Rilke Ich fürchte mich so vor der Menschen Wort Analyse

4.2. Inhaltlicher Vergleich von ‚, Wünschelrute‘‘und ‚,Ich fürchte mich so vor der Menschen Wort’’ …………………………………………………… .9

5. Fazit …………………………………………………………………………………11

6. Literaturverzeichnis …………………………………………………………………13

7. Selbstständigkeitserklärung …………………………………………………………14

1. Einleitung

Im Rahmen dieser Seminararbeit werde ich mich mit dem Gedicht ‚Ich fürchte mich so vor der Menschen Wort’ von Rainer Maria Rilke auseinandersetzen, das 1899 in dem Gedichtband ‚Mir zur Feier’ erschien. Ableitend von dem Titel des Gedichts handelt es von der Angst des lyrischen Ichs vor der Sprache des Menschen, wobei die Mangelhaftigkeit der Sprache und der damalige Sprachgebrauch kritisiert werden.

Der Schwerpunkt meiner Arbeit liegt auf der Analyse und Interpretation des Gedichts im Hinblick auf den Inhalt sowie die Besonderheiten des Aufbaus und der Sprache. Diesbezüglich werde ich mich in dem ersten Teil der Arbeit mit dem Inhalt, dem Aufbau sowie der Sprache des Gedichts beschäftigen.

Darauf aufbauend werde ich in dem zweiten Teil meiner Arbeit das Gedicht angesichts der sprachlichen Besonderheiten sowie der Autorenaussagen aus dem 19. und 20.Jahrhundert über die Sprache und die Wahrheit interpretieren und in gewissen Aspekten einen Vergleich zwischen der Kernaussage des Gedichts und diesen Autorenaussagen durchführen.

Schließlich werde ich das Gedicht mit einem anderen Gedicht, nämlich Eichendorffs Wünschelrute, aus dem gleichen Jahrhundert beruhend auf ihre Kernaussagen vergleichen.

Ganz zum Schluss wird eine Übersicht der durchgeführten Analyse dargelegt.

Die leitende Fragestellung der gesamten Arbeit ist, ob die von den Menschen geschaffene Sprache in der Lage ist oder dafür geeignet ist, die Wirklichkeit beziehungsweise die Welt zu beschreiben oder eher dazu tendiert, die Welt in konkrete, abgrenzende Rahmen zu setzen.

2. Ich fürchte mich so vor der Menschen Wort

1 Ich fürchte mich so vor der Menschen Wort.

2 Sie sprechen alles so deutlich aus:

3 Und dieses heißt Hund und jenes heißt Haus,

4 und hier ist Beginn, und das Ende ist dort.

5 Mich bangt auch ihr Sinn, ihr Spiel mit dem Spott,

6 sie wissen alles, was wird und war;

7 kein Berg ist ihnen mehr wunderbar;

8 ihr Garten und Gut grenzt grade an Gott.

9 Ich will immer warnen und wehren: Bleibt fern.

10 Die Dinge singen hör ich so gern.

11 Ihr rührt sie an: si.....[Volltext lesen]

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Stattdessen wird eine Mischung erzeugt, die am ehesten an eine Jambus-Anapäst-Kombination erinnert. Obwohl es kein regelmäßiges Versmaß gibt, wird der Lesefluss nicht unterbrochen, wobei die vier Hebungen je Vers und die Übereinstimmung von Satz- und Versende eine bedeutende Rolle spielen.

3.4. Interpretation des Gedichts

In dem Vordergrund des Gedichts steht die Angst des lyrischen Ichs davor, dass die Menschen durch das, was sie sagen, die Dinge zerstören. Diese Angst wird bereits in der Überschrift angesprochen, die sich im ersten Vers wiederholt. Dadurch wird die Aussage unterstrichen, die im Verlauf des Gedichts vertieft und begründet wird.

