Wie viele Stunden sollte man Kompressionsstrümpfe tragen?

Am 13. April 2003 schrieb Paula Radcliffe in London Sportgeschichte. Sie gewann in der Zeit von 2 Stunden 15 Minuten und 25 Sekunden den London-Marathon bei den Frauen. Damit hielt sie sechzehn Jahre lang Weltrekord, bis zum Jahr 2019. Sie lief damals mit Strümpfen mit Kompressionswirkung und lenkte somit die Aufmerksamkeit vieler Spitzensportler auf dieses scheinbar so unauffällige Sportutensil.

Die Beine fühlen sich beim Tragen von Kompressions- oder Stützstrümpfen leichter an. Das schätzen auch immer mehr Amateursportlerinnen und -sportler. Der Anwendungsbereich reicht vom klassischen Laufsport im Sommer bis hin zum Langlaufen im Winter. Besonders beliebt sind Druck ausübende Strümpfe auch zur Regeneration. Ohne zusätzlichen Zeitaufwand wie etwa bei Massagen kann mit Strümpfen in diesem Bereich optimiert werden. Im Bereich des Sports spricht man zumeist von Stützstrümpfen, die in der Regel weniger Druck auf die Beine ausüben, als Kompressionsstrümpfe.

Kompressionsstrümpfe im Alltag

Im Jahr 2003 stellte die Bonner Venenstudie für Deutschland aufsehenerregende Ergebnisse fest. Überraschend viele Menschen haben demnach Durchblutungsprobleme in den Beinen. Jeder 6. Mann und jede 5. Frau leidet demnach unter einer chronischen Veneninsuffizienz. Sogar bei jeder 2. Frau wurde eine Beinschwellung festgestellt.

Das bedeutet, dass besonders für Berufstätige, die täglich viel stehen, gehen oder sitzen, eine ärztliche Kontrolle oder Abklärung ihrer Beingesundheit ratsam ist. Dabei sollte auch das Thema der Vorbeugung von Thrombosen oder Krampfadern beachtet und angesprochen werden. Die Wahrscheinlichkeit, dass Strümpfe mit Druck auf die Beine ein sinnvoller Helfer im Berufsalltag sind, ist erwiesenermaßen hoch.

Es gibt einerseits medizinische Kompressionsstrümpfe, die vom Arzt verschrieben werden und andererseits Stützstrümpfe zur Vorbeugung, die im Fachhandel online und auch im Geschäft vor Ort erhältlich sind.

Kompressionsstrümpfe in der Schwangerschaft

Eine besondere Situation, in der das Tragen von Kompressionsstrümpfen in Erwägung gezogen werden kann, ist eine Schwangerschaft. Das Risiko von Venenerkrankungen steigt im Laufe der neun Monate der Entwicklung des Kindes im Mutterleib deutlich an.

Bindegewebe wird durch das Hormon Gestagen gelockert und Progesteron erweitert die Venen. Der Körper bildet in dieser Zeit auch mehr Blut und das Gewicht des Babys drückt zusätzlich auf die Beine, was zu Schwellungen, Krampfadern und Schmerzen führen kann. Kompressionsstrümpfe können daraus resultierende Beschwerden lindern.

Stützstrümpfe beim Reisen

Eine Reisethrombose kann zunächst unbemerkt bleiben. Wenn jedoch ein Blutgerinnsel zum Herzen oder in die Lunge wandert, kann dies schwere Folgen haben, weil die Durchblutung gestört oder gar unterbrochen wird. Das Risiko ist besonders hoch, wenn langes Sitzen (fünf Stunden und länger) beim Reisen unvermeidbar ist, zum Beispiel bei einer Langstreckenreise mit dem Flugzeug, dem Bus oder dem Zug. Auch hier bietet sich zur Thromboseprophylaxe die Anwendung von Stützstrümpfen an.

Kompressionsstrümpfe als Mittel der Medizin

Medizinische Kompressionsstrümpfe sind verschreibungsfähig. Sie werden bei Erkrankungen des Venen- und Lymphsystems eingesetzt. Beim Verdacht auf eine solche Erkrankung sollte unbedingt ein Arzt aufgesucht werden. Somit kann sichergestellt werden, dass die Patientin bzw. der Patient auch die richtige Druckklasse von Kompressionsstrümpfen erhält.

Der Arzt stellt auch fest, ob ein Oberschenkelstrumpf oder ein Kniestrumpf erforderlich ist. Im Sanitätshaus wird das Bein dann je nach Art des Strumpfs an fünf bis zehn Punkten vermessen, damit der Strumpf exakt passt. Das Abmessen sollte früh am Morgen stattfinden, weil zu diesem Zeitpunkt der Druck in den Beinen noch am geringsten ist.

