Als der Schmerz sie zum ersten Mal aus dem Schlaf riss, war Stefanie Engelmann (Name von der Red. geändert) gerade im fünften Monat schwanger. "Wenn ich auf der linken Seite lag, stach und brannte es in der Schambeingegend", erinnert sich die 28-Jährige. Zunächst half einfaches Umdrehen. "Aber irgendwann war der Schmerz auf beiden Seiten", sagt sie. Im Fünf-Minuten-Takt wälzte sich die Berlinerin von Seite zu Seite, bekam kaum ein Auge zu. Auch tagsüber konnte sie sich immer schlechter bewegen: Treppensteigen und längeres Gehen wurden zur Qual, selbst das Sitzen schmerzte. Show
Schwangerschaft: Beckengürtel lockert sichIhr Frauenarzt fand den Grund für die Schmerzen schnell: eine übermäßige Lockerung der Symphyse, also der winzigen, bandscheibenartigen Verbindung zwischen den beiden Beckenhälften (siehe Grafik unten). Dass sich während der Schwangerschaft der gesamte Beckengürtel lockert, ist normal.
Zu locker: Die Iliosakralfugen und die Symphyse halten die Beckenhälften zusammen. In der Schwangerschaft weiten sich diese Verbindungen. Ist die Lockerung zu stark, bereitet das heftige Schmerzen (zum Vergrößern der Grafik auf Lupe klicken) © W&B/Dr. Ulrike Möhle
Ulla Henscher führt eine Praxis für Physiotherapie in Hannover und ist auf Funktionsstörungen im Becken spezialisiert © W&B/Privat Der Körper stellt sich auf die Geburt ein und schüttet das Hormon Relaxin aus. Es wirkt auf alle Bänder im Becken und sorgt für Elastizität – insbesondere im Bereich der Symphyse. Das ist eine Knorpelverbindung vorne zwischen den beiden Beckenhälften, die auch Schambeinfuge genannt wird. Während der Schwangerschaft weitet sie sich durch den Hormoneinfluss. Gleiches gilt für die winzigen Fugen in den sogenannten Iliosakralgelenken zwischen Darm- und Kreuzbein. "Schmerzhaft wird es, wenn die Stabilität des Beckens nicht mehr gegeben ist, die Beckenhälften also gewissermaßen zu viel Spiel haben, die Symphyse gedehnt wird und eine Reizung entsteht", sagt Doris Scharrel, die Frauenärztin in Kronshagen ist. Vielen Schwangeren schmerzt das BeckenSchmerzen spüren bei diesem natürlichen Lockerungsprozess laut Studien bis zu 50 Prozent der Schwangeren. Weil der gesamte Beckengürtel betroffen ist, können die Beschwerden sowohl vorne am Schambein als auch im Rücken entstehen und bis in die Beine ziehen. "Bei mir fing es vorne an und wanderte dann nach hinten", erzählt Stefanie Engelmann. "Irgendwann fühlte ich mich wie eine Mischung aus Quasimodo und Pinguin."
Dr. med. Doris Scharrel ist Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe. Sie hat ihre Praxis in Kronshagen © W&B/Privat So gravierend wie bei der Berlinerin sind die Schmerzen aber selten: Studien zufolge leiden zwischen zwei und fünf Prozent der Schwangeren so stark wie sie. "Nicht alle haben das volle Programm", meint auch Ulla Henscher. Die Physiotherapeutin aus Hannover sagt zudem, dass Schmerzen manchmal auch erst nach der Geburt auftreten. Etwa, wenn Frauen ein sehr großes Kind zur Welt bringen und sich die Symphyse dabei zu stark dehnt. Auch eine Geburt in Rückenlage gilt als belastend – anders als etwa im Vierfüßlerstand. Lockere Symphyse: RisikofaktorenLediglich einige Risikofaktoren gelten für Schwangere als belegt: frühere Rückenprobleme, Verletzungen der Hüfte und arthritische Gelenksentzündungen. Zu möglichen anderen Faktoren wie zum Beispiel Rauchen, körperlich harter Arbeit, Übergewicht oder der Gewichtszunahme während der Schwangerschaft kommen Studien hingegen zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen. "Oft wiederholen sich die Probleme in der Folgeschwangerschaft, treten oft sogar schneller und heftiger auf", sagt Doris Scharrel. Die Gynäkologin hält auch die Fitness der Frauen für einen wichtigen Faktor und rät vor und während der Schwangerschaft zu regelmäßigem Sport. Zudem warnt sie davor, zu schnell und zu viel an Gewicht zuzulegen – besonders dann, wenn Frauen vor oder nach einer Geburt schon einmal Probleme im Beckenbereich hatten.