Das genaue Benennen und das ‚,deutlich[e]‘‘(Vers 2) Aussprechen aller Gegenstände beunruhigt das lyrische Ich. Es schafft eine provozierende Nachahmung dieser Mattierungseffekt der Sprache durch den Parallelismus der Verse 3 und 4, durch die mehrmalige Wiederholung der einfachsten Konjunktion ‚und‘ (Verse 3/4) sowie durch den Alliterationen ‚heißt Hund‘(Vers 3) und ‚heißt Haus‘(Vers 4).

Die durch aufeinanderfolgende, ähnliche Satzstrukturen dargestellte Monotonie wird mittels der Anapher in den Versen 3 und 4 nochmals betont. Die beiden Verse beginnen mit dem gleichen Wort, nämlich mit der einfachsten Konjunktion ‚, und‘‘.

Ferner werden die unkomplizierten, einsilbigen, im Alltag häufig gebrauchten Wörter wie zum Beispiel ‚Haus‘ oder ‚Hund‘ relativ viel verwendet. Hieraus wird der Eindruck der Eintönigkeit hinterlassen und die von dem lyrischen Ich empfundene Eingeschränktheit in der Art und Weise des deutlichen Aussprechens hervorgehoben. Niemand neigt dazu, die Dinge zu hinterfragen, ‚, dieses […] und jenes […]‘‘(Vers 3) hat seinen festen Namen und seinen bestimmten Zweck.

Damit begnügen sich die Menschen, mehr wollen sie gar nicht wissen. Aber wie Maurice Maeterlinck in Worte fasste:

‚,Sobald wir etwas aussprechen, entwerten wir es seltsam. Wir glauben, in die Tiefe der Abgründe hinabgetaucht zu sein, und wenn wir wieder an die Oberfläche kommen, gleicht der Wassertropfen an unseren bleichen Fingerspitzen nicht mehr dem Meere, dem er entstammt. […]‘‘3

Menschen haben das Potenzial und Bedürfnis sich mitzuteilen. Dieser Austauschwille entwickelt sich zu einer Gewohnheit, die dazu führt bestimmte Dinge mit Namen oder Begriffen bewusst zu verbinden. Die dadurch entstandene Sprache scheint aber viel zu objektiv zu sein im Vergleich zu den Ereignissen selbst, die Menschen mit den Worten zu beschreiben versuchen. Die für ein Ereignis zugeschriebene, allgemein geltende Worte oder Begriffe können unsere subjektive Wahrnehmung nicht wiederspiegeln.

Sie ‚,gleich[en][ ]‘‘4 nicht mehr an unserer Wahrnehmung , der sie ‚,entstamm[en][ ]‘‘5 und man kann dann mit Worten nicht genau ausdrücken, was man eigentlich erfährt oder fühlt. Beispielsweise egal wie viele Wörter wir für unterschiedliche Farben haben, können diese Wörter keinesfalls dafür ausreichen, dass eine Blinde es ausdrückt, was sie von Farben hält und was für eine Vorstellung von Farben sie hat.

Oder umgekehrt, wir würden niemals wirklich in der Lage sein, mit der von uns erschaffenen Sprache einem Blinde zu beschreiben, was Farbe ist oder wie wir unterschiedliche Farben wahrnehmen.

Genauso wie bei der generalisierten Namen- beziehungsweise Begriffsverteilung, legen die Menschen auch alles andere ganz genau fest. Sie beurteilen sogar Ereignisse mit konkreten Maßstäben wie den ‚,Beginn‘‘ und das ‚,Ende‘‘(Vers 4), was durch den Chiasmus ‚,hier ist Beginn und das Ende ist dort‘‘ (Vers 4) betont wird.

Am Beginn jeder Strophe betrachtet man die Personalpronomen ‚,Ich‘‘(Verse 1/9/10) und ‚,Mich‘‘(Vers 4), mit denen das lyrische Ich seine Empfindungen offenbart.

Weiterhin sind am Beginn der ersten und zweiten Strophe die Verben ‚,fürchten‘‘(Vers 1) und ‚,bangen‘‘(Vers 5) auffallend, die die Angst des lyrischen Ichs ausdrücken. Im Verlauf der ersten und zweiten Strophe sind aber die Personalpronomen und Possesiv-artikel beziehungsweise -pronomen bemerkenswert, die in der 3.Person Plural auftreten. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass das lyrische Ich die Menschen auf Abstand hält und sich von den anderen Mens.....

