Wie viele taliban kämpfer gibt es in afghanistan

Die islamistische Bewegung entstammt pakistanischen Koranschulen und trat erstmals 1994 in Erscheinung. Heute befehligt ihr Oberkommandeur Hibatullah Achundsada eine große Anzahl an Kampfeinheiten.

Bonn - Die Taliban sind eine islamistische Terror-Guerilla, die 1994 in Afghanistan in Erscheinung trat und von 1996 bis 2001 erstmals große Teile des Landes beherrschte. Ihr Name, der aus dem Arabischen stammt, bedeutet soviel wie „Schüler“. Entstanden ist die Bewegung in Koranschulen für afghanische Flüchtlinge in Pakistan, gefördert von pakistanischen Islamisten und dem Geheimdienst.

Die Taliban vertreten eine extreme Version des Deobandismus, eines ultradogmatischen Zweiges des sunnitischen Islam indo-pakistanischer Prägung. Daneben spielt der strenge Ehrenkodex der afghanischen Volksgruppe der Paschtunen eine zentrale Rolle in ihrer Ideologie.

Taliban errichteten brutales Regime in Afghanistan

Nach ihrer Machtübernahme 1996 und der Gründung eines „Islamischen Emirats Afghanistan“ überzogen die Taliban das Land mit einer beispiellosen Terrorherrschaft. Unter der rigiden Anwendung des Scharia-Rechts mit seinen drakonischen Körperstrafen hatten insbesondere Frauen zu leiden, denen die Islamisten das Recht auf Bildung verweigerten und die Burka aufzwangen. Traurige Berühmtheit erlangte die Zerstörung der zum Weltkulturerbe zählenden antiken Buddha-Statuen von Bamiyan. Die Taliban finanzieren sich unter anderem durch den Anbau und Schmuggel von Opium.

Lesen Sie unseren aktuellen Newsblog: Was passiert gerade in Afghanistan?

2001 machten die USA die Taliban als Mitschuldige an den Terroranschlägen vom 11. September aus, weil sie der Gruppe Al-Kaida und ihrem Anführer Osama bin Laden eine sichere Basis geboten hatten. Nach der US-geführten Militärintervention und Beseitigung ihrer Herrschaft zogen sich die Taliban nach Pakistan zurück.

Weniger als 100.000 Taliban-Kämpfer

Von dort aus führten sie in den Folgejahren einen Terrorkrieg gegen die neue Islamische Republik Afghanistan und die internationalen ISAF-Truppen. Dabei kam es auch immer wieder zu Anschlägen und Massakern gegen die Zivilbevölkerung. Insgesamt starben bis 2020 Zehntausende afghanische Soldaten und Zivilisten, weshalb der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag eine Untersuchung wegen Kriegsverbrechen eingeleitet hat.

Lesen Sie aus unserem Angebot: Darum kämpft die afghanische Armee nicht

Gleichzeitig setzten die Taliban auch auf Verhandlungen und schlossen 2020 einen „Friedensvertrag“ mit den USA. Dieser erwies sich nach Abzug der westlichen Truppen als Farce. In kurzer Zeit nahmen die Islamisten erneut den größten Teil Afghanistans ein, nun auch die Hauptstadt Kabul. Wie viele Taliban es gibt, ist schwer zu sagen. Nach Schätzungen befehligt ihr Anführer Hibatullah Achundsada (60) aber deutlich weniger als 100.000 Kämpfer. Gemäß Beobachtungen des UN-Sicherheitsrates verfügte die radikalislamische Miliz im vergangenen Jahr über eine Truppenstärke von 55.000 bis 85.000 Kämpfern.

  • Gründungslegende der Taliban
  • Nachwuchs für die Gotteskrieger
  • Anfangs kaum Widerstand der Bevölkerung
  • Mittelalterliche Zustände unter den Taliban
  • Osama Bin Laden - ein Freund der Taliban
  • Eine neue Generation
  • Die Rückkehr der Taliban

In keinem Land der Welt wurde die Scharia, das religiös legitimierte, unabänderliche Gesetz des Islam, strenger ausgelegt als in Afghanistan. Diplomatisch war das Land isoliert. Es wurde nur von Pakistan, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten anerkannt – und die Bevölkerung litt Hunger.

