Worin besteht dre unterschied zwischen der gelben und orangefarbenen tonne

"Die kommt aus Österreich, was weiß ich, was die da hinter den Alpen zusammenschrauben", sagt Jan und schüttelt den Kopf. Weil er mit 37 der Jüngste ist, muss er in der Mitte sitzen, direkt vor dem Heizgebläse, das einfach nicht anfangen will, zu wärmen. Er reibt sich die Hände, kleine Kältetränen stehen ihm in den Augenwinkeln. Neffy, der Schichtleiter, lässt den Wagen an, der sich aufrichtet wie eine Kirmesattraktion, bevor sie ihre Besucher durch die Luft wirbelt. Es ist sechs Uhr, die orangefarbene Kolonne rückt vom Betriebshof Prenzlauer Berg aus.

Neffy fährt eins von 295 Entsorgungsfahrzeugen der Berliner Stadtreinigung (BSR). Wie jeden Tag muss er mit seinen Jungs 250 "Anstriche" schaffen. Ein Anstrich, das sind 480 Liter Hausmüll, so viel fassen zwei mittelgroße Tonnen. Die drei kommen so täglich auf zehn bis zwölf Tonnen Müll. Die laden sie entweder in den Abfallbehandlungsanlagen in Reinickendorf oder Pankow ab oder im Müllheizkraftwerk Ruhleben. Dort werden brennbare von nicht-brennbaren Bestandteilen getrennt und weiterverarbeitet. Die BSR gewinnt aus den Abfällen so jährlich Strom für rund 100 000 und Wärme für 35 000 Haushalte.

Der Müllmarkt wird in Berlin im Wesentlichen von zwei Firmen kontrolliert. Die BSR hält das Monopol auf den Hausmüll, der mehr als zwei Drittel des gesamten Abfalls ausmacht. Alba als größter Privatentsorger kümmert sich hauptsächlich um die Abholung und das Recycling des Verpackungsmülls. Müll ist ein Riesengeschäft, und wo es viel Geld zu holen gibt, werden Begehrlichkeiten geweckt. Die Platzhirsche liefern sich einen erbitterten Kampf. Im Jahr 2009 hat die BSR 485 Millionen Euro Umsatz gemacht. Alba weist für Berlin keine Zahlen aus. Mit all seinen Beteiligungen setzt der Konzern in ganz Europa 2,2 Milliarden Euro um. Zwar darf die BSR als kommunaler Betrieb keine Gewinne erwirtschaften, doch scheint ihr daran gelegen, den Hauptkonkurrenten sukzessive vom Markt zu drängen. In dem aktuellen Streit geht es um die Wertstofftonne, in der zum Beispiel Elektromüll, Holz und alte Textilien gesammelt werden. Alba bietet sie seit langem als "Gelbe Tonne plus" für 400 000 Haushalte in Berlin an, die BSR stellt nun die so genannte "Orange Box" auf - und steigt damit auch in den Wertstoffmarkt ein. Die Box soll kostenlos und flächendeckend aufgestellt werden, wie BSR-Chefin Vera Gäde-Butzlaff ankündigte. Zeitgleich gab die BSR bekannt, dass sie die Müllgebühren erhöhen wird. Kritiker sprechen daher von der kostenlosen Tonne als einer Mogelpackung. Sie werde durch die erhöhten Abfallgebühren quersubventioniert, monieren CDU und FDP. Das gehe zulasten der Bürger und des freien Wettbewerbs. Willkommen im Krieg Orange gegen Blau. Kommunaler Monopolist gegen Privatwirtschaft. Die Sache wird derzeit vor Gericht verhandelt - davon profitiert in erster Linie die BSR, weil Alba in dieser Zeit keine zusätzlichen Tonnen aufstellen darf und somit kaum eine Chance hat, sich am Markt zu behaupten. Eckhart Beleites, Vizepräsident des Verbandes Deutscher Grundstücksnutzer, sagt, dass es sich bei dem BSR-Plan um einen eindeutigen Wettbewerbsverstoß handele. Die BSR versuche, ihre lokale Monopolstellung weiter auszubauen, der die Bürger dann schutzlos ausgeliefert seien.