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Diese wesentlichen Aspekte anschaulich auf den Punkt bringend schrieb Otto Betz:

‚,das schnellere Wort, […] die hurtig sich einstellenden Wortkaskaden helfen uns nicht weiter, sie verdecken sogar die wahre Melodie, die erst gehört werden kann, wenn das eigene Geräuschemachen eingestellt wird.

Es gibt Worte, die festlegen, die sich als zentnerschwere Urteile so gewichtig machen, dass man das leise Rauschen der ‚Ding-Sprache‘ nicht mehr in sich aufnehmen kann.‘‘7

Nach Betz soll erst ‚,das eigene Geräuschemachen‘‘8 , gemeint hier ist die menschliche Sprache, revidiert werden, damit die durch diesen gefährlichen Gebrauch der Sprache entstandene Oberflächlichkeit vermieden wird und das eigentlich von den Dingen selbst Mitgeteilte verstanden wird.

Zurückkommend auf die dritte Strophe, die ausgedrückte Stummheit der Dinge wird von dem lyrischen Ich mit dem Tod gleichgesetzt. Menschen bringen ihm alle Dinge um, indem sie sie anrühren, so wie auch Robert Musil metaphorisch ausdrückt: ‚,Genauigkeit, Richtigkeit töten; was sich definieren lässt, Begriff ist, ist tot, Versteinerung, Skelett.‘‘9

Die Klage dabei ist, dass die Menschen die Dinge oberflächlich betrachten und mit festen Begriffen die Lebendigkeit der Dinge abschattieren. Die Dinge stehen für unsere subjektive Wahrnehmung nicht mehr zur Verfügung, sondern werden konkretisiert, was als zugrundeliegende Ursache für die Stummheit der Dinge bezeichnet werden kann, die in dem Vers 11 von dem lyrischen Ich beschrieben wird.

An den gleichen Aspekt weist auch Nietzsche hin, indem er meint,

‚,[…] ihr Auge gleitet nur auf der Oberfläche der Dinge herum und sieht ,Formen‘ , ihre Empfindung rührt nirgends in die Wahrheit, sondern begnügt sich Reize zu empfangen und gleichsam ein tastendes Spiel auf dem Rücken der Dinge zu spielen.‘‘ 10

Nicht alle Eigenschaften von den Dingen werden in Betracht genommen und mit der dafür festgelegten ‚,Menschen Wort‘‘ wiedergegeben, was letztendlich zu einer Oberflächlichkeit führt. Die sich in den Dingen befindende Wahrheit wird durch die von den Menschen ‚,deutlich‘‘(Vers 2) ausgesprochene Worte abgedeckt oder abgegrenzt.

Beispielsweise das Wort ‚,Herbst‘‘ ist nicht in der Lage, alles auszudrücken, was diese Jahreszeit uns anbietet, .....

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4. Vergleich mit Joseph von Eichendorffs ‚,Wünschelrute‘‘

4.1. Wünschelrute

1 Schläft ein Lied in allen Dingen,

2 Die da träumen fort und fort,

3 Und die Welt hebt an zu singen,

4 Triffst du nur das Zauberwort.

4.2. Inhaltlicher Vergleich von ‚, Wünschelrute‘‘ und ‚,Ich fürchte mich so vor der Menschen Wort’’

Die Aussage des Gedichtes spiegelt sich in Eichendorffs ‚,Wünschelrute‘‘ insoweit wider, dass die Dinge zwar nicht singen, jedoch aber ein Lied in sich enthalten, mit dem Gedichte beziehungsweise Poesie gemeint sein könnte. In den Dingen befindet sich etwas, was nicht durch bloße, feste Worte zum Ausdruck gebracht werden kann. Zu dessen Äußerung dient die Poesie.

