Florian schmitd wer sagt dass bauen ist ideologe

Dobler wurde wegen eines Tweets entlassen. Dieser entspreche aber der Blattlinie, argumentiert sie in ihrer Klage. "Exxpress" sieht "völlig unrichtige Vorwürfe"

Florian schmitd wer sagt dass bauen ist ideologe

Foto: APA / ROLAND SCHLAGER

Lange Zeit passte kein Blatt zwischen die Journalistin Anna Dobler und ihren damaligen Arbeitgeber, das ÖVP-nahe Onlinemagazin "Exxpress". Doch Ende Jänner ging alles zack zack: Als stellvertretende Chefredakteurin twitterte sie, dass Nationalsozialisten "nicht nur Mörder, sondern durch und durch Sozialisten" gewesen seien. Kurz darauf wurde sie entlassen. Gegen ihre Entlassung geht Dobler nun gerichtlich vor und erhebt in ihrer Klage schwere Vorwürfe gegen "Exxpress" und dessen Chefredakteur Richard Schmitt.

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Im Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg steigen die Mieten wie kaum an einem anderen Ort in Deutschland. Der neue Baustadtrat will dagegen vorgehen. Allein Neubau reiche nicht.

Quelle: N24

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Wenn ärmere Haushalte wegen hoher Mieten die Stadt verlassen müssen, sollte der Staat einspringen, sagt ein Berliner Baustadtrat. Er will Investoren aus dem Markt drängen – zur Not auch mit Steuergeld.

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In kaum einem deutschen Stadtteil sind die Mieten in den vergangenen Jahren so rasant gestiegen wie in Friedrichshain-Kreuzberg in Berlin. Wie unter einem Brennglas lässt sich dort der typische Ablauf einer Aufwertung beobachten: Professionelle Investoren sanieren Altbauten und versuchen, höhere Preise zu erzielen. Oft werden die bisherigen Mieter dabei hinausgedrängt. Die Angst vor Gentrifizierung ist groß, ebenso die Wut vieler Bürger. Es gibt Anfeindungen gegen Immobilienkäufer, Autos werden angezündet, Neubauten mit Graffiti beschmiert.

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Wäre Friedrichshain-Kreuzberg mit seinen über 280.000 Einwohnern eine eigene Stadt, läge es damit immerhin auf Platz 23 in Deutschland. Und sie wäre eine der am dichtesten besiedelten Orte der Republik. Florian Schmidt, Grünen-Politiker und neuer Baustadtrat in dem Bezirk, sieht deshalb nur wenig Möglichkeiten, der hohen Nachfrage nach Wohnungen und Investmentobjekten einfach mit mehr Neubau zu begegnen. Er will, dass der Staat stärker als bisher in den Markt eingreift. Statt Mietern dürften nun öfter mal Investoren aus dem Markt gedrängt werden.

Die Welt: Innerhalb weniger Jahre ist der Berliner Stadtteil Friedrichshain-Kreuzberg zu einem der beliebtesten Standorte für Immobilienkäufer in ganz Deutschland geworden. Ist das nicht eine schöne Nachricht?

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>>> Lesen Sie auch: Hier können Sie sich noch eine Wohnung leisten (exklusiv für Abonnenten).

Florian Schmidt: Für die Bewohner nicht unbedingt. Denn mit zunehmender Investoren-Nachfrage gehen die Kaufpreise nach oben, und das erhöht den Druck, mehr Rendite zu erwirtschaften. Die Mieten für Neuverträge sind deshalb extrem schnell gestiegen, viel schneller als die Einkommen. Die Leute drehen inzwischen jeden Pfennig um, und viele Menschen haben einfach Angst, dass sie gar keine Wohnung mehr finden. Wir beobachten, dass die Wohnimmobilien ab einem bestimmten Punkt zu einem reinen Handelsgut werden. Es geht nur noch darum, jemanden zu finden, der als Nächstes kommt und einen höheren Preis zahlt. Um die Wohnungen aufzuwerten, werden dann Balkone angebaut, Fahrstühle eingebaut und die Bäder erweitert. Das sind Luxussanierungen, die nur dem Eigentümer nützen. Hinzu kommt die Praxis, Mieter durch legale und illegale Methoden aus ihren Mietverhältnissen zu drängen.

Florian schmitd wer sagt dass bauen ist ideologe

Vertritt die Parole „Wir kaufen den Kiez zurück“: Florian Schmidt, Baustadtrat von Kreuzberg-Friedrichshain

Quelle: BA Kreuzberg-Friedrichshain

Die Welt: Warum sollte man sein Immobilieneigentum nicht aufwerten? Es gibt doch auch neue Mieter, die die höheren Preise zahlen wollen und können.

