Welche symbolischen bedeutungen haben die zahlen 3 und 7

Zahlensymbolik

Um die h�ufige Zahlensymbolik auch in der Johannespassion zu verstehen, sei ein kleiner Exkurs in das Geheimnis der Zahl gestattet.42

Die Zahl hatte schon in der Antike eine besondere Bedeutung, nicht nur zur nachsinnenden Errechnung und Deutung des gesamten Kosmos.43 Das Wissen um Symbolgehalt, also "Qualit�t" der Zahlen gilt als Bestandteil einer echten Kosmologie, "die zu den letzten und endg�ltigen Ursachen der Existenz des Daseins f�hrt und der man sich nur in Ehrfurcht n�hern kann"44 . So gesehen reicht diese "qualitative Mathematik" vom Punkt bis zur kompliziertesten geometrischen Figur, von der Zahl Eins bis zu magischen Quadraten und gewinnt noch an Bedeutung durch das Wort. Die Zahl als Symboltr�ger in allen religi�sen Traditionen hat auch in den biblischen Gestalten und Geschehnissen reichen Niederschlag gefunden. In der Architektur streng geh�tete Bauh�ttengeheimnisse in Form von Zahlenverh�ltnissen und Ordnungen waren dem quadrivialen Denken seit jeher selbstverst�ndlich. Dem heute im Denken des Abendlandes Lebenden scheinen sie g�nzlich verloren gegangen zu sein. Der symbolische Reichtum einer Zahl will also mit Verlaub neu entdeckt werden; es gilt auch, Denkans�tze auf die schier unersch�pflichen M�glichkeiten zu lenken. Johann Sebastian Bach waren diese - wenn auch damit schon fast einsam auf weiter Flur - noch gro�teils gel�ufig. Eine Zahl kann bewertet und gedeutet werden:45
nach dem Zahlenalphabet (Zuordnung von Buchstaben zu den Zahlen 1 bis 24, wobei I und J durch 9, U und V durch 20 vertreten sind)
auf die Quersummen
nach dem unmittelbaren Zahlenbild (369 als 3, 6, 9,)
nach den Dreieckszahlen (d. h. auf die Summen aller vorausgegangener Zahlen, z. B. : 1+2+3+4+5+6+7 = 28)
aufgrund biblischer Bedeutungen (3,5,7,10,12 und deren Mehrfaches z. B. , oder Psalmen und deren Inhalt = Zahl 1 bis 150)
gem�� antiker Traditionen (Tierkreiszeichen, magische Quadrate)
Abk�rzungen
schlie�lich Verdoppelungen, Potenzierungen oder Mehrfaches einer Zahl, oft mit angeh�ngten "0", was einem ver- und be-st�rkenden Charakter gleichkommt

Es w�rde zu weit f�hren, hier nun die einzelnen Zahlen genau zu erkl�ren, wohl aber sei noch auf das Ph�nomen sogenannter "Magischer Quadrate" eingegangen, zumal es sich um ein ebenfalls mehr als bisher vermutet verbreitetes Wissen handelte. Ein magisches Quadrat nennt man ein Zahlenquadrat, dessen waagrechte, senkrechte und diagonale Reihe stets dieselbe Summe ergeben. Die Tradition kennt sieben solcher Quadrate, bisweilen auch Pythagoras zugeschrieben, die nach Planeten benannt sind und in der Reihenfolge der Wurzelzahlen wie folgt hei�en: Saturn (3), Jupiter (4), Mars (5), Sonne (6), Venus (7), Merkur (8), Mond (9). Als Beispiel sei das Sonnenquadrat in den Blickpunkt gestellt:

(Graphik 2)

