Was passiert wenn man lange kein sex mehr hatte

Ich kann mich noch an das letzte Mal erinnern. Wir waren in den Ferien. Alle reden immer davon, dass sie in den Ferien so viel Sex haben, weil sie da so entspannt sind, weil sie Zeit haben und Lust. Wir setzten uns beide ziemlich unter Druck. Und mit jedem Tag, der verging, an dem wir nicht miteinander schliefen, wuchs er. Als wir dann doch Sex hatten, war ich so verkrampft, dass es sich nicht gut anfühlte. Er tat mir weh und ich musste abbrechen. Dieser Moment war der Startpunkt für unser Jahr ohne Sex.

Ihm tat es natürlich sehr leid, er wollte mir keine Schmerzen zufügen, er war verunsichert und mit der Situation überfordert. Ich zog mich zurück und er tat dasselbe. Wir sprachen nie darüber, entfernten uns einfach voneinander.

Doch die Krise begann natürlich nicht erst damals in jenen Ferien. Wir hatten schon vorher kaum mehr Sex. Wir waren noch nie ein Paar, das sehr verschmust miteinander umging, wir schlafen grundsätzlich nicht ineinander verschlungen ein und wir kleben auch sonst nicht so aneinander. Das war aber nie ein Problem. Ich hatte immer gern Sex, ich finde Sex toll. Aber ich glaube, wir haben es im Stress – und manchmal auch im Streit – nach und nach vernachlässigt, körperlich miteinander zu sein. Und je seltener wir miteinander schliefen, desto verkrampfter wurde unser Umgang mit dem Thema Sex. Wir entfremdeten uns voneinander.

Heute weiss ich, dass wir damals in einem Teufelskreis steckten. Ich konnte mich nicht auf ihn einlassen, weil mir die emotionale Nähe zu ihm fehlte, er wiederum brauchte die körperliche Nähe, um mir die emotionale Nähe zu geben.

Ein halbes Jahr später probierten wir es wieder. Doch schon nach den ersten Berührungen sprang ich aus dem Bett. Ich konnte einfach nicht mit ihm schlafen. Wie sehr ihn das verletzte, war deutlich spürbar.

Jede Berührung war zu viel für mich – und ich glaube, auch für ihn. Lagen wir früher noch nah beieinander auf der Couch, war es ihm nun plötzlich zu warm. Hatten wir früher einen sehr unkomplizierten Umgang miteinander, empfand ich plötzlich jede zärtliche Berührung unter dem Shirt als Vorspiel. Wir hatten es verlernt, uns körperlich zu verstehen.

Dazu kam, dass wir schon seit vielen Jahren zusammen waren und mit der Zeit natürlich auch die Spannung ein wenig nachlässt. Meist kamen wir nach der Arbeit nachhause, schlüpften in den bequemen Trainer und das war es dann. Klar, muss das kein Grund sein, nicht mehr miteinander zu schlafen, aber die Routine des Alltags hat sicher dazu beitragen. Wir hatten eine Krise, und die Tatsache, dass wir keinen Sex hatten, machte alles noch komplizierter.

Getrennte Wohnungen war der einzige Ausweg. Ich wollte mich nicht trennen, ich wollte mehr Abstand. Wir hatten Dates, an denen wir sehr bewusst Zeit miteinander verbrachten. An einem sehr schönen Abend war ich bei ihm zu Hause und da wusste ich: Jetzt müssen wir es tun. Eigentlich hatte ich nicht viel Lust, aber ich wusste: Wenn ich es jetzt nicht anpacke, dann mache ich es nie mehr.

Ich war nervös. Ich hatte Angst, dass es schmerzhaft wird, dass ich noch mal abbrechen müsste. Doch die Angst war unbegründet. Es tat nicht weh. Ich fühlte mich erleichtert.

Er war sehr überrascht, dass wir Sex hatten. Damit hatte er nicht gerechnet. Das Schöne war, dass das auch bei ihm etwas auslöste. Er wurde wieder selbstsicherer, vor allem wenn es darum ging, mich zu berühren. Einige Tage später packte er mich und gab mir einen langen Kuss. Das war so leidenschaftlich und so unverkrampft wie schon lange nicht mehr. Zwei Tage später lagen wir auf dem Sofa und er fing plötzlich an, mich auszuziehen. Wir hatten Sex. Ich war fasziniert davon, wie sehr er aufblühte. Auch ich hatte endlich wieder Spass. Klar, es war alles noch immer ein wenig holprig. Körperlichkeit ist ein sehr filigranes Konstrukt. Aber ich wusste, wir hatten es geschafft, den Teufelskreis zu durchbrechen.