Sport könnte Hüftschmerzen vorbeugenBelegt ist der schützende Effekt von Bewegung nicht. "Aber dass Sport die Durchblutung fördert, sich oft positiv auf das Bindegewebe auswirkt und Muskeln den Körper stabilisieren, weiß man", sagt Physiotherapeutin Henscher. Für sie ist Stabilisation ein "großes Thema" und für Frauen, die bereits unter Schmerzen leiden, auch eine Möglichkeit der Therapie. Helfen könnten zum Beispiel Übungen, mit denen sich die Beckenboden-, Gesäß- und Rumpfmuskulatur auch zu Hause stärken lässt. Henscher und Scharrel raten auch dazu, Schwimmen, (Wasser-)Gymnastik oder eine individuelle Physiotherapie auszuprobieren. "Stabilisierend und oft schmerzlindernd können auch Beckengürtel sein", sagt Frauenärztin Scharrel. Ebenso kann Akupunktur positiv wirken. Bei Schmerzen bestimmte Bewegungen vermeidenWorauf Frauen außerdem achten sollten: "Bestimmte Dinge vermeiden", betont Ulla Henscher. Zwickt es in der Symphysengegend, sind häufiges Treppensteigen und schweres Heben schlecht. Unterlassen sollten Frauen dann auch Spreiz- und Scherbewegungen. Der Schneidersitz und große Schritte sind also tabu. Um die Symphyse zu entlasten, legen Schwangere beim Schlafen einfach ein Stillkissen zwischen die Beine. Stefanie Engelmann vermied nicht nur das Schleppen des Wocheneinkaufs – sie stellte anfangs auf totale Schonung um. "Ein Fehler", meint sie. "Es ist eine Spirale: Wegen der Schmerzen macht man weniger, wodurch die Schmerzen noch schlimmer werden und man noch weniger macht." Und zu den körperlichen Problemen kamen mit der Zeit psychische: "Ich hatte Angst, dass bei der Geburt die Symphyse und das Becken reißen und ich wochenlang ausfalle", sagt die junge Mutter. Nach der Geburt: Rückbildung dauert etwasHorrorgeschichten gab es im Internet schließlich genug. Frauenärztin Scharrel hält diese aber für Humbug: "Das kann bei einer natürlichen Geburt nicht passieren", sagt sie. In jedem Fall aber vergehe eine längere Zeit, bis die Frauen wieder beschwerdefrei seien: "Es dauert locker ein halbes Jahr, bis sich allein das Bindegewebe wieder zurückgebildet hat." Die Geburt verlief bei Stefanie Engelmann schließlich problemlos, und auch die Symphysenschmerzen waren schnell besser. "Aber auch eineinhalb Jahre nach der Entbindung zwickt es manchmal noch." Schwangerschaft: Übungen für das Becken
© W&B/Sabine Duerichen Zwickt die Symphyse, können diese Übungen helfen. Am besten jeden Tag drei Durchgänge machen. 1. Füße etwas über hüftbreit stellen, Knie leicht beugen. Ein Fitnessband (aus dem Sportgeschäft) um die Knie spannen, eins mit den Händen halten. Beim Ausatmen Beckenboden und untere Bauchmuskulatur anspannen, die Fußaußenkanten in den Boden drücken. Mit den Händen das Band ein wenig nach außen spannen. Wieder lösen. 6-mal
© W&B/Sabine Duerichen 2. Auf den Rücken legen, Beine etwa im rechten Winkel und hüftbreit anstellen. Mit der Ausatmung den Beckenboden und die untere Bauchmuskulatur anspannen. Dann die Füße in den Boden drücken, bis das Becken leicht abhebt (wichtig: nicht ins Hohlkreuz gehen!). Die Spannung über mehrere Atemzüge halten. Wieder lösen. 6-mal
© W&B/Sabine Duerichen 3. In den Vierfüßlerstand gehen und die Wirbelsäule natürlich geschwungen halten (nicht durchstrecken oder durchhängen lassen). Knie und Füße hüftbreit und die Hände schulterbreit aufstellen. Mit dem Ausatmen den Beckenboden und
die untere Bauchmuskulatur anspannen. Nun die Hände und Knie fest in die Unterlage drücken. Ist es schlimm wenn man in der SS auf der rechten Seite schläft?Während der Schwangerschaft sollten Sie nicht auf dem Rücken liegen, da dies zum Vene-Cava-Syndrom führen kann. Auch die Seitenlage rechts ist nicht empfehlenswert - diese kann vermehrt Sodbrennen auslösen.
Wie lange darf man in der Schwangerschaft auf der rechten Seite Schlafen?Demnach haben Frauen, die während der Schwangerschaft auf der linken Seite schlafen, ein geringeres Risiko vor einer Totgeburt nach der 28. Schwangerschaftswoche. Experten empfehlen deshalb, lieber auf der linken als auf der rechten Seite zu schlafen.
Wie merkt man eine Symphysenlockerung?Woran Sie eine Symphysenlockerung erkennen können. Schmerzen am Schambein, an der Hüfte oder in der Lendengegend.. Schmerzen beim Treppensteigen.. Eingeschränkte Gehfähigkeit (kurze Schritte und „Watschelgang“). Eine Verschlimmerung der Schmerzen beim Umdrehen im Liegen.. Warum soll man sich nicht strecken in der Schwangerschaft?Es ist zwar ein Ammenmärchen, dass sich beim (Über-)Strecken des Körpers die Nabelschnur des Babys um den Hals wickeln kann. Wer allerdings meint, hochschwanger Kletterpartien absolvieren zu müssen, gefährdet sich und das Baby.
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