In diesem Quadrat tritt das Ph�nomen zutage, da� bei 36 Zahlenfeldern auf der Wurzelzahl 6 fu�end sich eine Reihekonstante von 111 ergibt: 111 - eine verdreifachte Eins und damit gesteigertes Trinit�tssymbol! Aber noch andere Zahlen stehen mit dem Sonnenquadrat in Zusammenhang:
zun�chst - einfach anmutend - 14: die Summe der m�glichen Reihenkonstanten (6 waagrechte, 6 senkrechte, 2 diagonale). 14 enth�lt eine christologische Bedeutung. Da ist zun�chst die Sieben (und ihr Mehrfaches), die sowohl in den vorchristlichen Religionen Asiens und des Vorderen Orients als auch in der Bibel wohl am h�ufigsten genannt ist. Es kann sich bei der Sieben als eine Summe von 3 + 4 handeln, also Verbindung von "himmlischer Ordnung" mit "irdischer Welt", eine erste Vollendungsstufe. Wohl kommt auch eine �berh�hung der Sechs infrage (sechs ist eine "unvollkommene" Zahl, "nur" ein halbes Dutzend, etc.... ), man spricht dann von der Sieben als "Regentin" der Sechs, die Augustinus interpretiert als g�ttliche F�lle und Totalit�t. In der Heiligen Schrift hat die Sieben formbildenden Charakter. Wenn schon Luther in Anmahnung an den hebr�ischen Urtext Mose 1,1 mit 7 Worten wiedergibt ("am Anfang schuf Gott Himmel und Erde"), d�rfte das kein Zufall sein, sondern vermag h�chstens die geistige Armut heutiger �bersetzungsversuche aufzudecken. Dem lie�en sich noch weitere 7-wortige Beispiele anf�gen. Ein Rhythmus in je 7 Versen l��t sich auch dem Evangelisten Lukas f�r die Kindheitsgschichte zuschreiben im 2. Kapitel: Vers 1 - 7 Geburtserz�hlung, 8 - 14: Hirtenerz�hlung; 15 - 21 Namensgebung, Beschneidung. Das Vaterunser in 7 Bitten eingeteilt, die 7 Gaben des Geistes, der 7-armige Leuchter, 7 Sakramente: vieles mehr noch weist auf das "Heilige" hin, das dieser Zahl innewohnt. Verdoppelt man die Sieben, also multipliziert man sie mit der Zwei (und erh�lt damit die 14), so ist sie mit christologischen Akzent auf die zweite g�ttliche Person angewandt; und wieder ist es Luther, der mit 14 Worten Matth�us 17,5 bedeutsam wiederzugeben vermag: "Dieser ist mein lieber Sohn, an welchem ich Wohlgefallen habe; den sollt ihr h�ren". Auch in der Geheimen Offenbarung des Johannes dominiert die Sieben und ihr Mehrfaches als Symbol und als Formbestandteil. Im 14. Kapitel thront Christus als das "Lamm", das 28 Mal als Christusbeschreibung genannt wird. Dem w�re z. B. noch eine 14fache Ahnenkette Jesu bei Matth�us hinzuzuf�gen.
Dann ist im Sonnenquadrat auch die Zahl 37 in mehrfacher Hinsicht bedeutsam:
sie ist die erste kleinste unteilbare Einheit der Reihenkonstante (3 x 37 = 111), sie ist die Summe der diagonal liegenden Eckziffern der Au�enquadrate (36+1, 6+31), sie ist die Summe einander entsprechender Innenquadrate: 8+29, 11+26, sie ist die Summe der kleinen Quadrate (36) mit dem gro�en, all die kleinen Quadrate umschlie�enden Quadrat (1). Symbolisch bedeutet das, die 37 ist Regentin der 36, der Sechs und ihrer Potenz: Auf die mit Negativem behaftete Sechs erscheint die 37 als �berwinderin, die Herrschaft der Tetraktys der 36 wird durch eine neue Sonnengeburt abgel�st: 3 und 7, die Bestandteile der 37 sind heilige Zahlen, mit 37 l��t sich auch das Christusmonogramm (PX) wiedergeben: 15 f�r P (als Synonym f�r das griechische Rho) und 22 f�r X (als Synonym f�r das griechische Chi).