Vom Lied wird in ‚,Wünschelrute‘‘ gesagt, dass es ‚,schläft‘‘. Schlafen ist ein vorläufiger Zustand von einem Wesen, das lebt. Dem ‚,Lied‘‘ soll durch das Verb ‚,schlafen‘‘ bestimmte Eigenschaften zugeschrieben werden. Ein Lied ist mithin lebendig, nicht aus Fleisch und Blut bestehend, aber es präsentiert eine geistige Lebendigkeit, die geweckt werden kann oder von selbst aufwacht.

Ebenso in ‚,Ich fürchte mich so vor der Menschen Wort‘‘ wird das Lebhafte an den Dingen durch ihren Gesang deutlich gemacht: ‚,Die Dinge singen hör ich so gern‘‘(Vers 10).

Darüber hinaus verbindet sich der Schlaf des Liedes in dem dritten Vers von Wünschelrute mit dem träumenden Ding. Normalerweise ist der Schlaf die Voraussetzung für das Träumen. Darauf beruhend stehen die beiden in einem engen Verhältnis zueinander. Metaphorisch ausgedrückt können die Dinge ‚,träumen‘‘(Vers 2), was damit interpretiert werden könnte, dass Kreativität in den Dingen .....

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Zusammenfassend scheint es nach ,,Wünschelrute‘‘ möglich, die Dinge zu beschreiben, vor allem durch Poesie, obwohl sie so geheimnisvoll sind. Die Aussage ist also nicht, wie bei ‚,Ich fürchte mich so vor der Menschen Wort‘‘ , dass man sich von der Sprache distanzieren und sie kritisch hinterfragen soll, sondern eher die Sprache in Form von Poesie benutzen soll, um das in den Dingen liegende, große Potenzial aufzudecken.

5. Fazit

Zusammenfassend lässt es sich sagen, dass in Rilkes ‚,Ich fürchte mich so vor der Menschen Wort‘‘ die Angst vor dem Gebrauch der menschlichen Sprache geäußert wird, wobei das genaue Benennen aller Dinge sowie die durch die Sprachverwendung entstandene Eintönigkeit und Eingeschränktheit zu den Gegenstände der Kritik werden.

Appelliert wird, anstatt die Dinge nach ihren materiellen Werten sowie ihrer Zweckmäßigkeit zu beurteilen und sie mit festen sprachlichen Begrifflichkeiten zu assoziieren, sollen die Menschen die Dinge selbst ‚,singen‘‘ lassen und auch versuchen dem schönen Klang der Dinge zu hören, sodass eine oberflächliche Ausdrucksweise der Dinge vermieden wird.

Was bei diesem Gedicht bemerkbar wird, wie diese Arbeit auch gezeigt hat, ist dass Rilke die menschliche Sprache satirisch in Frage stellt, so wie es auch viele andere Autoren im Laufe der Jahrhundertwende machten. Generell wird in diesem Zeitraum, nämlich während der Sprachkrise des 20.Jahrhunderts, kritisch mit der Sprache auseinandergesetzt. In dieser Phase besonders intensiv erlebt und zum Ausdruck gebracht, wurde die Brüchigkeit der Beziehungen zwischen sprachlichen Zeichen und dem, was sie bezeichnen sollen, zwischen Sprache und Welt, Subjekt und Objekt.

Damit sieht die Literatur also ein Problem der eigenen Mittel, nämlich ein Problem der Sprache.

Aus meiner vorliegenden Untersuchung ist das Fazit zu ziehen, dass durch die Sprache die Realität nicht abgebildet wird, vielmehr werden die Erfahrungen mittels Sprache zufällig benannt und durch die von den Menschen festgelegten sprachlichen Regelungen in eine fes.....

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Hiermit erkläre ich, , dass ich die vorliegende Seminararbeit selbstständig und ohne Benutzung anderer als der angegebenen Quellen und Hilfsmittel angefertigt habe. Die vorliegende Arbeit ist frei von Plagiaten. Alle Ausführungen, die wörtlich oder inhaltlich aus anderen Schriften entnommen sind, habe ich als solche kenntlich gemacht. Diese Arbeit wurde in gleicher oder ähnlicher Form noch bei keiner anderen Universität als Prüfungsleistung eingereicht.

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