Auch im Hinblick auf die Venen in den Beinen gilt, dass ein frühzeitiges Erkennen einer möglichen Erkrankung eine große Rolle spielen kann. Denn die Risikogruppe sind vor allem jene Berufsgruppen, die ohnehin einen Stützstrumpf als Prophylaxe tragen könnten oder sollten.

Die richtige Handhabung von Kompressionsstrümpfen ist wichtig

Kompressionsstrümpfe sollen ihre volle Wirkung entfalten und zur jeweiligen individuellen Situation eines Menschen passen. Daher ist es sinnvoll, sich vor Gebrauch Tipps zum An- und Ausziehen, zu Preisen und möglicher Kostenübernahme von Krankenkassen, zur richtigen Pflege und zur Lebensdauer des Materials zu informieren.

Bei vielen Venenleiden sind sie unverzichtbar – doch beim Anziehen und Tragen ergeben sich häufig Fragen.

Von Petra Haas, Aktualisiert am 23.09.2020

Diese Tipps helfen im Umgang mit Kompressionsstrümpfen:

  • Morgens nach dem Duschen anziehen, am besten sitzend auf der Bettkante.
  • Die Beine abtrocknen, aber nicht eincremen.
  • Wer sich schlecht bücken kann, stellt das Bein etwas höher.
  • Gibt es einen Strumpf für rechts und einen für links? In den Strumpf hineingreifen, bis auf den Zehenteil auf links wenden.
  • Position der Ferse merken.
  • Mit den Zehen in die Öffnung rutschen und den Strumpf etappenweise nach oben ziehen.
  • Glatt streichen. Besser greifen lässt sich das Garn mit Handschuhen für Kompressionsstrümpfe.

© W&B

Auch im Sommer soll man Kompressionsstrümpfe tragen. Denn Wärme setzt geschwächten Venen zu und kann Beschwerden weiter verstärken. Die Strümpfe also jeden Tag und so lange tragen, wie es der Arzt verordnet hat: von morgens bis abends.

Anziehhilfe nutzen

Fällt das Bücken schwer, hilft ein Gestell, über das man den Strumpf stülpt – der Fuß wird hineingestellt. Ein langer Stab erleichtert das Ausziehen. Für Strümpfe mit offener ­Fußspitze gibt es Gleitsocken. Fragen Sie, welche Anziehhilfe sich eignet, und lassen Sie sich die Technik zeigen. Der Arzt kann sie auf Rezept verordnen. Sie erhalten sie, wie die Strümpfe, in spezialisierten Apotheken oder Sanitätshäusern.

Garn schonen

Schmuck zum An- und Aus­ziehen ablegen. Die Hände waschen, nicht eincremen. Vor allem das Haftband vor Cremekontakt bewahren, sonst geht es kaputt. Wer Strümpfe mit Fußteil besitzt, sollte daheim Hausschuhe tragen. Das bewahrt das Garn vor Schäden und verringert das Sturzrisiko. Hornhaut, rissige Stellen an den Fersen? Scharfkantige Nägel? Bei der Fußpflege ­unterstützt der Podologe.

Wenn Angehörige helfen

  • Rückenschonend klappt das, wenn der pflegebedürftige Angehörige im Bett liegt, der Helfer am ­­Fußende steht: Er trägt Handschuhe, zieht dem anderen die Socken aus und die (möglichst weite) Hose hoch. Die auf links gedrehten Strümpfe mit ­gespreizten Fingern wie ­beschrieben anziehen.

  • Der Pflege­bedürftige sitzt? Seine Füße erhöht auf einen ­weichen Schemel betten. Der Helfer kniet davor.

Recht auf Pflegedienst: Ist Anziehen trotz Hilfsmittel nicht möglich und können Angehörige nicht unterstützen, haben Betroffene das Recht darauf, dass ein ambulanter Pflegedienst zum An- und Ausziehen nach Hause kommt: ab Kompressionsklasse 1 bei ärztlich verordneten Strümpfen oder Strumpfhosen, unabhängig davon, ob ein Pflegegrad vorliegt. Um die Bean­tragung kümmert sich der Arzt.

Täglich cremen

Die Beine jeden Abend mit einer reichhaltigen Wasser-in-Öl-Pflege eincremen. Prima für trockene, aber intakte Haut sind Produkte mit Urea. Gereizte, gerötete Haut benötigt oft juckreizstillende und intensiver pflegende Substanzen. Den Apotheker fragen. Manche Produkte kann man vor dem Anziehen anwenden oder beim Tragen aufsprühen. Die Haut schuppt oder juckt trotz Pflege? Zum Arzt gehen.

