Es nimmt der augenblick was jahre geben

Schrobenhausen

<DK-XY_trifft>GEDANKENK ZUM SONNTAG</DK-XY_trifft> von der Schrobenhausener Trauerbegleiterin Ursula Rogal

20.03.2022 | Stand 25.03.2022, 3:35 Uhr

Ursula Rogal, Ausgebildete Trauerbegleiterin und Verwaltungsangestellte der Stadt Schrobenhausen −Foto: Privat

Liebe Leserinnen und Leser,was ist Trauer für uns?

Ein tiefer Lebenseinschnitt, der einem im wahrsten Sinne den Boden unter den Füßen wegzieht, der einen orientierungslos und hilflos macht - der Tod einer nahestehenden Person, vielleicht unserer Mutter oder unseres Vaters, Bruders oder unserer Schwester, vielleicht sogar unseres Kindes, der Tod unserer Oma oder unseres Opas oder eines lieben Freundes, der Tod unseres Haustieres, der Verlust unserer Heimat.

Für viele beginnt ein Kampf ums eigene Überleben. Wie allerdings das Überleben gelingt, darauf gibt es keine eindeutige Antwort. Jeder muss seinen eigenen Weg finden, denn jeder Mensch ist einmalig. Was für den einen wichtig ist, mag den anderen nicht ansprechen. Wir müssen uns der Trauer und der Verluste stellen, sie zulassen, der Weg zur Heilung führt nicht am Schmerz vorbei, sondern mitten in den Schmerz der Trauer und des Verlustes hinein. Nur so kann es erträglich werden und allmähliche Heilung kann stattfinden. Wir können aus den Trümmern, die uns übrig geblieben sind, neue Bauwerke bauen und aussortieren, welche "Steine" noch zu gebrauchen sind und welche nicht. Bewältigen jedoch werden wir manche Verluste nie. Wir können nur lernen, mit Verlusten zu leben, sie in unser Leben zu integrieren, die Trauer jedoch wird uns vermutlich unser ganzes Leben begleiten.

Trauer tut weh - richtig weh, als ob uns das Herz zerreißen würde. Aber es wird neue Wege geben, mit Mut und Hoffnung werden wir es schaffen. Der Tod meines Kindes war das einschneidendste Erlebnis in meinem Leben. Es hat mich erkennen lassen, dass wir im Leben nichts festhalten können.

Oft werde ich als Trauerbegleiterin gefragt: Was kann uns denn in der Trauer und bei Verlusten helfen? Wo oder an wen kann ich mich anlehnen, wer gibt mir Halt und Kraft? Aus meiner Sicht sind es in erster Linie Freunde und Bekannte, die bedingungslos einfach da sind, die uns alltägliche Dinge wie einkaufen oder kochen abnehmen, die hier sind, um deine Hand zu halten, dir zuhören, dich einfach nicht alleine lassen, vor allem in den ersten schwierigen Wochen. Ich habe lange Zeit die Umhängetasche meines Sohnes bei mir getragen - ein Stück von ihm, bei mir, das nach ihm riecht. Meine beiden Töchter haben Maxis Lederbänder getragen, um etwas von ihm an ihrer Seite zu haben. Ich habe auch Maxis T-Shirts zum Schlafen angezogen, um seinen Geruch in meiner Nase zu haben.

Es gibt viele Rituale, die hilfreich sein können: einen Brief an den Verstorbenen oder Vermissten zu schreiben, in dem vielleicht steht, was ich ihm noch sagen will/wollte; eine Kerze anzünden und mit unseren Verstorbenen oder Vermissten reden, meditieren, räuchern, damit der Rauch meine Worte weiter nach oben trägt; Musik hören; Auch Lesen wurde für mich sehr wichtig, Bücher über Trauer, über Engel, um sich mit seinem Glauben oder seiner Spiritualität auseinanderzusetzen. Ich habe viel gebetet und, wenn ich mal wieder nicht mehr konnte, habe ich zum lieben Gott gesagt: Meine Sorgen lege ich in deine Hände, bitte hilf mir. Es gibt Trauergruppen, Selbsthilfegruppen, um den Weg nicht alleine gehen zu müssen, um sich mit anderen Menschen in gleicher Situation auszutauschen.

Für Menschen in Verlustsituationen ist es sehr wichtig, ihnen unser Mitgefühl zu zeigen, was wir fühlen, sollten wir aussprechen. Wenn es schwerfällt zu sprechen, wenn Worte fehlen, dann kann eine Karte oder ein Brief geschrieben werden - Zeichen setzen, um die Menschen nicht alleine zu lassen, um das Gefühl zu geben: Du bist nicht alleine.

Und nun Krieg in der Ukraine - so viel Trauer und Wehmut, so entsetzlich schwere Tage. Ich möchte ein paar Sätze aus dem Buch "Der Poet" von Deno Licina mit auf dem Weg geben: "Für die schweren Tage. . . Für die Tage, an denen dein Geist sich träge und ausgelaugt anfühlt. Für die Tage, wenn dein Körper schwer und müde vom stetigen Funktionieren geworden ist. Für die Tage, an denen der Krieg in deinem Kopf deine Beine lähmt und du nur trüben Gedanken und Bildern aus der Vergangenheit hinterherjagst. . . Dann musst du dich erinnern. . . Dich daran erinnern, dass deine Geschichte noch nicht zu Ende geschrieben ist und der letzte Satz darin sicher nicht und dann gab sie/er auf. . . lauten wird. Du musst dich zusammenreißen und an deine Fähigkeiten glauben? Erinner dich daran, dass es jemanden da draußen gibt, der sich freut, dich zu sehen, auf einen Anruf oder eine Nachricht von dir wartet. Jemand da draußen übersteht seine schweren und harten Zeiten nur, weil du ihnen Kraft gibst. Erinnere dich daran, jemandes Welt ist besser weil du darin bist? Du schaffst es auch diesmal. Du warst immer ein Kämpfer, du warst immer stärker als die Steine die man dir in den Weg gelegt hat?"

Wenn nichts mehr ist, wie es einmal war, brauchst du Menschen, die dich fühlen lassen: du bist nicht alleine - ich bin da.

In diesem Sinne

SZ

Ursula Rogal ist Trauerbegleiterin in Schrobenhausen

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