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Schmidt: Wenn die Menschen wegen zu schnell steigender Mieten verdrängt werden, schadet das der gesamten Stadt. Der soziale Frieden gerät in Gefahr. Denn wer ausziehen muss, geht gezwungenermaßen an den Stadtrand. Das geschieht auch schon. Viele Geringverdiener ziehen beispielsweise nach Spandau, und dort macht man sich nun Sorgen um die soziale Durchmischung. Wenn die Menschen außerdem das Gefühl bekommen, dass sie nur noch Verschiebemasse auf dem Immobilienmärkten sind, verlieren sie das Vertrauen in die gesellschaftlichen Institutionen. Der politische Schaden ist immens.

Die Welt: Die neue Landesregierung hat die Losung ausgerufen, so viele Wohnungen wie möglich zu „rekommunalisieren“. Das klingt ein bisschen nach Sozialismus.

Schmidt: Bevor man ideologisch argumentiert, sollte man näher hinsehen, um was es eigentlich geht. Wir wollen zuallererst so viel sozialen Wohnungsbau sichern wie möglich – also Bestände, die ohnehin schon eine Belegungsbindung haben oder früher landeseigenen Unternehmen gehörten. Als solider Partner haben die Stadt beziehungsweise ihre Wohnungsbaugesellschaften durchaus die Möglichkeit, auf dem Markt Häuser zu erwerben. Ein Instrument, das oft als Enteignung verunglimpft wird, ist das Vorkaufsrecht. Dabei wird aber nicht enteignet, sondern in die Erwartungshaltung eines Erwerbers eingegriffen. Die Bezirke üben in Berlin das Vorkaufsrecht in Milieuschutzgebieten aus. Wo die Mieten bereits sehr hoch sind oder der Gewerbeanteil überwiegt, greifen wir gar nicht ein. Das Instrument der Enteignung greift im Unterschied dazu bei Sonderfällen, wenn beispielsweise ein Grundstück für eine neue Autobahn benötigt wird – und auch dann wird nach dem Verkehrswert entschädigt. Das ist überall in Deutschland so.

Florian schmitd wer sagt dass bauen ist ideologe

Quelle: Infografik Die Welt

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Die Welt: Das heißt also, dass der Bezirk bei einer anstehenden Transaktion dazwischengeht und sagt: Wir möchten selbst kaufen oder zumindest einen anderen Käufer einsetzen. Warum dieser harte Eingriff in den Markt?

Schmidt: Es geht darum, die Zusammensetzung der Bevölkerung im Sinne des gesetzlichen Milieuschutzes zu schützen. Dieses Ziel wird erreicht, indem entweder eine städtische Wohnungsbaugesellschaft in das Verfahren einsteigt und die Immobilie erwirbt oder eine private gemeinwohlorientierte Organisation. Das ist übrigens keine Berliner Besonderheit. München beispielsweise macht das auch schon seit vielen Jahren. In Berlin hat der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg eine Vorreiterrolle übernommen. Übrigens wird auch beim Vorkaufsrecht in der Regel der im Vertrag vereinbarte Marktpreis gezahlt. Es entsteht also keine erzwungene Wertminderung. Nur wenn der Kaufpreis ohne Zweifel spekulativ ist, kann auch zum Verkehrswert das Vorkaufsrecht ausgeübt werden.

Die Welt: Berlin oder ihr Bezirk können es sich doch gar nicht leisten, die aktuell hohen Preise zu bezahlen. Will man mit der Drohung, das Vorkaufsrecht auszuüben, nicht einfach nur Investoren verschrecken, wie bei einem Bluff?

Schmidt: Nein. Wir meinen es ernst. Wir bluffen nicht. Wir setzen das Vorkaufsrecht ganz legitim ein, so wie es der Gesetzgeber vorsieht. Es ist auch nicht so, dass der Bezirk selbst kauft, sondern einen anderen Käufer, privat oder städtisch, einbringt. Eine öffentliche Wohnungsbaugesellschaft könnte zwar mit den aktuell sehr hohen Preisen überfordert sein, aber hier kann der Senat einspringen und die Differenz zwischen dem, was die Gesellschaft zahlen kann, und dem, was verlangt wird, ausgleichen. In München etwa übernimmt die Stadt bis zu 400 Euro pro Quadratmeter.

Die Welt: Also zahlt am Ende der Steuerzahler für den Immobilienboom.

Warum die Börse jetzt vom Immobilien-Peak spricht

Seit Jahren prognostizieren immer wieder einzelne Experten eine Wende am Immobilienmarkt - stattdessen stiegen Mieten und Preise bald exponential. Aktuell mehren sich Indizien für einen Peak. Die Börse reagiert verstört.

