Des Menschen Seele Gleicht dem Wasser Interpretation

Der Dichter schrieb am 9. Oktober an seine Freundin und vermutliche Geliebte Charlotte von Stein: „[…] wir haben den Staubbach bei gutem Wetter zum ersten Mal gesehen und der blaue Himmel schien durch. An den Felswänden hingen Wolken, selbst das Haupt, wo der Staubbach herunterkommt, war leicht bedeckt. Es ist ein sehr erhabener Gegenstand.“[1].

Der Wasserfall hinterließ einen tiefen Eindruck bei dem Dichter und inspirierte ihn zu dem Gedicht „Gesang der lieblichen Geister in der Wüste“, welches er fünf Tage später am 14. Oktober Charlotte von Stein schickte. Die erste Fassung beinhaltete zahlreiche Abweichungen zu der heute bekannten Version des Gedichts, die erstmals unter dem Titel „Gesang der Geister über den Wassern“ im achten Band der gesammelten Schriften Goethes im Jahr 1789 publiziert wurde. Der Titel zeichnet sich durch eine mysteriöse Prägung aus und weist auf die lyrische Darstellung der Gedanken von übernatürlichen Wesen über das Element Wasser hin. Der Dichter scheint die Botschaft der Geister übermitteln zu wollen.

Form und Inhalt

Das Gedicht besteht aus sechs Strophen mit einer unterschiedlichen Verszahl: Die erste Strophe hat sieben Verse, die zweite zehn, die dritte und vierte Strophe haben jeweils fünf Verse und die letzten beiden Strophen vier. Es existieren kein regelmäßiges Metrum sowie auch kein festgelegtes Reimschema, daher kann in diesem Fall von freien Rhythmen gesprochen werden.

Strukturierend wirken jedoch zahlreiche rhetorische Stilmittel, die den Klang des Gedichts prägen. Zeilensprünge und Verben der Bewegung sowie eine gehäufte Verwendung des „Sch“-Lautes (strömen, stäuben, schäumen, schleichen) versinnbildlichen die Darstellung des fließenden Wassers.

Die Hauptthematik des Gedichts bildet zunächst der Vergleich der menschlichen Seele mit dem natürlichen Kreislauf des Wassers. Einen Nebenaspekt stellt der Vergleich des menschlichen Schicksals mit dem Wind dar. Auch philosophische Gedanken, die Goethe damals beschäftigten, wie die Reinkarnation und der Pantheismus, finden in den Strophen bildlich Erwähnung.

In der ersten Strophe wird der unendliche Kreislauf des Wassers beschrieben – das Wasser fällt auf die Erde als Schnee, Hagel oder Regen herab, steigt bei der Verdunstung als Dampf wieder auf und fällt, sobald sich genug Wasser gesammelt hat, erneut auf die Erde hinunter.  In der zweiten und dritten Strophe wird der Lauf des Wasserstrahls beschrieben, der, seine Hindernisse umgehend, wieder im Bachbett ankommt. In der vierten Strophe gelangt das Wasser aus dem Bachbett schließlich in einen See. Die fünfte Strophe thematisiert den Einfluss des Windes auf den Verlauf des Wassers, bevor die sechste Strophe schließlich ein Fazit zieht.

Insgesamt kann man das Gedicht jedoch in drei Teile untergliedern: Sinnspruch (erste Strophe) – Naturbeschreibung (zweite bis fünfte Strophe) – Sinnspruch (sechste Strophe). Die Sinnsprüche bilden den Rahmen um die Naturbeschreibung, der durch einen Chiasmus betont wird: „Des Menschen Seele“ – „Seele des Menschen“.

Das Gedicht ist damit ein Vertreter der Gedankenlyrik, die mit Paul Flemming im 17. Jahrhundert ihren Anfang nahm und als Gegenteil der Erlebnislyrik charakterisiert wird. Diese Form der Lyrik rückt keine Handlung oder kein Erleben in den Vordergrund, sondern die Reflexion eines Dichters über verschiedene Themen, die im Bereich der Philosophie, Religion oder auch Politik angesiedelt sein können.

Analyse und Interpretation

Erste Strophe

Die ersten beiden Verse der ersten Strophe sind durch ein Enjambement miteinander verbunden und verkünden gleich zu Beginn die wesentliche Botschaft der nachfolgenden Zeilen: „Des Menschen Seele/ Gleicht dem Wasser“...

Das Projekt „Eine Hand voll Wasser“, das im Garten der Schmetterlinge Schloss Sayn seit Beginn der Saison mit großem Erfolg gezeigt wird, erfährt ab dem 21.4. durch Installationen des Künstlers Nicolaus Werners eine wertvolle künstlerische Bereicherun.

In seinem 1779 auf seiner zweiten Schweizer Reise geschriebenen Gedicht „Gesang der Geister über den Wassern“ greift Johann Wolfgang von Goethe den Heraklit zugewiesenen Gedanken des panta rhei, des „Alles fließt“ auf, dem auch das menschliche Leben untergeordnet wird. Das zeigen schon die beiden Anfangszeilen des Gedichts, „Denn des Menschen Seele gleicht dem Wasser“, die auch den Titel liefern für eine Ausstellung mit Installationen von Nicolaus Werner im Garten der Schmetterlinge in Sayn. Die Ausstellung findet im Rahmen des Projekts „Eine Handvoll Wasser“ statt und wird am Sonntag, 21. April um 19 Uhr von Claudia Christnach, Marketing-Leiterin von RHODIUS Mineralquellen, in Vertretung für Dr. Karl Tack, Geschäftsführer von RHODIUS Mineralquellen, eröffnet.

In einer der vorgestellten Arbeiten bezieht sich der 1943 in Kirberg geborene, bis 2007 als Kunsterzieher in Neuwied arbeitende und jetzt in Wiesbaden lebende Künstler direkt auf das Goethe-Zitat. Andere kreisen um das Thema der Homöopathie, ausgehend von der Tatsache, dass Spuren alles dessen, was an einem Ort in das Wasser eingeleitet wird, in mehr oder minder minimaler Verdünnung selbst noch an weit entfernten Stellen erhalten bleiben. Erhalten in einem immer währenden Kreislauf, der nicht nur für das Wasser, sondern auch für den Ablauf eines Jahres, für den Wechsel der Monate und Jahreszeiten gilt. Ihn thematisiert der Künstler in seiner Installation „Dreizehn Monde und ein Tag“, ein, so die eigene Definition Werners, „Art archaischer Kalender, den Elementen gewidmet“, 365 Reagenzgläser, gefüllt mit Luft, Wasser oder roter Vulkanerde, seit der Jungsteinzeit als Blutersatzstoff für Bestattungen genutzt.

Begleitend zur Ausstellung beschäftigt sich am Donnerstag, 23. Mai, 19 Uhr ein Abend in der Reihe „KulturSayn!“ im Gobelinsaal von Schloss Sayn gleichfalls mit dem Thema „Wasser“, mit Wasser in der bildenden Kunst, der Literatur und der Musik, in jeder Sparte für Künstler aller Epochen eine schier unerschöpfliche Quelle der Inspiration. Eröffnet wird die Veranstaltung mit einer Performance von Nicolaus Werner.  

Die Ausstellung im Garten der Schmetterlinge Schloss Sayn ist bis zum 15.Juni täglich von 9h-18h zu besichtigen.