hat sich über Millionen von Jahren gehalten, nicht nur bei Säugetieren, sondern auch bei Reptilien, Amphibien und sogar wirbellosen Tieren. Die Fieberreaktion konnte sich nur durchsetzen, weil sie einen Überlebensvorteil bringt.

SPIEGEL ONLINE: Wir erklären Sie sich die Wirkung?

Fleck: Fieber beschleunigt die Immunantwort, Infektionserreger werden rascher eliminiert. Im Tierversuch, in dem sich die Bedingungen viel besser kontrollieren lassen als beim Menschen, konnte gezeigt werden, dass Infektionen länger dauern, wenn man das Fieber unterdrückt. Deshalb erscheint es nicht sinnvoll, bei ansonsten gesunden Menschen das Fieber zu senken, weil sie dann Infektionen eher verschleppen.

SPIEGEL ONLINE: Es gibt aber durchaus Ärzte, die Fieber grundsätzlich mit Medikamenten senken…

Fleck: Leider gibt es fast einen Automatismus: Wird bei einem Patienten erhöhte Temperatur feststellt, geben Ärzte ihm schnell Paracetamol oder ein anderes Medikament zum Fiebersenken. Im Krankenhaus ist das manchmal sinnvoll, denn häufig haben die Patienten zusätzliche andere Krankheiten, zum Beispiel ein schwaches Herz, Nieren- oder Lungenerkrankungen. Fieber belastet den Kreislauf, denn die Herzfrequenz und das Blutvolumen, das transportiert wird, erhöhen sich. Außerdem geht viel Flüssigkeit verloren. Das ist ein Grund, die Temperatur medikamentös zu senken - allerdings sollte das auch in der Klinik von Fall zu Fall abgewogen werden.

SPIEGEL ONLINE: Wenn ich ansonsten gesund bin und dann mit 39 Grad Fieber und Atemwegsinfektion im Bett liege - aushalten oder Fieber senken?

Fleck: Ich würde empfehlen, die Fieberepisode auszuhalten. Wenn ein Patient aber zum Beispiel sehr unter Kopfschmerzen leidet, kann er die Temperatur auch mal medikamentös senken. Das sollte man jedoch nicht standardmäßig bei jedem grippalen Infekt tun, da hier das Fieber sowieso nur kurz anhält.

SPIEGEL ONLINE: Warum ist man so fertig, wenn man Fieber hat?

Fleck: Das liegt daran, dass der Körper die Energiereserven umverteilt und sie vor allem ins Immunsystem steckt. Die Energie, die der Muskulatur zur Verfügung steht, schwindet - und auch diejenige für das Gehirn. Deshalb nimmt auch unsere geistige Fähigkeit während des Fiebers ab, oft kann man noch nicht einmal ein Buch lesen.

SPIEGEL ONLINE: Viele Arbeitnehmer schlucken Medikamente und gehen trotzdem zur Arbeit…

Fleck: Ich sehe, dass Patienten Angst um ihren Arbeitsplatz haben und sagen, sie könnten sich Fehlzeiten nicht erlauben. Das Verhalten ist aus medizinischer Sicht falsch. Auch das Fieber zu senken und dann arbeiten zu gehen, ist medizinisch nicht sinnvoll. Arbeitgeber sollten froh sein, wenn ein Mitarbeiter mit Fieber nicht zur Arbeit kommt - vor allem, weil dann keine Kollegen angesteckt werden können.

SPIEGEL ONLINE: Ab welcher Temperatur handelt es sich um Fieber?

Fleck: Es gibt keine einheitliche Definition. Allerdings spricht man ab 37,7 Grad Celsius am Nachmittag, gemessen im Mund oder rektal bei eigentlich gesunden Personen, von febriler Temperatur. Die Temperatur, die sich unter der Achsel messen lässt, kann bis zu ca. 1,5 Grad Celsius niedriger ausfallen.

SPIEGEL ONLINE: Ab wann sollte man bei Fieber einen Arzt aufsuchen?

Fleck: Wenn das Fieber länger als 48 Stunden anhält und Begleitsymptome wie Kopfschmerzen, Durchfall, Schmerzen beim Wasserlassen oder eitriger Auswurf auftreten, sollte man auf jeden Fall zum Arzt gehen. Diese Symptome können auf eine bakterielle Infektion hinweisen. Dann ist es sinnvoll, Antibiotika einzunehmen. Die meisten Infektionen, bei denen Fieber auftritt, sind allerdings Virusinfektionen, gegen die es keine Medikamente gibt. Die braucht der Patient meistens auch nicht - der Körper wird mit diesen Virusinfekten in der Regel rasch allein fertig.

SPIEGEL ONLINE: Was kann sonst Fieber auslösen?

Fleck: Länger anhaltendes oder wiederkehrendes Fieber kann selten durch Krebs oder Autoimmunerkrankungen wie Kollagenosen, Gefäßentzündungen oder entzündliche Darmerkrankungen verursacht werden. Häufiges Fieber findet sich aber auch bei sogenannten Fiebersyndromen und Erkrankungen des Immunsystems.

Sind 39 Grad Fieber gefährlich?

Ab 39 Grad Celsius hat ein Kind hohes Fieber. Lebensgefährlich kann es ab einer Temperatur über 41,5 Grad Celsius werden, denn dann werden die körpereigenen Eiweiße zerstört.

Was tun bei 39 Grad Fieber?

Bei Temperaturen zwischen 39 und 40°C können Sie das Fieber mit Wadenwickeln oder mit Paracetamol senken. Die Tücher werden mit normalem kalten Leitungswasser gekühlt und fest um die Waden der ausgestreckten Beine gewickelt. Darüber wird ein trockenes Tuch gelegt.

Wann sollte man bei Fieber zum Arzt?

Steigt dein Fieber über 39°C an, solltest du es mit fiebersenkenden Hausmitteln oder Medikamenten senken und deine Ärztin oder deinen Arzt aufsuchen. Denn bei einer Körpertemperatur ab 40°C kann dein Kreislauf versagen und Organe und Gewebe geschädigt werden, sehr hohes Fieber kann sogar zum Tod führen.

Kann man 43 Grad Fieber haben?

Die medizinischen Fachbücher geben die maximale Körpertemperatur, die ein Mensch überleben kann, mit 42,3 Grad an. Es sollen aber auch schon Menschen eine kurzfristige Erwärmung auf 43 Grad überlebt haben.