Wie oft zugang an der gleichen vene

Lieber Dr. Mo!

Als ich das letzte Mal bei Ihnen war, haben Sie mir Blut abgenommen - in der Armbeuge. Wieder zurück zu Hause habe ich mich gefragt, warum Sie das Blut ausgerechnet da abgenommen haben. Könnte man es nicht auch woanders abnehmen? Zum Beispiel am Handgelenk? Da kann man doch auch den Puls fühlen - da müsste man doch viel besser an das Blut kommen…
Viele Grüße von Jan

Lieber Jan,

es gibt verschiedene Gründe, warum Blut in der Armbeuge abgenommen wird. Dazu muss man etwas über den Blutkreislauf wissen: In unserem Körper gibt es zwei verschiedene Arten von Blutgefäßen: Arterien und Venen.

In den Arterien wird das sauerstoffreiche Blut vom Herzen weggepumpt. Das passiert mit ziemlich hohem Druck. Diesen Druck kann man an einigen Stellen des Körpers sogar als Puls fühlen: zum Beispiel am Handgelenk oder am Hals. Unbeabsichtigt sollte der Arzt mit seiner Nadel nicht in eine Arterie stechen, weil das Blut durch den hohen Druck da regelrecht hinausspritzen würde. Absichtlich sticht der Arzt nur bei besonderen medizinischen Fragen in eine Arterie.

In den Venen fließt das sauerstoffarme Blut zum Herzen zurück. Hier ist der Druck viel geringer. Sticht man in eine Vene, läuft zwar auch Blut heraus, aber es spritzt nicht. Als Vergleich kannst Du Dir einen Gartenschlauch vorstellen: Stichst Du mit einer Nadel hinein, während das Wasser voll aufgedreht ist und mit hohem Druck strömt, spritzt es. Ist das Wasser nur halb aufgedreht, rinnt es aus dem Nadelloch.

Dass man Blut in der Armbeuge abnimmt, hat aber noch mehr Gründe: Theoretisch könnte man Blut auch zum Beispiel am Bein abnehmen - denn Venen gibt es im ganzen Körper. Das wäre aber sehr umständlich und unpraktisch für mich und Dich, Du müsstest Deine Hose ausziehen oder hochkrempeln, ich müsste mich runterbücken, etc. In der Armbeuge liegen die Venen zudem dicht unter der Haut. Sie sind relativ groß und gut zu sehen und zu tasten. Und es gibt noch einen Grund: In der Armbeuge liegen die Nervenenden nicht ganz so dicht beieinander. Der Einstich schmerzt also hier weniger als zum Beispiel auf dem Handrücken. Und es hat doch auch nicht weh getan, oder?
Viele Grüße,
Dr. Mo

ZUR PERSON

Markus Stücker ist Leitender Arzt am Venenzentrum der dermatologischen und gefäßchirurgischen Kliniken der Ruhr-Universität Bochum und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie (die Lehre von der Erkrankung der Venen).

SPIEGEL ONLINE: Herr Stücker, bei der Blutentnahme klagen die Arzthelferinnen immer über meine schlechten Venen. Sind sie denn auch funktional gesehen schlecht?

Stücker: Nein. Das heißt nur, dass man sich schwer tut, bei Ihnen Blut abzunehmen. Mit der Venenfunktion hat das nichts zu tun. Der Hauptteil des Blutabstroms des Körpers, etwa 95 Prozent, fließt sowieso nicht über die Venen unter der Haut ab, sondern durch die tiefer gelegenen.

SPIEGEL ONLINE: Schlechte Venen also nur für Arzthelfer und Arzthelferinnen...*

Stücker: Genau. Das ist der Klassiker. Wenn danebengestochen wird, heißt es immer: "Sie haben aber schlechte Venen".

SPIEGEL ONLINE: Sind schlechte Venen dasselbe wie Rollvenen?

Stücker: Man muss unterscheiden. Probleme bei der Blutentnahme können auftreten, wenn die oberflächlichen Venen entweder sehr dünn und schwer zu finden sind. Oder sie sind normal dick, aber unter einer dicken Fettschicht versteckt. Die dritte Möglichkeit sind Rollvenen, die sich im Bindegewebe leichter verschieben, als das normalerweise der Fall ist. Da reicht dann tatsächlich schon die Nadelspitze aus, um die Vene zur Seite zu schieben.

SPIEGEL ONLINE: Lernen medizinische Fachangestellte in ihrer Ausbildung, wie sie mit den unterschiedlichen Venentypen umgehen müssen?

Stücker: Es sollte schon so sein, dass sie mit den Schwierigkeiten beim Blutabnehmen vertraut gemacht werden. Und wie man sich dabei behilft.

SPIEGEL ONLINE: Wieso nehmen die Ärzte fast nie das Blut selber ab, sondern lassen es durchführen? Es ist doch eigentlich gar nicht so ungefährlich - eine Luftinjektion kann tödlich sein.

Stücker: Das stimmt zwar, und viele haben Angst davor, dass versehentlich Luft eingespritzt wird. Aber um jemanden umzubringen, braucht es schon beträchtliche Mengen. Ein kleines Luftbläschen in die Vene zu drücken, ist harmlos. Beim Legen einer Infusion, wo unter Druck größere Mengen in den Körper eingebracht werden, kann eindringende Luft ein Problem sein.

SPIEGEL ONLINE: Ist die Blutentnahme denn wirklich so ein Routinejob?