Quelle: N24

Schmidt: Auch beim geförderten Wohnungsbau zahlt der Steuerzahler. Unser ganzes Gemeinwesen basiert auf dem Ausgeben von Steuern. Wenn der Immobilienboom in den Metropolen aber ohne Markteingriffe weitergehen würde, wären die Kosten später für alle noch größer. Mein Ziel ist es deshalb, so viel Immobilien wie möglich in gemeinwohlorientierte Eigentumsformen zu überführen. Das politische Motto lautet: Wir kaufen den Kiez zurück. So planen wir das auch in einem aktuellen Fall – dem NKZ.

Die Welt: Das Neue Kreuzberger Zentrum, ein typischer Wohn- und Geschäftskomplex der 70er-Jahre am Kottbusser Tor.

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Schmidt: Heutzutage sind sogar solche eher einfachen Wohnungen in Blockbauten beliebt und gefragt. Aktuell will eine Investmentgesellschaft, die Juvelus NKZ, den Komplex kaufen. Bei dem Bieterverfahren saß auch die landeseigene Gewobag mit am Tisch, wurde letzten Endes aber überboten. Man hat gemerkt, dass das Geld bei Juvelus NKZ keine Rolle spielt. Offenbar wurde die Gesellschaft eigens für diesen Kauf gegründet und will die Immobilie nach dem Kauf umfassend aufwerten, zumal hier die Belegungsbindung des sozialen Wohnungsbaus ausgelaufen ist. Heute zahlen die Mieter hier rund 5,30 Euro kalt pro Quadratmeter und acht Euro warm – und können auch nicht viel mehr aufbringen. Nach dem Ablaufen der sozialen Bindungen in zwölf Jahren, wenn die neuen Eigentümer das Förderdarlehen frühzeitig zurückzahlen, können die Mieten stark angehoben werden und wären für viele nicht mehr bezahlbar. Viele Mieter müssten wohl ausziehen. Mit 40.000 Quadratmeter Fläche ist das NKZ eine neue Dimension für uns, aber dennoch – wir wollen das Vorkaufsrecht prüfen und durchsetzen. Zwar hat ein Käufer das Recht, den Vorkauf abzuwenden durch eine Vereinbarung mit dem Bezirk, in welcher er sich den Zielen des Milieuschutzes verpflichtet. Aber aufgrund der Besonderheit der sozialen Bindungen kann es sein, dass wir uns bei der Abwendungsvereinbarung nicht einig werden. Dann droht ein mehrjähriger Gang vor die Gerichte, vor dem wir nicht zurückschrecken.

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Die Welt: Wer die ortsansässigen Mieter schützt, benachteiligt gleichzeitig jene Mieter, die in die Stadt ziehen wollen.

Schmidt: Das ist eine theoretische Betrachtung. Zunächst geht es einmal darum, jene zu schützen, die auch schutzbedürftig sind. Wir beobachten, dass auch viele ortsansässige Mieter keine Bewegungsfreiheit mehr haben und nicht mehr aus ihren alten Wohnungen ausziehen, obwohl sie das gerne tun würden. Aber sie können sich die neue Miete nicht leisten. Deshalb sind viele Wohnungen mittlerweile überbelegt. Die Kinder schlafen zu zweit oder zu dritt in einem Zimmer. Das ist ein Stressfaktor. Man muss einmal sehen, was da draußen wirklich passiert. Ich kenne Fälle, in denen sich der Bezirk beim Milieuschutz oder dem Vorkaufsrecht durchgesetzt hat und die Menschen hinterher weinend vor Freude und Erleichterung hier angerufen haben.

Die Welt: Eine sehr einfache Strategie gegen den Wohnungsmangel wäre schlicht mehr Neubau, oder?

Schmidt: Der Neubau von bezahlbarem Wohnraum ist auch eine wichtige Strategie. Man braucht die Entwicklung des Bestandes hin zu Gemeinwohleigentum und den Neubau aber nicht gegeneinander auszuspielen. Allerdings bleibt verdichteten Bezirken wie Friedrichshain-Kreuzberg nichts anderes übrig, als vor allem auf die Sicherung des Bestandes zu setzen, denn wir können kaum noch nachverdichten. Bereits jetzt haben wir den geringsten Grünflächenanteil pro Bewohner, und Kitas, Arztpraxen, Kultureinrichtungen oder Kleingewerbe finden kaum noch Raum, da sie in Gewerberäumen keinerlei Mietschutz haben. Wir werden zukünftig durch Neubau neben bezahlbarem Wohnraum stärker Raum für gewerbliche, soziale und auch kulturelle Nutzungen schaffen.