Dabei wurden die Taliban zunächst bei großen Teilen der Bevölkerung willkommen geheißen, als sie nach dem Abzug der Sowjetunion 1989 und einem Bürgerkrieg wieder für Ordnung im Land sorgten. Gestützt wurden die "Schüler" – so die wörtliche Übersetzung – auch durch den pakistanischen Militärgeheimdienst.

Sogar die USA sahen in den sunnitischen Gotteskriegern zunächst einen stabilisierenden Faktor für die Region, und man fand durchaus Gemeinsamkeiten: zum Beispiel im Konflikt mit dem schiitisch geprägten Iran.

Gründungslegende der Taliban

Wer begreifen will, wie es zu solch einer fatalen Fehleinschätzung kommen konnte, muss sich die Zustände in Afghanistan in den Jahren nach dem Abzug der sowjetischen Truppen genauer ansehen.

Es herrschte das Gesetz des Stärkeren, ein fürchterlicher Bürgerkrieg zwischen rivalisierenden Warlords. Ständig verschoben sich die Mächte, es gab kein Gesetz. Jeder Mann, der eine Waffe besaß, nahm sich, was er brauchte: das Brot seines Nachbarn, dessen Frau und Besitz – ohne juristische Folgen. Dieses Chaos herrschte über Jahre.

Und in genau diesem Klima bildete sich eine zunächst kleine örtliche Miliz, deren Gründungslegende wie folgt erzählt wird: Nachdem ein Kommandeur zwei Mädchen entführt und vergewaltigt hatte, trommelte Mullah Omar, der damals ein Dorfschullehrer für religiöse Studien in Kandahar war, seine Studenten-Truppe zusammen. Sie stellten den Vergewaltiger und hängten ihn auf.

Der Beifall war groß, die Bevölkerung dachte: Endlich sorgt mal jemand für Recht. Und so fanden sich auch unter den Mudschaheddin immer mehr Taliban-Anhänger. So wurden die Taliban zu einer wachsenden, bewaffneten Bewegung.

Tatsächlich handelte es sich bei den Taliban der ersten Jahre wohl vor allem um paschtunische Flüchtlinge, die in Pakistan ausgeharrt hatten, sowie um Veteranen des Kampfes gegen die sowjetischen Besatzer.

Nachwuchs für die Gotteskrieger

Nachschub für die Gotteskrieger kam aus den Koranschulen Pakistans. Weshalb aber aus dem Nachbarland? Zum einen lebten aus der Zeit der sowjetischen Besatzung sehr viele Afghanen in Pakistan in den Flüchtlingslagern, zum anderen gehörten sie demselben Volk an: den Paschtunen. Dieses Volk wird durch die umstrittene afghanisch-pakistanische Grenze, die Durand-Linie, geteilt.

An Nachwuchs mangelte es den Taliban also nicht, denn wer bereits als Kind ihre strengen Richtlinien eingebläut bekommen hatte, gehörte bereits zu ihren Sympathisanten. Auch an Geld fehlte es nicht, denn potenzielle Unterstützer fanden sich in den meisten arabischen Staaten.

Anfangs kaum Widerstand der Bevölkerung

Ab 1995 entwickelten sich die Taliban zur dominanten Fraktion innerhalb Afghanistans. Der Großteil der Bevölkerung begrüßte durch die neue Ordnung ihre wachsende Macht. Es waren junge Männer, die sich bewusst absetzten von den verrohten Warlords.

Nach der Einnahme Kabuls kontrollierten die Taliban bald die meisten Provinzen des Landes. Auf Widerstand stießen sie jedoch bei den schiitischen Hazara und der Nordallianz an der Grenze zu Tadschikistan. Dort hatten sich unter dem Kommandanten Ahmad Schah Massud –  dem sogenannten "Löwen von Pandschir" – Einheiten der aus der Hauptstadt vertriebenen Mudschaheddin-Regierung versammelt. Es handelte sich überwiegend um Tadschiken, Usbeken und Turkmenen.