Neffy wird zum Geisterfahrer

Seit dieser Woche fahren die Männer der BSR ihren Winterfahrplan. Für Neffy, Jan und Rene bedeutet das an diesem Dienstag: Tour durch Mitte. Rosenthaler Platz, Hackescher Markt, Monbijouplatz, Tucholskystraße, Kleine Hamburger Straße. Routine. Bevor er an die erste von rund 200 Tonnen an diesem Tag tritt, nimmt Rene sein Hörgerät raus. Er ist fast taub, aber bei der Arbeit kann er es nicht tragen, der Schweiß würde es zerstören. Wenn die anderen jetzt mit Rene sprechen wollen, dann schauen sie ihm direkt ins Gesicht, er kann von ihren Lippen lesen. Aber auf der Straße müssen sie eh kaum reden, sie arbeiten so präzise aufeinander abgestimmt wie Ameisen in ihrem Staat.

Seit einem Jahr fährt das Trio gemeinsam, Jan und Neffy sind schon seit vier Jahren ein Team. Sie reden über Fußball, Neffy ist Herthaner, Jan Unioner, Streit gebe es aber nicht, sagen sie. Müllmänner sind gelassene Menschen. Die Tour durch Mitte ist hart. Enge Gassen, viel Verkehr, viele Baustellen, Straßenbahnen, denen sie ausweichen müssen. Für die M 1 Richtung Am Kupfergraben wird Neffy heute zweimal zum Geisterfahrer. "Natürlich ist man da mal neidisch auf die Kollegen mit den besseren Routen", sagt der 45-Jährige, der seit 1988 bei der BSR arbeitet. Besser heißt hier vor allem: leichter. Weniger Hinterhöfe, kleinere Tonnen, ruhigere Straßen. Aber beschweren wolle er sich auch nicht, Hauptsache die Stimmung auf'm Bock stimmt.

"Wat is' rechts?", fragt Neffy an der Auguststraße. "Allet frei, gib' Feuer", antwortet Jan und Neffy gibt Feuer, sie sind spät dran heute - die Baustellen. Die Anstrengung perlt in kleinen Tropfen von Jans Stirn, an seiner Union-Kappe hat sich ein Salzrand gebildet. Das Küken, so nennen sie ihn hier, muss heute ganz schön rennen. Jetzt, wo ihm warm ist, funktioniert auch die Heizung. Es ist bullenheiß in dem Führerhäuschen.

Müllmann ist nicht gerade ein Traumjob. Schichtbeginn ist um 5 Uhr 30, Feierabend selten vor 15 Uhr, und viel Respekt spüren sie auch nicht, sagt Neffy. Eher im Gegenteil: Klar, der Müll soll schnell weg, aber wehe, ihr Wagen steht mal im Weg, dann gibt es ruckzuck Beschwerden, Stinkefinger, Schimpfworte. "Im Sommer denkste, dass der Gestank dir in jede einzelne Pore zieht und im Winter musste die dicken Pötte am Eis vorbeiwuchten", sagt Neffy. Und das für 2000 Euro im Monat. Brutto. Aber er mag seinen Job und auch die Farbe Orange mag er, trägt sie sogar oft privat. "Meine Gattin sagt immer: Dass du die Farbe noch sehen kannst!" Neffy sagt nie Frau, sondern immer Gattin, ein Wort, das nicht in einen Müllwagen passen will.

Alle paar Meter hält Neffy an, manchmal steigt er aus und hilft den anderen, mal bleibt er auch sitzen, weil sie es alleine schaffen. Die Container, die Jan und Rene gerade aus einem Hinterhof an der Oranienburger Straße Hunderte Meter weit bis zum Wagen schieben, wiegen 250 Kilogramm. Fett wird hier keiner. Die drei Männer sind stolz auf ihre Arbeit, nicht nur, weil sie abends in den Knochen spüren, was sie geleistet haben, sondern weil sie wissen, wie wichtig sie ist. Knapp eine Million Tonnen Hausmüll fallen in Berlin pro Jahr an, hinzu kommen noch mal rund 500 000 Tonnen aus den gelben Säcken sowie den Papier-, Glas- und Bioeimern. Mit diesen Massen könnte man das größte Frachtschiff der Welt, die Emma Mærsk, ganze zehn Mal komplett beladen. Und das ist 397 Meter lang. Oder ebenso oft das Empire State Building vollstopfen. Um dieses Aufkommen zu bewältigen, bedarf es einer ausgereiften Logistik. Routen, Müllwagen, Deponien, Weiterverwertungsanlagen, rund 7000 Beschäftigte bei Alba und BSR - all das will koordiniert werden.

