Eltern haften für ihre Kinder Straftat

Ob an Baustellen, auf Spielplätzen oder anderen öffentlichen Orten: überall trifft man auf Schilder, die darauf hinweisen, dass Eltern für ihre Kinder haften. Würde man ihnen Glauben schenken, würde dies bedeuten, dass sämtliche Schäden, die minderjährige Kinder verursachen, die Eltern haftbar gemacht werden können. Ist das wirklich so? Oder handelt es sich bei der Aufschrift der „Eltern haften für ihr Kinder“-Schilder um einen Rechtsirrtum?

Wer haftet für Schäden, die minderjährige Kinder verursacht haben?

Grundsätzlich ist es so, dass jeder Mensch selbst für seine Taten verantwortlich ist und auch für diese gerade stehen muss. Dies bedeutet, dass auch Kinder Verantwortung für ihre Handlungen übernehmen müssen und somit haftbar gemacht werden können. Ausnahmen bestehen gemäß § 828 BGB bei Kindern, die das siebente Lebensjahr noch nicht vollendet haben: sie gelten als nicht deliktfähig und haben somit keine eigene Haftung. Verursachen sie einen Schaden, hat der Geschädigte das Nachsehen – außer, wenn er den Eltern eine Aufsichtspflichtverletzung nachweisen kann.

Kinder, die zwischen sieben und 18 Jahre alt sind, gelten als bedingt deliktfähig, können also für ihre Handlungen verantwortlich gemacht werden, wenn sie aufgrund ihrer Reife und des Alters imstande sind, die Konsequenzen ihrer Taten zu erkennen. Demzufolge können sie auch schadensersatzpflichtig gemacht werden. Von dieser gesetzlichen Regelung ausgeschlossen sind Kinder zwischen sieben und zehn Jahren im fließenden Straßenverkehr: sie haben keine eigene Haftung, sofern sie die Tat nicht vorsätzlich begangen haben (mutwilliges Zerkratzen von Lack an parkenden Autos beispielsweise). Gemäß dem BGH ist diese Haftungsfreistellung von Kindern neuerdings auch auf den ruhenden Verkehr anzuwenden, wenn sie von einer Situation überfordert gewesen sind und somit eine Deliktunfähigkeit gegeben ist.

Wann haften die Eltern für ihre minderjährigen Kinder?

Die Eltern eines minderjährigen Kindes haften für von diesem verursachte Schäden nur, wenn sie ihre Aufsichtspflicht verletzt haben. Diese dient zum einen dem Schutz des Kindes vor Schäden, die ihm durch sich selbst oder durch Dritte entstehen können, zum anderen auch dem Schutz besagter Dritter vor Schäden, die ihm von dem Kind zugefügt werden könnten. In welcher Form diese Aufsichtspflicht, die ihre gesetzliche Grundlage in § 832 BGB findet, zu erfüllen ist, hängt von verschiedenen individuellen Kriterien ab:

  • Alter des Kindes (je älter ein Kind ist, desto weniger Aufsicht benötigt es)

  • Charakter des Kindes (ein ruhiges Kind muss weniger beaufsichtigt werden als ein Hyperaktives)

  • Situation (Sind Gefahrenquellen in der Nähe? Wäre der Schaden bei strengerer Aufsicht auch entstanden?)

Grundsätzlich bedarf es zur Beurteilung der Situation eine die Bewertung des Einzelfalls. So muss beispielsweise ein Vorschulkind, welches im elterlichen Garten spielt, nicht permanent beaufsichtigt werden; eine regelmäßige Kontrolle alle 15-30 Minuten ist vollkommen ausreichend. Verlässt es das Grundstück zwischen zwei Kontrollen und verursacht dann einen Schaden, liegt keine Verletzung der Aufsichtspflicht vor.

Ein ebenso altes, hyperaktives Kind hingegen, das mit seiner Mutter einen Porzellanladen betritt, bedarf einer permanenten Aufsicht. Läuft es frei und unbeaufsichtigt in dem Laden herum und stößt dabei ein Regal um, so dass Hunderte von Tellern zu Bruch gehen, ist eine Verletzung der Aufsichtspflicht gegeben: die Mutter hätte dafür Sorge tragen müssen, dass das Kind nicht unkontrolliert durch das Geschäft rennt.

