Was kann man gegen Vaterkomplex tun?

Vaterkomplex - da denken wir meistens an Frauen, die einen deutlich älteren Partner haben. Dabei hat der Begriff nicht immer etwas mit einem Altersunterschied zu tun. Eine Psychologin erklärt im COSMO-Interview, was es mit dem Vaterkomplex auf sich hat.

Daddys Liebling? Hat der Vater die Tochter als Kind wie eine Prinzessin behandelt, kann daraus ein Vaterkomplex entstehen Foto: iStock/Claudiad

"Die hat doch einen Vaterkomplex!" - hast du dich das auch schon mal sagen hören? Meistens kommt das bei der Kombination aus "jüngere Frau liebt älteren Mann" vor. Oder, wenn wir unseren Hang zu miesen Männern rechtfertigen wollen. Nach dem Motto: "Klar, dass ich mir immer die Falschen aussuche, ich habe ja auch einen Vaterkomplex!"

Sorry, ganz so einfach ist die Sache dann doch nicht, denn ein Vaterkomplex lässt sich weder pauschal am Altersunterschied, noch an unserem Männer-Muster festmachen. Fest steht allerdings: Unsere Eltern beeinflusst uns im späteren Leben und ein Vaterkomplex kann durch bestimmte väterliche Verhaltensweisen entstehen.

Vaterkomplex: Was ist das?

Den Begriff Vaterkomplex gibt es schon seit 1913. Der Psychoanalytiker Carl Gustav Jung führte ihn in seiner Schrift "Versuch einer Darstellung der psychoanalytischen Theorie" ein, bezeichnet ihn da als "Elektrakomplex". Jung beschreibt den Vaterkomplex als eine u?berstarke Bindung einer weiblichen Person an den Vater bei gleichzeitiger Feindseligkeit gegenu?ber der Mutter. Dabei kann die Beziehung zum Vater besonders eng und verbunden sein oder aber distanziert und konfliktreich. Ein abwesender Vater kann ebenso einen Vaterkomplex auslösen. In der heutigen Zeit beschreibt der Vaterkomplex nicht zwangsweise eine Abneigung gegenüber der Mutter. Das Verhältnis kann durchaus positiv sein.

Vaterkomplex: Ursachen, Folgen & Hilfe

Ein Vaterkomplex kann pathologisch sein. Dann spricht man in der Psychologie von einer Bindungsstörung. Generell sind die Gründe für einen Vaterkomplex vielschichtig und die Ursache liegt meistens in der Vater-Tochter-Beziehung der Kindheit und Jugend. Welche Mechanismen hinter dem Vaterkomplex stecken und wann er für Frauen zum Problem werden könnte, erfährst du in unserem COSMO-Interview mit Tatiana Schildt aus Hamburg. Sie ist Diplom-Volkswirtin sowie Systemische Paar- und Familientherapeutin und berät in ihrem Coaching & Consulting Institute sowohl Unternehmen als auch Einzelpersonen, Paare und Familien.

COSMO hat mit Psychotherapeutin Tatiana Schildt über den Vaterkomplex gesprochen Foto: privat

Frau Schildt, wenn wir an den Vaterkomplex denken, kommt uns meist die Kombination eines älteren Mannes mit einer ju?ngeren Frau in den Sinn.

Ja, die Kombination gibt es. Die ju?ngere Frau, die sich nach einem Vaterersatz sehnt, sucht vielleicht nach Treue, Sicherheit, Erfahrung und Geborgenheit, oftmals auch nach geistigem Austausch. Aber es muss sich natürlich nicht zwangsweise um einen Vaterkomplex handeln. Und Frauen, die einen gleichaltrigen Mann haben, können ebenso einen Vaterkomplex haben. Ein Vaterkomplex hängt ganz von der früheren Beziehung zum männlichen Elternteil ab.

Und was sagt es über den älteren Mann aus, der mit einer jüngeren Frau zusammen ist? Kann man da von einem Mutterkomplex sprechen?