Die Abfallbehandlungsanlagen in Pankow und Reinickendorf sind ein Beispiel dafür, dass die beiden Marktführer trotz Streit auch zusammenarbeiten können. Alba hat sie errichtet, betrieben aber werden sie von der BSR. Die Hallen der Anlage in Pankow liegen da wie riesige Bauklötze. In der Schaltzentrale sieht es aus, wie man sich die Kommandobrücke in einem Raumschiff vorstellt. Es blinkt und leuchtet auf acht Flachbildschirmen, grün, orange, blau, rot, Zahlen und Buchstaben reihen sich aneinander, Emissionen, Druck, Dichte werden gemessen. Von hier aus wird das Prinzip der mechanisch-physikalischen Stabilisierung gesteuert. Einfach ausgedrückt bedeutet das: Der Hausmüll wird hier aufbereitet, getrocknet, gesichtet und zu einem neuen Produkt konfektioniert. So entstehen die sogenannten Pellets und der Fluff, brennbares Material zur Verfeuerung in Kraftwerken. Wer einmal hier war, dem wird es nicht schwer fallen, zu glauben, dass Deutschland weltweit eines der ausgeklügelsten Müllentsorgungssysteme hat. Hiesige Ingenieure und Abfallwirte beraten Unternehmen und Kommunen in der ganzen Welt. Und die ganze Welt kommt nach Deutschland, um sich über die Systeme zu informieren.

Auf dem Recyclinghof der Alba Group in Mahlsdorf etwa wird später an diesem Tag der Umweltminister El Salvadors zu Gast sein, eine Delegation aus China und Gesandte aus dem israelischen Umweltministerium waren erst kürzlich da. Die Anlage gilt als Vorzeigebetrieb. Alexander Gora erzählt das nicht ohne Stolz. Er ist der Betriebsleiter des Recyclinghofs in Mahlsdorf, der schon zu DDR-Zeiten in Betrieb war. Allerdings hat sich Alba 2005 eine neue "Anlage zur Gewinnung von Kunststoffarten und anderen Wertstofffraktionen aus Leichtverpackungen" geleistet. So heißt, etwas sperrig, das 15 Millionen Euro teure Ungetüm, das im Halleninneren täglich 190 Tonnen Müll sortiert.

Wie bei Charlie Chaplin

Zwei Kilometer Förderbänder laufen verzahnt und verschachtelt durch die Halle, es rattert und vibriert, die Luft schmeckt nach Essig. Man kommt sich vor wie in Charlie Chaplins "Moderne Zeiten", nur dass hier kein Komiker an einem vorbeirauscht, sondern Salamiverpackungen, Fetzen von gelben Säcken, Shampoofläschchen, Geltuben. In 45 verschiedenen Aggregaten werden sie sortiert, beginnend bei zwei großen Siebtrommeln, die aussehen wie Laufräder für Riesenhamster. Bei der Windsichtung etwa trennt ein Luftstrom durch ein Blas-Saug-System leichte von schweren Stoffen, Überbandmagneten ziehen Konservendosen und Kronkorken heraus. Die Anlage, sagt Gora, werde von seinen Mitarbeitern ständig optimiert. "Es ist wie in der Formel 1 mit Fahrer und Auto. Das schnellste Paket muss man zusammen entwickeln." Und so kommt auch die hypermoderne Maschine nicht ganz ohne Menschen aus. 50 Männer und Frauen sind hier angestellt, etwa zehn von ihnen arbeiten gleichzeitig in der Sortierkabine. Dort filtern sie all das heraus, was die Maschine nicht geschafft hat. Ein Mann mit Schnäuzer und Blaumann rupft ein Produkt nach dem anderen vom Band, permanent schüttelt er den Kopf, als wolle er sagen: "Was die Leute alles wegwerfen!"

Alexander Gora führt auf den Betriebshof, zwischen den Hallen ist es fast windstill. Hier draußen lagern die aussortierten Wertstoffe, bereit zum Abtransport. So gut wie alles geht zurück in den Kreislauf, wird wieder verarbeitet zu Getränkekästen, Kabelisolierungen, Nägeln, Küchenrollen, Bodenfliesen. So macht Alba sein Geld. Der Rest wird thermisch verwertet, wird also in Zementfabriken oder Braunkohlewerken verbrannt. Wegwerfen ist ein Wort von gestern, Deponien sind nicht mehr zeitgemäß - heute wird Müll behandelt. Die Würfel mit 1,10 Meter Seitenlänge liegen gestapelt da wie bei Tetris, teilweise versteckt hinter Reststücken der Berliner Mauer, die der Konzern vor einigen Jahren gekauft hat. So sieht es aus, wenn Kapitalismus auf Sozialismus trifft.