Diese Aufsichtspflichtverletzung liegt auch vor, wenn Eltern das Internetverhalten ihres Kindes nicht ausreichend kontrollieren und es die gute Gelegenheit nutzt, um illegales Filesharing zu betreiben. Demzufolge müssen die Eltern für dadurch entstandene Schäden eintreten [OLG Köln, 23.03.2012, 6 U 67/11]. Da dies zu horrenden Kosten führen kann, ist der Abschluss einer Privathaftpflichtversicherung zu empfehlen. Bei dieser Versicherung sind Kinder mitversichert; sie deckt Schäden ab, die Kinder bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres verursachen.

Wann haften die Eltern nicht?

Können Eltern jedoch nachweisen, dass sie ihrer Aufsichtspflicht ordnungsgemäß nachgekommen sind, müssen sie nicht die Haftung übernehmen.

Auch, wenn anzunehmen ist, dass der Schaden auch bei umsichtiger Aufsicht entstanden wäre, könne die Eltern nicht schadenersatzpflichtig gemacht werden.

Fazit: Bei dem Schild „Eltern haften für ihre Kinder“ handelt es sich um einen Rechtsirrtum: Eltern haften nur in jenen Fällen für ihre minderjährigen Kindern, wenn sie ihre elterliche Aufsichtspflicht verletzt haben.

Auslese 6/2011

"Eltern haften für ihre Kinder" – wirklich immer?

Wer kennt nicht die Schilder an den Baustellen-Absperrungen, Kinderspielplätzen, Sportanlagen etc.: "Eltern haften für ihre Kinder"

Selbstverständlich haben die Eltern für das Verhalten ihrer minderjährigen Kinder einzustehen, nicht jedoch immer und uneingeschränkt.

Die Schilder wären daher zu ergänzen durch: "wenn Sie Ihre Aufsichtspflicht verletzt haben und hierdurch ein Schaden entstanden ist."

Was ist die Aufsichtspflicht?

Die Aufsichtspflicht der Eltern beginnt mit der Geburt eines Kindes und endet mit dessen Volljährigkeit, somit mit Vollendung des 18. Lebensjahres. Die Aufsichtspflicht nimmt jedoch mit steigendem Alter des Kindes sukzessive ab.

Eine allfällige Haftung der Eltern für ein Verhalten der Kinder kann nur aus einer Aufsichtspflichtverletzung begründet werden. Von der gesetzlichen Erziehungspflicht der Eltern ist umfasst, die Kinder entsprechend zu beaufsichtigen, sodass sie sich selbst und auch keinen Dritten Schäden zufügen, aber auch, dass den Kindern kein Schaden von Dritten zugefügt wird.

Die Haftung aus einer Aufsichtspflichtverletzung ist jedoch nicht unbeschränkt, vielmehr können Eltern nur in Anspruch genommen werden, wenn Ihnen ein Verschulden unterstellt werden kann.

Die Aufsichtspflicht umfasst:

  • Betreuungspflicht
  • Belehrungspflicht mit Anleitungs- und Kontrollpflicht - das Kind ist über mögliche Gefahrensituationen und falsches Verhalten aufzuklären und davor zu warnen. Dies betrifft insbesondere den Straßenverkehr
  • Informationspflicht - wird die Aufsicht an Dritte übertragen, sind diese Personen umfassend über die Kinder zu informieren

Wer kann aus einer Aufsichtspflichtverletzung in Anspruch genommen werden?

Die Aufsichtspflicht trifft jeweils die Person, die zum Zeitpunkt des Schadensereignisses für das Kind verantwortlich war. Das muss nicht notwendigerweise immer ein Elternteil sein. Die Aufsichtspflicht kann ausdrücklich oder stillschweigend für kürzere oder längere Abstände Dritten übertragen werden. Vielmehr trifft die Aufsichtspflicht dann auch jeden, der die Obsorgepflicht für das Kind übernimmt. Für die Auswahl der fremden Aufsichtsperson sind die Eltern verantwortlich; ist diese Aufsichtsperson selbst nicht in der Lage, ausreichend auf das Kind aufzupassen, werden die Eltern durch die Übertragung der Aufsichtspflicht nicht aus ihrer Haftung entlassen.

Das können folgende Personen sein:

  • Großeltern oder sonstige Verwandte
  • Freunde, denen das Kind zur Aufsicht übergeben wurde
  • Nachbarn
  • Babysitter
  • Personal von Kinderbetreuungseinrichtungen (auch Jungschar und Pfadfinder)
  • Pädagogen, Lehrer, Ausbildner etc.

Wann ist eine Haftung denkbar?

Um diese Frage beantworten zu können, muss auch die Frage geklärt werden, ab welchem Alter grundsätzlich eine deliktische Haftung des Kindes infrage kommt.