So k�nnte nun mit "exegetischen" Anmerkungen zu Bachs Johannespassion fortgefahren werden.
Es scheint mir, als ob die Elf ein gewisses gestaltendes Element in der Johannespassion bei Bach spielt:
11 Chor�le st�tzen das Werk wie S�ulen. Sie entsprechen den 11 J�ngern (12 Apostel minus Verr�ter!): ja, vielleicht ist der "versteckt zuschauende" Verr�ter im nicht als eigentlichen Choral zu z�hlenden Vers zu rechnen, der sich �ber die Arie "Mein treuer Heiland" erhebt? (Nr. 32).
Viele der Ch�re ergeben in der Taktanzahl ein Vielfaches der Elf: "Sei gegr��et" und "Schreibe nicht" (11 Takte); "Wir haben ein Gesetz" (22 Takte), "L�ssest du diesen los" (33 Takte), "Lasset uns den nicht zerteilen" (55 Takte). Im Schlu�chor ist der Imperativ der Choristen "Ruht wohl" insgesamt 55 Mal zu h�ren - ein Zufall? Ja, schlie�lich mu� man auch eine 11-Gliedrigkeit des Gesamtplanes (und das trifft sich hervorragend mit dem Chor�le-Bau) heranziehen: Mit Einleitungsmusik (Exordium) und Schlu�chor/Choral sind die neun dramatischen Szenen auf insgesamt 11 Teile des Werkes angewachsen.
Besondere Beachtung verdient in dieser Hinsicht auch das Recitativ 12c:
Zun�chst ist festzustellen, da� es sich um eine von Bach vorgenommene Interpolation eines Matth�us-Textes (wahrscheinlich anstelle eines urspr�nglichen Markus-Textes?) handelt. Nach johanneischer Theologie ist die Reue und Verzweiflung des Petrus nicht wichtig, Johannes interessiert lediglich der Beweis, wie Jesus auch diesen Fehltritt des Petrus vorher wu�te, und daher der Hinweis auf den Hahnenschrei. Das Interesse des Johannes liegt also nicht an der Verleugnung als solcher, sondern vielmehr an der stillen Gestalt des Lieblingsj�ngers, der als stummer Zeuge �berall dabei ist. Bach aber ist die Reue des Petrus wichtig, schon auch zur Anreicherung um Affekte, mehr aber noch aus Kenntnis lutherischer Theologie. Dies betrifft �brigens auch den zweiten Einschub: Recitativ 33 ist ebenso Matth�us-Text!46 Als weitere Besonderheit dieses Recitatives f�llt seine �u�erst pr�gnante, im Vergleich zu den anderen ungew�hnliche rhythmische Gestaltung auf. Z�hlt man ab dem mit "adagio" �berschriebenen Takt 33 (�brigens die Zahl f�r Christi Erdenjahre), die Anschl�ge des Basses im Continuo, erh�lt man die Zahl 22, den Leidenspsalm symbolisierend; z�hlt man die Noten der Singstimme dar�ber erh�lt man 37: die aus dem Monogramm PX gewonnene Christuszahl! Diese begegnet auch im Recitiativ 18c, wenn man die wieder auff�lligen Ba�anschl�ge �ber dem Wort "gei�elte ihn" z�hlt.

42. Es sei gestattet, da� ich mich hier im Wesentlichen an meinen Aufsatz "Zahlen und ihre Symbole in der Orgelwelt an Hand des Prospektes der Westorgel in der Stiftskirche Melk", in: Die Zeit, in der wir leben, Festschrift f�r Abt Burkhard Ellegast, herausgegeben vom Konvent des Stiftes Melk, Melk 1991, 100 - 120 halte.
43. Harry Hahn, Symbol und Glaube im I. Teil des Wohltemperierten Klavieres von J. S. Bach, Wiesbaden 1973, 19.
44. Walter Friedjung, Vom Symbolgehalt der Zahl, Wien 1968, 52.
45. Diese Zusammenstellung findet man bei Harry Hahn, Die unbekannte Matth�uspassion, Hamburg 1977.
46. Betreffend die Interpolationen in den Johannes-Text sei verwiesen auf: D�rr, Der Passionsbericht..., a. a. O., 170; zur theologischen Deutung auf: Peter Kreyssig, Die Passion Jesu aus der Sicht des Evangelisten Johannes, in: Johannespassion, Schriftenreihe der internat. Bachakademie Stuttgart, Hg. Ulrich Prinz, Band 5, Stuttgart - Kassel 1993, 88 - 99.

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