Auch Piet* arbeitet für den Kreislauf. Seine Welt besteht aus drei Werten: acht, 15 und 25 Cent. Piet ist Flaschensammler, einer von so vielen in der Stadt. Er steht vor dem Club Lido in der Cuvrystraße in Kreuzberg. Funktionsjacke, Handschuhe, eine Figur wie ein Hochspringer, lang, drahtig, kerzengerader Gang. Die Wangen sind dick und rot, die Augenlider wulstig. Kreuzberg ist sein Kiez, er ist hier groß geworden. "Früher sind sie hier am Schlesischen Tor Rennen gefahren, heute zahlste zehn Euro für nen Teller Nudeln." Die Entwicklung vom Arbeiter- zum Yuppiekiez, Piet will sich daran einfach nicht gewöhnen. Er zeigt auf Ladenlokale, ein Maler, ein Schreiner, ein Kurzwarenladen - alle dicht gemacht. "Stattdessen ist jetzt überall 'ne Sushi-Bar." Vor einem Jahr wurde der Betrieb geschlossen, in dem er drei Jahrzehnte lang gearbeitet hat. Die Wirtschaftskrise. Seitdem bekommt der 55-Jährige Hartz IV, das reiche aber vorne und hinten nicht. Deswegen geht Piet jetzt jeden Abend los, 20 Uhr bis drei Uhr nachts, das sind seine Kernarbeitszeiten. Zu tun gibt es genug, sagt Piet, aber die Konkurrenz werde auch immer größer. Da gibt es zum Beispiel einen Inder, der nennt sich selbst "König der Flaschen". Von ihm erzählt man sich, er sei von dem Pfandgeld schon zweimal nach Indien geflogen. Gesprochen hat Piet noch nie mit ihm, aber darauf legt er auch keinen Wert. Er sei eine Made, ohne Respekt, der reiße den Menschen die Flaschen aus der Hand.

Wie BSR und Alba ihre Routen planen, so plant auch Piet seine. Alle zwei Wochen bekommt er von einem Freund den "Tip" geschenkt, darin schaut er, welche Konzerte wann und wo sind. Zu Peter Maffay, Westernhagen oder U2 gehen sei Quatsch. "Da haste 20 Flaschensammler und von 100 Leuten trinkt einer 'n Bier", sagt er. Lohnen würden sich Bands wie Motörhead, Mötley Crüe oder Green Day, "da kippen die alle richtig". Er fährt mit seinem Rad die immer gleichen Wege ab, Lido, Magnet, Arena, Wild at Heart, zwischendurch zum Kottbusser Tor, die Fuhre zum Supermarkt bringen. Ein großer Kunststoffbeutel, der fasst 65 Flaschen, eine Gepäckträgertasche, da passen noch mal 25 rein. Dazu eine Tüte für die Plastikflaschen, von denen findet er aber kaum welche. Piet ist höflich, er fragt die Menschen, die ihre Flaschen auf den Bürgersteig gestellt haben, ob sie die nicht doch noch selbst abgeben wollen. Am Abend verdient er zehn, zwölf Euro, einmal, bei einer illegalen Techno-Party, hat er mal 80 Euro Pfand gesammelt. "Das hat drei Tage gedauert, alles wegzubringen."

Flaschensammeln ist ein Knochenjob und weil Piet keinen anderen mehr findet, sieht er das nun als Aufgabe an. Er halte ja schließlich auch die Stadt sauber. Piet ist ungelernt, "aber wenn du 30 Jahre irgendwo arbeitest", sagt er, "musst du ja was können." Strategisch denken. Lang arbeiten. Wetter aushalten. Nur bei Regen bleibe er zuhause, nicht, weil er gemütlich sei, sondern weil das Wasser die Etiketten von den Flaschen abwäscht. Flaschen ohne Etiketten sind für Piet wertlos, kein Automat nimmt sie zurück.

Flaschen bleiben nie lange stehen

Die Armut greift um sich, sagt Piet, 50 Prozent seiner Freunde seien in den vergangenen zwei Jahren komplett abgestürzt. Jobverlust, Perspektivlosigkeit, Alkoholismus. Piet will nicht saufen, es sei sowieso nichts schlimmer, als in der Schlange für den Flaschenautomaten zu stehen und pinkeln zu müssen. Er hängt jetzt eben auf andere Weise an der Flasche. Piet hat sich mit seinem neuen Job arrangiert, so, wie sich die Stadt mit den Flaschensammlern arrangiert hat. In Berlin schmeißt kaum noch jemand eine Flasche in den Müll, jeder weiß, dass sie am Straßenrand besser aufgehoben ist. Wenn Piet sie nicht abholt, macht es ein anderer.