Hier unterscheidet das Gesetz zwischen drei Gruppen:

  • Personen unter 7 Jahren (Kinder)
  • unmündige Minderjährige zwischen 7-14 Jahren
  • mündige Minderjährige zwischen 14-18 Jahren

Eine Haftung der Eltern für ein deliktisches Verhalten der Kinder kommt nur bis zum 14. Lebensjahr in Betracht, mündige Minderjährige sind bereits selbst deliktfähig und somit selbst für deren rechtswidriges Verhalten belangbar.

Wurde im Zeitpunkt des rechtswidrigen Verhaltens die das Kind betreffende Aufsichtspflicht durch den Erwachsenen schuldhaft verletzt, muss die aufsichtspflichtige Person für diesen Schaden haften.

Wann trifft mich ein Verschulden?

Die Frage des Umfangs der Aufsichtspflicht hängt unmittelbar mit dem Alter des Kindes zusammen. Je jünger und unmündiger das Kind ist, umso größer ist die Verpflichtung des Erwachsenen, das Verhalten zu beaufsichtigen.

Beispiele für eine Aufsichtspflichtverletzung:

    unbeaufsichtigtes Überlassung von Gegenständen an Kinder unter 10 Jahren,  mit denen Dritte am Körper verletzt werden können (Pfeil und Bogen, Luftdruckgewehre, Messer etc.)

  • Kleinkind spielt unbeaufsichtigt stundenlang auf der Straße
  • unbeabsichtigte Benutzung von Liftanlagen
  • unbeaufsichtigte Nutzung von Spiel- und Sportgeräten, insbesondere Inlineskates, Rodeln etc. durch einen unter 10-jährigen
  • Krankes Kleinkind wird einer jugendlichen Babysitterin nächtelang zur Beaufsichtigung überlassen
  • 5-jährigem werden unbeaufsichtigt Streichhölzer überlassen
  • eine 4-jährige, die erstmals zu Besuch ist, wird unbeaufsichtigt ins Freie gelassen
  • unbeaufsichtigtes Zurücklassen der Kinder in einer Küche während des Kochvorgangs, sei es mit offener Flamme oder kochendem Wasser etc.
  • 3-Jähriger wird außerhalb der Wohnung der gehbehinderten Großmutter anvertraut

Beispiele, in denen die Aufsichtspflicht als nicht verletzt angesehen wird:

  • 7-jähriger, der bei einer Rolltreppe nicht an der Hand geführt wird
  • Kleinkind spielt mit seinen älteren Geschwistern in einer Sackgasse, die als Fußgängerzone gekennzeichnet ist
  • unbeaufsichtigtes Queren einer Straße durch einen 10-jährigen
  • eine 13-jährige gute Schwimmerin kann mit Gleichaltrigen allein ins Freibad gehen
  • Sturz eines 12-jährigen aus dem Stockbett

Wann haften die Eltern für ihre Kinder?

Eltern haften nur dann für die Schäden ihrer Kinder, wenn sie ihre Aufsichtspflicht verletzt haben. Was Eltern im Rahmen ihrer Aufsichtspflichten tun müssen, hängt vom Alter des Kindes, der konkreten Situation und damit immer vom Einzelfall ab. Kinder unter sieben Jahren haften selbst nie.

Sind Eltern für ihre erwachsenen Kinder haftbar?

Ab sieben Jahren bis zur Volljährigkeit bestehen bestimmte gesetzliche Voraussetzungen, die für die Wirksamkeit von Geschäften bestehen müssen. Auch in solchen Fällen haften Eltern normalerweise nicht. Ebenso haften Eltern für die Schulden von erwachsenen bzw. volljährigen Kindern in aller Regel nicht.

Wer haftet für Schäden durch Kinder?

Eltern haften für Schäden durch ihre Kinder, wenn sie ihre Aufsichtspflicht verletzt haben. Kinder unter sieben Jahren haften nie; ab sieben können sie auch selbst für Schäden verantwortlich gemacht werden. Eine Familienhaftpflichtversicherung ist also unverzichtbar für Familien.

Wer haftet bei 15 Jährigen?

Laut § 19 Strafgesetzbuch gilt, dass Minderjährige unter 14 Jahren aufgrund ihres Entwicklungsstandes gänzlich schuldunfähig sind, weshalb eine Haftung ausgeschlossen ist. Macht sich ein 13-Jähriger eines Diebstahls schuldig, kann er hierfür also verantwortlich gemacht werden.