Regelmäßig waschen

Nach jedem Tragen die Strümpfe waschen. Daher ist ein Wechselpaar praktisch. Aufs Etikett schauen: Hand­wäsche ist üblich, bequemer der Feinwaschgang bei 30 Grad. Optimal zum Reinigen ist Spezialwaschmittel, doch Feinwaschmittel geht auch. Nie Vollwaschmittel, Weichspüler, Fleckentferner verwenden! Die Strümpfe liegend
auf einem Handtuch trocknen. Nicht auswringen und nie auf den warmen Heizkörper oder in die Sonne legen.

Abkühlen

Garn aus Baumwolle oder Mikrofasern? Letztere leiten Wärme und Dampf weg von der Haut. Bei starken Wasser­einlagerungen in den Beinen eignen sie sich aber oft nicht. Man kann die Beine samt Strümpfen kühl abduschen, die überschüssige Nässe mit einem Handtuch abtupfen. Oder eine saubere Sprüh­flasche mit Wasser füllen und die Beine anfeuchten. Im Fachhandel gibt es zudem kühlende Sprays und Gele.

Bei Schäden reagieren

Riss oder Loch im Garn? ­Beschädigungen schmälern möglicherweise die Kom­pressionswirkung. An den Fachhändler vor Ort wenden. Er kann die Strümpfe zur Prüfung zum Hersteller schicken.

Entlasten auf Reisen

Bei mehrstündigen Auto- oder Bahnfahrten können Waden­strümpfe in der Kompressions-
klasse 1 sinnvoll sein. Die Hersteller bieten auch spezielle Stützstrümpfe für Reisende. Vorsicht: So deklarierte Reisestrümpfe aus dem Kaufhaus oder Supermarkt bieten häufig nicht die definierte Kompressionskraft wie medizinische Produkte.

Austauschen

Sofern vom Arzt verordnet, erstatten die gesetzlichen Kassen alle sechs Monate ein neues Paar Strümpfe. Für den Patienten fällt nur der Eigenanteil an. Es sei denn, er hat Sonderwünsche: etwa Anti-Rutsch-Belag am Fußteil.

Vielfalt nutzen

Es gibt Waden-, Halbschenkel- und Schenkelstrümpfe sowie Strumpfhosen. Oft reichen Wadenstrümpfe aus, weil die Kompression vor allem im Knöchel- und Wadenbereich stattfindet. Haftbänder gibt es mit feinen oder groben Noppen, als Sensitiv-Variante für empfindliche Haut. Eine offene Fußspitze eignet sich für Vielschwitzer, bei empfindlichen Zehen. Standardfarben lassen sich frei wählen.

Tipps fürs Anmessen der Kompressionsstrümpfe:

  • Unbedingt morgens abmessen, am besten direkt nach dem Aufstehen bzw. Beine hochlagern bis zum Termin, da die Beine häufig tagsüber anschwellen

  • Kleidung tragen, die man leicht ausziehen kann (z.B. Hose, keine Strumpfhose, keinen Kompressionsverband o.ä.) - je nach Länge des verordneten Strumpfes wird bis zum Knie oder Oberschenkel gemessen, bei Strumpfhosen bis zur Taille (dann kein Korsett o.ä.)

Fachliche Beratung: Apothekerin Tanja Grasberger, Miesbach; Angelika Schebelle, Caritas-Sozialstation Labertal; Dr. Daniel Wilder, Berufsverband der Dt. Dermatologen, Stuttgart

Wie viel Stunden am Tag darf man Kompressionsstrümpfe tragen?

Für den optimalen Therapie-Erfolg sollten Sie Ihre medizinischen Kompressionsstrümpfe täglich tragen und waschen. Patienten mit venösen Beschwerden und chronisch venöser Insuffizienz (CVI) tragen ihre medizinischen Kompressionsstrümpfe von morgens bis abends, ein Leben lang.

Wie lange soll man Kompressionsstrümpfe tragen?

Fachleute sagen, dass ein Kompressionsstrumpf ungefähr ein halbes Jahr hält. Dann sollten Sie sich – sofern nötig – neue verordnen lassen.

Kann man Kompressionsstrümpfe 24 Stunden tragen?

Muss ich Kompressionsstrümpfe auch nachts tragen? Prinzipiell trägt man Kompressionsstrümpfe nur tagsüber, wenn man sich bewegt und die Muskelpumpe am Knöchel aktiviert. Nach einem Veneneingriff kann das kurzzeitige Tragen der Kompressionsstrümpfe für 1–3 Nächte sinnvoll sein.

Wann dürfen Kompressionsstrümpfe nicht getragen werden?

Nicht verwendet werden dürfen Kompressionsstrümpfe bei einer arteriellen Durchblutungsstörung, schweren Herzproblemen, nässenden Hautkrankheiten oder Störungen der Nervenfunktion in Armen und Beinen. Bei Gelenkrheuma muss der Arzt entscheiden, ob die Kompressionstherapie möglich und sinnvoll ist.

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