Mein Ratschlag an Paare, die eine ähnliche Situation erleben? Es ist wichtig, es einfach wieder zu tun, sich zu trauen. Es klingt komisch, aber Lust auf Sex lässt sich wieder herstellen, selbst dann, wenn sie verloren geglaubt scheint. Wie ein Muskel, den man trainieren muss, damit er sich nicht zurückbildet.

Noemi S.*, 33, aus Zürich

*Name der Redaktion bekannt

Sexlosigkeit: Was dahintersteckt, wenn Ihr Partner keinen Sex mehr will - und wie Sie damit umgehen

Wenn in einer Partnerschaften der Sex immer weniger oder am Ende sogar ganz gestrichen wird, ist das oft eine große Belastung für die Beziehung. Und für dieses Problem können die unterschiedlichsten Gründe der Auslöser sein – nicht alle haben direkt etwas mit dem Sex zu tun.

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Will ein Partner Sex und der andere nicht, stellt das eine Beziehung vor besondere Herausforderungen. Die Münchner Psychologin Alexandra Hartmann betreut seit über zehn Jahren Betroffene in ihrer Praxis für Paarberatung. Die Therapeutin und Autorin des Buches "Meine Bedürfnisse, deine Bedürfnisse" schildert gegenüber FOCUS Online konkrete Fälle und erklärt, wie ein Paar überhaupt in eine solche Situation geraten kann. 

FOCUS Online: Kann eine Beziehung ganz ohne Sex überhaupt funktionieren?

Alexandra Hartmann: Das kommt immer darauf an, wie beide dazu stehen. Es ist aber leider in den allermeisten Fällen so, dass das nur für einen Partner okay ist und für den anderen nicht. Und dann wird es natürlich schwierig. Ich sage immer zu meinen Klienten: Wenn ich Lust habe, Tennis zu spielen, dann kann ich das auch mit einem Freund machen.

Spannend, aber gerade keine Zeit?

Aber bei Sex ist das nicht immer so einfach.

Alexandra Hartmann: Genau. In einer monogamen Beziehung ist Sexualität so definiert, dass sie nur zwischen den Partnern stattfinden sollte. Und weil die meisten Beziehungen in unserem Kulturkreis monogam angelegt sind, wird es zum Problem, wenn nur einer nicht will. Aber es gibt auch seltene Fälle, in denen beide sagen: "Es ist für uns okay, wir sind mit dem Thema durch, verstehen uns aber super – also warum nicht?"

Ist das monogame Beziehungsmodell selbst ein Problem, weil es den Druck erhöht, sexuelle Erfüllung nur in der Partnerschaft zu finden?

"Monogamie ist immer eine Herausforderung"

Alexandra Hartmann: Das kann man so und so sehen. Ich persönlich bin nicht der Meinung, dass wir von Natur aus für Monogamie geschaffen sind. Unsere nächsten Verwandten sind nun mal die Affen, und die sind auch nicht monogam, obwohl sie Zweierbeziehungen eingehen. Sie leben im familiären Miteinander, aber Gentests haben erwiesen, dass nicht alle Kinder vom "Vater der Familie" sind. Insofern habe ich so meine Zweifel.

Trotzdem sind offene Beziehung oft verpönt.

Alexandra Hartmann: Wir haben uns in unserer Kultur aus bestimmten Gründen, die auch viel mit Sicherheit zu tun haben, für Monogamie entschieden. Und somit ist es immer in gewisser Weise eine Herausforderung, dieses Modell zu leben.

Das heißt, in bestimmten Fällen hilft es, die Beziehung zu öffnen und dem Partner Affären zu erlauben.

Alexandra Hartmann: Das ist das gleiche Problem wie mit dem fehlenden Sex: Wenn wirklich beide einverstanden sind, dann kann man sich in einer Beziehung auf alles einigen. Aber auch da ist es so, dass der Wunsch meist mehr von einem ausgeht und der andere zwangsläufig mitmacht, weil er Angst hat, den Partner sonst ganz zu verlieren – und es sozusagen zähneknirschend aushält. Ich habe wenige Erfahrungen gemacht, dass das wirklich funktioniert.

"Die Lustlosigkeit kommt, wenn der emotionale Reiz fehlt"

Welche Gründe können hinter der Lustlosigkeit stecken?

Alexandra Hartmann: Es gibt sehr viele. Deshalb ist die Frage als solche auch schwer zu beantworten. Es ist sehr oft so, dass sie sich nach der Schwangerschaft und der Geburt des Kindes einschleicht. Ich denke, oft hat es etwas damit zu tun, dass sich die Leute in einer gewissen Flautezeit den Sex abgewöhnen. Und dann entstehen Verkrampfungen und Unsicherheiten, die die Paare nicht mehr überwinden können.