Der CDU-Mann Frank Balzer ist Bezirksbürgermeister in Reinickendorf. Reinickendorf ist nicht Neapel, aber verdreckte Schilder, überfüllte Container, illegale Graffiti, mit Zetteln beklebte Bäume und Laternen - Balzer hat das satt. Und schickt deshalb 441 Langzeitarbeitslose durch seinen Bezirk, die putzen, harken, sammeln - und den Müll im Keim ersticken sollen. Hinzu kommen 20 Beschäftigte über Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Eine mobile Eingreiftruppe sozusagen. Der Bezirk arbeite eng mit dem Gartenbauamt und der BSR zusammen, das funktioniere alles ganz prächtig. Worin, fragt Balzer, können sich die Bezirke denn in der Außenwirkung auch noch voneinander abgrenzen? Finanziell haben eh alle die gleichen Probleme, "im öffentlichen Raum aber kann man den Unterschied machen. Die Menschen sollen sich hier wohlfühlen. Jeder, der nach Reinickendorf kommt, merkt, dass es hier sauberer ist als anderswo." Man könnte sagen, dass Frank Balzer so ist, wie sich Amerikaner einen Deutschen vorstellen: Auf Ordnung bedacht, gründlich, emsig. Er ist überzeugt von sich - und von seinen Ideen. Wörter, die er gern benutzt, sind: einzigartig, sicher, sauber. Sein aktuelles Lieblingsprojekt sind die Taubenschläge. Als erster Bezirk in Berlin habe Reinickendorf jetzt am Kurt-Schumacher-Platz einen Ort eingerichtet, an dem sich Tauben zentral ansiedeln können. Echte Eier würden durch Gipseier ausgetauscht, so könne die Population klein gehalten werden. Alles mit dem Tierschutzverein abgesprochen, alles sauber. "Die Verschmutzung", sagt Balzer, "können wir so um 80 Prozent reduzieren."

Heinrich Giffhorn und Frank Balzer würden sich vermutlich gut verstehen, zumindest in Sachen Müll. Giffhorn wohnt in Prenzlauer Berg, wo es keine einzige Laterne gibt, die nicht mit Zetteln beklebt ist. Und, nun ja, Tauben fliegen hier unkontrolliert herum. Der 43-Jährige liebt Ordnung. Und er liebt die Umwelt, sagt er. Er versucht im Kleinen das zu tun, was BSR und Alba im Großen leisten: Müll sammeln, sortieren, trennen. In seinem Haus. 40 Wohneinheiten, 100 Bewohner, er hat sich hier vor fünf Jahren eine Wohnung gekauft. Und jetzt, endlich, ist er angekommen am Ende eines langen Kampfes gegen den Müll, wie er sagt. "Ich wollte nicht immer nur von der Klimakatastrophe lesen, sondern auch aktiv etwas für die Umwelt tun."

Vor sieben Jahren kam der Steuerfachangestellte nach Berlin, wohnte in einem Hochhaus, wo jeder alles in eine Tonne schmiss. Keine Trennung, kein Umweltbewusstsein. Er habe gekämpft für ein besseres System, aber als Mieter sei er eben auch nur ein kleines Rädchen im Getriebe gewesen. Hier sei nun alles anders, nach und nach habe er dafür gesorgt, dass die Zahl der grauen Tonnen von sechs auf drei reduziert wurde. So spart die Hausgemeinschaft 50 Prozent der Müllgebühren. "Da haben plötzlich viele Blut geleckt", sagt er. Und auch neue Tonnen hat er durchgesetzt, zusätzlich je eine Bio- und Papiertonne sowie zwei gelbe Tonnen stehen jetzt in dem Innenhof. Da steht auch Giffhorn, hager, kastenförmige Metallbrille, hohe Stirn, oft und gern - und trennt den Müll der Hausbewohner. Drei bis vier Mal pro Woche. "Manche demonstrieren gegen den Castor oder machen Sport, ich sortiere den Müll der anderen", sagt er. Es ist sein Hobby geworden. Dass ihn manchmal einer als Blockwart beschimpft oder als Freak, das ist ihm egal. Die meisten würden es ihm danken und mittlerweile auch selbst trennen. Nur mit einem Mieter liege er ernsthaft im Clinch. Der wirft ihm vor, seine Intimsphäre zu verletzen, wenn Giffhorn die Damenbinden von dessen Frau von den Bananenschalen trennt, weil erstere in den Restmüll gehören, nicht in die Biotonne. "Seinen Müll fasse ich jetzt nicht mehr an." Es wird für beide das Beste sein.

* Name geändert

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