Stücker: Ja, denn das Risiko ist relativ gering. Es können doch eigentlich nur drei Dinge passieren: Der Patient bekommt blaue Flecken, die sicher jeder schon mal gehabt hat. Das zweite: Der Arzthelfer oder die Arzthelferin trifft nicht auf Anhieb und muss mehrmals zustechen. Und drittens: Durch eine Verunreinigung bei der Blutentnahme tritt ein Infekt auf. Das sind aber alles Dinge, die auch einem Arzt passieren könnten - und das vielleicht sogar eher als einer Arzthelferin, die das 20-mal am Tag macht.

SPIEGEL ONLINE: Wird die Vene nicht getroffen, gibt es unterschiedliche Strategien: Manche stechen mehrfach zu, was entsprechend schmerzhaft sein kann. Andere lassen die Nadel im Arm, wühlen dann aber mit ihr darin herum. Welche Strategie ist besser?

Stücker: Die Schmerzrezeptoren sitzen im Wesentlichen an der Hautoberfläche. Ein erneuter Einstich ist schmerzhafter, als die Nadel im Unterhautfettgewebe zu bewegen. Wenn man das Gefühl hat, schon ganz nahe an der Vene zu sein, kann es im Falle von Rollvenen für den Patienten angenehmer sein, wenn man nicht nochmal zusticht und stattdessen noch einmal nachtastet, die Haut strafft und mit der Nadel im Gewebe bleibt, um die Vene zu treffen. Aber klar: Auch das ist unangenehm, ich will das nicht bagatellisieren. Allenfalls sollte man deshalb nachjustieren und nicht minutenlang mit der Nadel im Arm herumwühlen.

SPIEGEL ONLINE: Kann man seine Venen auf die Blutentnahme vorbereiten?

Stücker: Es gibt ein paar einfache Dinge, die man tun kann: Bei Wärme treten die Venen stärker hervor. Halten Sie also den Arm warm, wenn Sie zur Blutabnahme gehen. Falls Sie es unmittelbar vorher einrichten können, wäre es sogar hilfreich, wenn Sie warm duschen oder besser noch baden. Auch Muskelaktivität steigert die venöse Aktivität, deswegen soll man ja die pumpenden Bewegungen mit der Hand machen. Trinken Sie genug vorher. Und ein ganz einfacher Punkt, der aber oft vergessen wird: Merken Sie sich gute Einstichstellen und klären Sie die Arzthelferin gleich auf.

SPIEGEL ONLINE: Oft wird ja der linke Arm für die Blutentnahme gewählt. Gibt es eine Faustregel, welcher Arm besser ist?

Stücker: Mir sind keine Untersuchungen bekannt, die besagen, dass bei der Blutentnahme von Rechtshändern der linke Arm besser geeignet wäre. Eigentlich müssten die Venen bei dem jeweils stärker gebrauchten Arm besser sein, also beim Rechtshänder der rechte. Wahrscheinlich nimmt man in der Regel den linken Arm, weil dann der - meist ja rechtshändige - Patient nicht so eingeschränkt ist, falls es doch zu einem schmerzhaften Bluterguss kommt.

SPIEGEL ONLINE: Warum wird eigentlich immer an der Armbeuge Blut abgenommen? Am Handgelenk oder am Handrücken sind bei mir die Venen viel besser.

Stücker: Eine Blutentnahme an der Hand hätte mehrere Nachteile: Dort verlaufen mehr Nerven, man ist an der Hand schmerzempfindlicher, und Verletzungen des umliegenden Gewebes wären dort dramatischer als in der Armbeuge. Und letztlich wäre ein blauer Fleck und Schmerzen über mehrere Tage an der Hand unangenehmer für den Patienten.

*Anm. der Red.: Die korrekte Berufsbezeichnung lautet seit einigen Jahren Medizinische Fachangestellte, umgangssprachlich ist jedoch noch immer der Begriff Arzthelferin im Gebrauch. Statistiken zufolge sind etwa 99 Prozent der medizinischen Fachangestellten weiblich. Deshalb ist in diesem Interview öfter von der Arzthelferin die Rede statt vom Arzthelfer.

Wie oft muss ein Zugang gewechselt werden?

Bei vielen Patienten bleibt der Katheter mehrere Tage in der Vene. Doch immer besteht die Gefahr, dass er nicht mehr richtig liegt, das Gewebe drum herum sich entzündet, schmerzt oder der Katheter nicht mehr durchgängig ist. Es gibt die Empfehlung, einen venösen Katheter routinemäßig alle 72 Stunden zu wechseln.

Wie lange darf ein Zugang in der Vene bleiben?

Venenverweilkanülen können so lange liegen bleiben, wie sie klinisch benötigt werden und keine Komplikationszeichen feststellbar sind. Notfallmäßig gelegte Venenverweilkanülen sollen baldmöglichst entfernt und ggf. an anderer Stelle neu gelegt werden (innerhalb von 24h).

Welche Venen darf man nicht punktieren?

Vorsicht in der Ellenbeuge: Hier liegen Arterien und Nerven recht nahe an der Vene. Fehlpunktionen sind möglich. Klagt der Patient über heftige, untypische Schmerzen, hat man wahrscheinlich einen Nerv getroffen und muss die Punktion abbrechen.

Was passiert wenn man eine Vene durchsticht?

Die Einstichstelle wird dick: Die Vene ist geplatzt oder durchstochen und es bildet sich unmittelbar ein Hämatom im Gewebe. Ziehen sie die Nadel sofort heraus. Die Einstichstelle durch Komprimierung und durch Kühlung versorgen.