Ja. Während man bei den Töchtern vom Vaterkomplex spricht, kann bei Söhnen aufgrund der Mutter-Sohn-Beziehung ein Mutterkomplex enstehen. Dieser kann sich auf unterschiedliche Art und Weise äußern: Er will den Beschu?tzer spielen und ewige Jugend und Potenz demonstrieren. Oder er hat Angst vor starken Frauen, die sich auf Augenhöhe befinden und umgibt sich deshalb mit jungen, unerfahrenen Frauen.

Zurück zum Vaterkomplex: Wie kann der überhaupt entstehen?

Der Vaterkomplex entsteht durch die meist unbewusste Bindungs- und Beziehungsgestaltung des Vaters zur Tochter. Ein Vaterkomplex kann individuelle Ausprägungen haben, je nachdem, wie die Beziehung erlebt wurde: Sicher gebunden, unsicher gebunden oder ambivalent gebunden. Hat der Vater seine Tochter immer auf Händen getragen und ihr jeden Wunsch erfu?llt? War er abwesend und sie musste ihn sehnsu?chtig vermissen? Oder war er dominant und leistungsorientiert und sie bekam nur die Anerkennung ihrer erbrachten Leistungen? In der Pubertät wird die Tochter-Vater-Beziehung vor eine weitere Herausforderung gestellt: Mit der Entwicklung der eigenen Weiblichkeit steht die Tochter stärker in Konkurrenz mit der Mutter und der Vater in Rivalität mit den ersten Partnern seiner Tochter.

Welche Folgen kann ein Vaterkomplex noch im Erwachsenenalter haben?

War die Beziehung zum Vater beispielsweise weniger gut, konfliktreich oder von einem narzisstischen Vater geprägt, ist es möglich, dass eine Frau sich auch zu Männern hingezogen fu?hlt, die sie abwerten und schlecht behandeln. Die Tochter fühlt sich im Zweifel später zu Männern hingezogen, die sich ähnlich verhalten wie ihr Vater.

Väter spielen also schon sehr früh eine sehr starke Rolle im Leben einer Tochter?

Absolut. Väter sind der erste Mann und die erste große Liebe im Leben einer Tochter. Sie sind prägend fu?r die Persönlichkeitsentwicklung und auch das Männerbild einer Frau. Im besten Fall sind sie Vorbilder, Beschu?tzer und Ratgeber. Dennoch birgt das Phänomen, Papas "kleine Prinzessin" zu sein die Gefahr, einen Vaterkomplex zu entwickeln. Sollte die Abnabelung zu den Eltern nicht ausreichend stattfinden können und der sogenannte Individuationsprozess in der eigenen Selbstfindung behindert sein, kann auch das Folgen fu?r die Selbstbehauptung in einer Partnerschaft im Erwachsenenalter haben.

Das heißt, die Tochter kann sich später nur schwer emanzipieren?

Genau. Das kann auch der Fall sein, wenn der Vater eher dominant war. Aber auch eine enge Vater-Tochter-Beziehung kann Folgen fu?r das spätere Leben haben. Durch die zu starke Bewunderung der Tochter, könnte diese später Schwierigkeiten in der Partnersuche bekommen – da keiner so gut ist wie Papi. Die Erwartung an den Partner nach ständiger Aufmerksamkeit und Anerkennung können schnell zum Problem werden. Wenn der Partner diesen Anspru?chen dann nicht gerecht wird, wird die Beziehung oft beendet.

Ein Vater, dessen Anspru?chen die Tochter nicht gerecht wurde, kann ebenso großen Folgen mit sich bringen. Das ständige Streben nach Perfektion, Leistung und Anerkennung, verbunden mit dem "Gefu?hl nie genug zu sein", kann im späteren Leben der Frau mit einer permanenten Selbstu?berforderung einher gehen.

Okay, wir haben nun also den Fall "Papas Prinzessin", einen dominanten Vater, eine zu enge Vater-Tochter-Bindung und einen Vater, der zu viel fordert. Welche Verhaltensweisen des Vaters können die Tochter noch nachhaltig prägen?

Es gibt auch noch das Phänomen des Vaters, der sich lieber einen männlichen Nachwuchs gewu?nscht hätte. Hat die Tochter in der Kindheit dann zu wenig Zuneigung und Liebe von ihrem Vater erhalten, ist das ebenso prägend wie das Gegenteil - und kann dazu fu?hren, dass sich die Frau im späteren Leben immer wieder Partner sucht, die ihre Liebe nicht erwidern.