Mittelalterliche Zustände unter den Taliban

Bald nach der Machtübernahme begannen die neuen Herrscher immer rigider und grausamer zu werden. Es war nahezu alles verboten: Musik, Fernsehen, Internetnutzung und die meisten Sportarten; es durften keine Fotos von Menschen oder Tieren gezeigt werden. Sämtliche Mädchenschulen wurden geschlossen. Selbst das unter Kindern beliebte Drachensteigen war verboten.

Männer hatten einen Bart zu tragen, Frauen die alles verhüllende Burka. Ihnen war es nicht mehr gestattet, ohne ihren Mann das Haus zu verlassen; das Arbeiten wurde ihnen ganz verboten. Auch in Krankenhäusern wurden sie nicht mehr behandelt. Jeder, der sich gegen diese Gesetze aufbäumte, hat fürchterlich dafür bezahlen müssen.

Die Verhältnisse wurden immer schlechter: Dieben wurden Hände und Füße abgeschlagen, Ehebrecher wurden zu Tode gesteinigt. Doch nicht nur die Bevölkerung wurde systematisch gequält, es wurden auch große Kulturgüter wie beispielsweise das Museum in Kabul geplündert und die 1500 Jahre alten Buddha-Statuen von Bamiyan zerstört.

Die internationale Ächtung machte der afghanischen Bevölkerung zusehends zu schaffen. Der überlebenswichtige Handel blieb aus, die Wirtschaft kam zum Erliegen. Die afghanische Bevölkerung begann zu hungern, und die Taliban verweigerten Hilfsleistungen internationaler Organisationen.

Osama Bin Laden – ein Freund

Im Mai 1996 kam der international gesuchte Top-Terrorist Osama Bin Laden auf der Flucht aus dem Sudan nach Afghanistan und schloss schnell Freundschaft mit dem Taliban-Führer Mullah Omar. Der Multimillionär etablierte sich als Dauergast und finanzierte Ausbildungslager und Waffen für die Gotteskrieger. Seine Terrororganisation Al-Qaida operierte fortan vom Hindukusch aus.

Nach den Anschlägen des 11. September auf das World Trade Center in New York und das Pentagon in Washington forderten die USA die Auslieferung Bin Ladens, was Mullah Omar jedoch versagte. Darauf folgte die Militäroperation "Operation Enduring Freedom" der USA und der internationalen Staatengemeinschaft im Kampf gegen den internationalen Terrorismus.

Nur wenige Wochen darauf waren die Taliban – und damit die Schutzherren Bin Ladens – aus Kabul vertrieben. Doch die Anführer der Taliban und auch Osama Bin Laden tauchten in der schwer zugänglichen Bergwelt der afghanisch-pakistanischen Grenze unter.

Lange wusste niemand, wo genau sich Bin Laden versteckt hielt oder ob er überhaupt noch lebte. Der US-Geheimdienst CIA vermutete ihn schließlich in einem Anwesen etwa 40 Kilometer von der pakistanischen Hauptstadt Islamabad entfernt.

In der Nacht vom 1. auf den 2. Mai 2011 stürmte ein US-Spezialkommando das Anwesen. Dort töteten sie Bin Laden. Für die USA bedeutete sein Tod einen entscheidenden Schritt im Kampf gegen den Terrorismus – denn Bin Laden galt als Staatsfeind Nummer eins.

Eine neue Generation

Die Taliban haben sich reorganisiert. Eine neue, jüngere Generation von selbst ernannten Gotteskriegern ist auf dem Vormarsch. Als Neo-Taliban knüpfen sie an alte Kontakte an und versuchen, sich ihr Land Stück für Stück zurückzuerobern und die internationalen Truppen in einen Guerillakrieg zu verstricken.