Spielen auch Verletzungen, die in der Beziehung stattgefunden haben, eine Rolle?

Alexandra Hartmann: Ja, wenn ich emotional, innerlich vom Partner abgerückt bin, dann macht das auch etwas mit meiner Lust. Selbst wenn die Themen vielleicht nicht mehr akut sind, können diese Verletzungen sehr nachhaltig sein.

Was gibt es noch?

Alexandra Hartmann: Krankheiten oder hormonelle Veränderungen zum Beispiel können ebenfalls Gründe sein. Und bei vielen Leuten kommt die Lustlosigkeit, wenn die anfängliche Verliebtheit einfach nicht mehr da ist und dieser emotionale Reiz fehlt.

Heißt das, es kann auch am Partner selbst liegen? Man liebt ihn zwar, findet ihn aber überhaupt nicht mehr attraktiv.

"Man fällt in den Brüderchen und Schwesterchen-Modus"

Alexandra Hartmann: Natürlich. Als Betroffener schämt man sich zwar, das auszusprechen, findet es peinlich und denkt: "Das sind ja eigentlich Äußerlichkeiten, denn ich liebe ihn doch." Aber ich denke, wir haben auch alle unsere ästhetischen Grenzen.

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Vieles verändert sich gerade bei Langzeitpaaren über die Zeit.

Alexandra Hartmann: Absolut. Ich arbeite mit einem Paar, bei dem der Mann sehr stark zugenommen hat und die Frau sagt: „Ich finde ihn einfach nicht mehr attraktiv.“ Neben dem Körperlich-Ästhetischen kommen da auch andere Dinge dazu: Man schwitzt stärker, man schnarcht. Das kann alles eine Rolle spielen.

Wenn der Partner also zehn oder zwanzig Kilo abnimmt…

Alexandra Hartmann: …dann wird es nicht unbedingt damit gegeben sein. So leicht, dass dann automatisch die Lust wieder da ist, ist es nämlich auch nicht.

FOCUS Online: Sondern?

Alexandra Hartmann: Da spielt auch noch eine Rolle, dass man sich voneinander entwöhnt hat und in einen anderen Beziehungsmodus fällt, in dem man sehr aneinander hängt. Ich nenne es oft den "Brüderchen und Schwesterchen-Modus". Das ist dann eine andere Form der Liebe, so, wie man Geschwister, Kinder oder Eltern liebt, wo der erotische Teil fehlt.

"Sexentzug wird weniger bewusst als Strafe eingesetzt"

Wenn die Gründe psychisch sind: Geht es manchmal eigentlich gar nicht um den Sex, sondern um andere Themen?

Alexandra Hartmann: Wenn Paare sich kennenlernen, bringen sie viele Erwartungen mit in die Beziehung. Die Erwartungen bleiben meistens unausgesprochen und werden nun mal nicht alle erfüllt. Und so entstehen emotionale Verletzungen: Die Frau zieht sich innerlich immer weiter vom Partner zurück und hat dann auch kein Bedürfnis nach Nähe mehr – was dann in vielen Beziehungen niemals angesprochen wird.

Sie arbeiten also damit, die Dinge, die unterschwellig passiert sind, aufzudecken.

Alexandra Hartmann: Ja, ich schaue dann: Ist eine Heilung möglich? Kann man dem anderen verzeihen? Kann man in Zukunft vielleicht einen anderen Umgang miteinander finden? Oft geht darum, dass die Leute von ihren großen Erwartungen Abstand nehmen müssen.

Kann es auch sein, dass verdeckte Machtkämpfe dahinterstecken können, wo es um Kontrolle geht?

Alexandra Hartmann: Natürlich. Sätze wie "Ich schlafe nicht mit dir, weil du nicht nett zu mir bist" oder "weil du mich anschreist" fallen sehr oft. Wobei ich immer der Meinung bin, dass es weniger so ist, dass Sexentzug bewusst als Strafe eingesetzt wird, sondern dass eine Lustlosigkeit dahintersteckt, die aus der Verletzung entstanden ist. Meistens ist es ein unbewusster Prozess.

Alexandra Hartmann ist studierte Psychologin und ausgebildete systemische Therapeutin. Sie besitzt langjährige Erfahrung in der Paarberatung und Therapie von Menschen in schwierigen emotionalen Situationen und hat die beiden Bücher veröffentlicht: "Gut beenden. Erfolgreich suchen. Neu lieben." ist 2015 im Orlanda Verlag erschienen, 2017 folgte "Meine Bedürfnisse, Deine Bedürfnisse" im Klett-Cotta Verlag.

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