Dann gibt es noch das Szenario eines abwesenden Vaters. Das Vater-Vorbild bleibt aus und das männliche Prinzip kann nicht genu?gend integriert werden. Wenn die feste väterliche Konstante fehlt oder nicht ausreichend vorhanden war z.B. bei einem viel reisenden Vater, hat die Tochter schon fru?h lernen mu?ssen, alleine zurechtzukommen oder Verlassenheitsängste und Einsamkeitsgefu?hle entwickelt. Die Ängste können dann ebenso in einer festen Partnerschaft wieder auftauchen und sehr belastend wirken.

Aufgrund seiner eigenen Verhaltensweisen kann man dann ja feststellen, ob man einen Vaterkomplex hat, oder?

Genau, dazu braucht es aber Bewusstsein und Reflexion. Meist erkennen wir erst im Erwachsenenalter in Beziehungen, die nicht oder nicht mehr erfu?llend erlebt werden, ein Muster, das auf einen Vaterkomplex hindeutet. Auch wenn wir zu lange in einer ungesunden Partnerschaft bleiben, kann dies ein Hinweis sein. Nicht gelebte Sehnsu?chte und Wu?nsche können ein Ausdruck sein, genauso wie ein unstillbares Gefu?hl, in der Partnerschaft nicht emotional satt zu werden.

Und auch das schon erwähnte Gegenteil: Der Partner ist nie gut genug und wird permanent kritisiert – auch das kann einen Hinweis geben. Dann macht es durchaus Sinn, sich dem Thema zu widmen und unerwu?nschte Verhaltensweisen und Emotionen zu verändern. Allerdings möchte ich betonen, dass ein Vaterkomplex die spätere Beziehung einer Frau zu Männern schwieriger gestalten kann - aber es trotzdem möglich ist, eine stabile und erfu?llte Partnerschaft zu leben.

Wenn man nun feststellt, dass man einen Vaterkomplex hat und daran arbeiten möchte - was kann man tun?

Mithilfe einer Therapie können die inneren unbewussten Wu?nsche und unerfu?llten Bedu?rfnisse an den Vater aufgespu?rt werden und neu integriert werden. Sich selbst zu geben, was man vermisst hat, ist die Herausforderung und Lösung zugleich. Akzeptanz ist wichtig, genauso wie nicht weiter im Außen zu suchen oder zu erwarten, dass der Partner die unerfüllten Wünsche ausfüllt, etwa die Vaterrolle, ist eine Chance, den alten Schmerz zu lösen und selbstwirksam sein eigenes Glu?ck zu gestalten. Dies gelingt meist leichter mit einer therapeutischen Begleitung und ist ein Prozess.

Vielen Dank für das Interview!

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Was kann man gegen einen Vaterkomplex tun?

Damit Du einen Vaterkomplex abbauen kannst, musst Du Dich zunächst von Deiner Vergangenheit und den damit verbundenen unerfüllten kindlichen Wünschen Deinem Vater gegenüber lösen und damit die Vergangenheit ruhen lassen.

Warum hat man einen Vaterkomplex?

Eine Art Vaterkomplex entsteht durch die fehlende Bindung eines Vaters an die Kinder. Das Problem liegt eigentlich bei den Vätern und nicht bei den Kindern. Doch wie bei so vielen Themen wird hier der Frau eine Art "Schuld" und "Opferrolle" zugewiesen.

Ist ein Vaterkomplex schlimm?

Problematisch wird der Vaterkomplex dann, wenn eine Frau auf Konflikte übertrieben emotional reagiert. Für sie ist dies eine schmerzliche Erinnerung an ihre Kindheit. Das fühlt sich gleich doppelt so schlimm an.

Was wollen Frauen mit Vaterkomplex?

Frauen mit einem Vaterkomplex wird oft nachgesagt, dass sie ihren neuen Partner unbewusst in der Hoffnung aussuchen, dass er unerfüllte Sehnsüchte nach Liebe, Anerkennung und Geborgenheit aus einer schwierigen Vater-Tochter-Beziehung ausgleicht.

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