Dabei arbeiten sie mit Al-Qaida und anderen internationalen Terrorallianzen stärker zusammen als je zuvor. Vor allem durch Selbstmordattentate reißen sie regelmäßig Soldaten und auch Zivilisten mit in den Tod. Nach UN-Berichten sind die Taliban im Durchschnitt für etwa 75 Prozent der zivilen Opfer verantwortlich.

20 Jahre nach Beginn des Bürgerkriegs kam es zum ersten Mal zu Gesprächen zwischen Regierung und Taliban. Im Abkommen von Doha zwischen den USA und den Taliban wurde ein Gefangenenaustausch vereinbart, der zwar noch keinen Frieden bedeutete, aber einen Schritt in diese Richtung. Erste inhaftierte Taliban wurden freigelassen. Im Mai 2020 verkündeten die Taliban zum ersten Mal seit 2001 eine Waffenruhe.

Die Rückkehr der Taliban

Mit dem Abzug der westlichen Truppen aus Afghanistan kehrten 20 Jahre nach ihrer Vertreibung die Taliban zurück und übernahmen die Macht. Direkt zu Beginn schlugen sie bei einer Pressekonferenz versöhnliche Töne an: Frauen sollten künftig arbeiten und sich politisch betätigen dürfen – im Rahmen der Gesetze der Scharia. Allen, die für die bisherige Regierung oder die ausländischen Kräfte gearbeitet hatten, wurde eine Amnestie versprochen, Racheakte werde es nicht geben. In der künftigen Regierung Afghanistans sollten verschiedene politische Kräfte vertreten sein. Trotz dieser Ankündigungen brach bei vielen Betroffenen Panik aus. Sie glaubten den neuen Taliban schlichtweg nicht und versuchten abzutauchen oder das Land noch schnell zu verlassen.

Auch auf diplomatischer Ebene sind die neuen Taliban aktiv – und nutzen damit die geostrategischen und wirtschaftlichen Interessen vieler Länder: Traditionell werden sie von Pakistan unterstützt, das im Dauerkonflikt mit Indien und den Taliban im eigenen Land ein strategisches Interesse an Afghanistan hat.

Doch auch in Russland und China trafen sich schon vor der Machtübernahme Regierungsvertreter mit Taliban-Delegationen. Zum einen geht es um strategische Interessen, zum anderen darum, islamistische Gruppen im eigenen Land in Schach zu halten. China, das seit Jahren in die afghanische Rohstoff-Förderung investiert, unterhält schon länger Beziehungen zu den Taliban, die es nun braucht, um seine Investitionen zu sichern.

Wie viele Soldaten hat Afghanistan 2021?

Zwischen Oktober 2019 und April 2021 ist die Truppenstärke der Afghan National Defense and Security Forces (ANDSF) von insgesamt 272.807 auf 300.699 Männer und Frauen angestiegen.

Wie viele Arme hat Afghanistan?

Die Situation für Kinder und Familien in Afghanistan ist sehr angespannt. Das Land ist weitestgehend von der internationalen Gemeinschaft abgeschnitten. Fast die gesamte Bevölkerung – 97 Prozent – lebt in Armut. Aktuell sind etwa 24,4 Millionen Menschen auf humanitäre Hilfe durch Hilfsorganisationen angewiesen.

Wer sind die Taliban Kämpfer?

Die Taliban waren unter ihrem Führer Mohammed Omar von 1996 bis zum Einmarsch der internationalen Truppen 2001 Machthaber in Kabul. Afghanistan erlebte in dieser Zeit eine Schreckensherrschaft. 20 Jahre nach ihrer Vertreibung kehrten die Taliban zurück und übernahmen 2021 erneut die Macht.

Wie viele tote US Soldaten in Afghanistan?

NATO und den USA in Afghanistan an. Rund 3.600 Soldaten und Soldatinnen der westlichen Allianz ließen bis 2020 bei den Operationen OEF und OFS ihr Leben, bei den zivilen Opfern lag die Anzahl der bei Kampfhandlungen Getöteten in Afghanistan zwischen 2010 und 2020 bei über 36.000.