RechtswörterbuchNormen Show §§ 387 - 396 BGB § 322 ZPO §§ 94 - 96 InsO § 309 Nr. 3 BGB Information 1. AllgemeinEine Aufrechnung ist ein einseitiges Rechtsgeschäft, bei dem sich gegenüberstehende Forderungen bei Vorliegen der Voraussetzungen wechselseitig getilgt werden. Die Aufrechnungserklärung ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung. Es bestehen folgende Begrifflichkeiten:
Die Aufrechnung ist von dem Aufrechnungsvertrag zu unterscheiden, der nach § 305 BGB geschlossen werden kann und auf den die §§ 387 - 396 BGB nicht unmittelbar anwendbar sind. 2. VoraussetzungenDie Voraussetzungen einer wirksamen Aufrechnung sind:
3. WirkungenDie Aufrechnung wirkt auf den Zeitpunkt zurück, zu dem sich die beiden Forderungen zum ersten Mal aufrechenbar gegenüberstanden, d.h. von diesem Zeitpunkt an gelten die Forderungen als erloschen. Folge ist, dass ggf. auch Verzugszinsen o.Ä. nicht gefordert werden können. Die Aufrechnung und die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts werden gemäß § 215 BGB nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Anspruch verjährt ist, wenn der Anspruch in dem Zeitpunkt noch nicht verjährt war, in dem erstmals aufgerechnet oder die Leistung verweigert werden konnte. Insofern steht auch die Verjährung des Schadensersatzanspruchs (Werkvertrag - Verjährung) nach § 634a Abs. 1 BGB der Aufrechnung nicht entgegen (OLG München 06.12.2011 - 9 U 424/11). 4. AusschlussDie Aufrechnung kann durch Vertrag ausgeschlossen werden oder durch Gesetz ausgeschlossen sein. Unzulässig ist gemäß §§ 393 f. BGB die Aufrechnung, wenn es sich bei der Hauptforderung um eine Schadensersatzforderung aus unerlaubter Handlung handelt. Auch gegen eine unpfändbare Forderung kann nicht aufgerechnet werden. Nach dem Urteil BGH 23.06.2005 - VII ZR 197/03 kann die Aufrechnung von aufrechenbaren Ansprüchen aus einem Werkvertrag nicht durch die Annahme eines Verrechnungsverhältnisses ausgeschlossen werden. 5. Im ProzessDie im Prozess erklärte Aufrechnung hat eine Doppelnatur: Einerseits ist sie materiell-rechtliche Aufrechnung, andererseits Prozesshandlung (rechtsvernichtende Einwendung). Anders ist es mit der Geltendmachung einer außerhalb des Prozesses erklärten Aufrechnung. Sie ist keine Prozesshandlung. Voraussetzung ist, dass das Prozessgericht befugt ist, über die prozessuale Aufrechnung zu entscheiden, d.h. die Rechtswegzuständigkeit gegeben ist. Die sachliche oder örtliche Gerichtszuständigkeit wird durch die Aufrechnung nicht berührt. Die Entscheidung, ob die zur Aufrechnung gestellte Forderung besteht oder nicht, erwächst bis zur geltend gemachten Höhe in Rechtskraft. Aus diesem Grund ist es üblich und sinnvoll, im Prozess die Aufrechnung nur hilfsweise zu erklären. Die sich aus § 396 Abs. 1 S. 2 BGB i.V.m. § 366 BGB ergebende Tilgungsreihenfolge bei mehreren im Prozess zur Hilfsaufrechnung gestellten Gegenforderungen bestimmt sich nach dem Sachstand im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz (BGH 19.11.2008 - XII ZR 123/07). Der Streitwert des Prozesses erhöht sich um den Wert der hilfsweise zur Aufrechnung gestellten Forderung, wenn die Klageforderung bestritten wird, die zur Aufrechnung gestellte Forderung bestritten wird und eine Entscheidung über den Hilfsantrag ergeht (§ 45 Abs. 3 GKG, BGH 25.09.2008 - VII ZB 99/07). Möglich ist auch, dass der Beklagte in einem anderen Prozess gegen die Klageforderung mit einer Gegenforderung aufrechnet. Nach der Entscheidung OLG Frankfurt am Main 26.01.2015 - 6 W 107/14 rechtfertigt dies nicht die Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung über die Gegenforderung in dem anderen Verfahren. 6. Aufrechnung einer BehördeEine Behörde kann grundsätzlich ihre Verbindlichkeit durch Aufrechnung mit einer Gegenforderung erfüllen. Der Anspruch ist davon unabhängig, ob die Behörde die Gegenforderung durch Leistungsbescheid geltend gemacht hat und ob dieser vollziehbar ist. Die Aufrechnung ist jedoch ausgeschlossen, wenn es sich bei der Gegenforderung um einen Verwaltungsakt handelt und Widerspruch und Anfechtungsklage gegen diesen Verwaltungsakt noch aufschiebende Wirkung haben (BVerwG 20.11.2008 - 3 C 13/08). 7. In der InsolvenzGläubiger, die ihrerseits eine Forderung gegen den Gesamtschuldner haben, können in der Insolvenz mit dieser die Aufrechnung erklären und werden keine Insolvenzgläubiger. Gemäß § 95 InsO ist eine Aufrechnung aber ausgeschlossen, wenn zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die aufzurechnenden Forderungen oder eine von ihnen noch aufschiebend bedingt oder nicht fällig oder die Forderungen noch nicht auf gleichartige Leistungen gerichtet sind. In diesen Fällen kann die Aufrechnung erst erfolgen, wenn ihre Voraussetzungen eingetreten sind. Siehe auch Anderkonto Vollstreckungsgegenklage Zivilprozess BGH 15.09.2009 - VI ZA 13/09 (Verbot der Aufrechnung gegen eine Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung) BGH 10.04.2008 - VII ZR 58/07 (Hemmung der Verjährung der Gegenforderung eines Klägers bei hilfsweiser Erklärung der Aufrechnung gegenüber einer Forderung des Beklagten durch den Kläger) BGH 31.03.2005 - VII ZR 180/04 (Ausschluss der Aufrechnung durch Klausel in AGB) BGH 26.01.2005 - VIII ZR 275/03 (Aufrechnung nach Abtretung im Handelsrecht) BGH 12.09.2002 - IX ZR 66/01 (Aufrechnung des Rechtsanwalts mit Forderungen gegen den Mandanten) BFH 04.02.2005 - VII R 20/04 (Aufrechnung der Finanzverwaltung in der Insolvenz) Busch/Hilbertz: Aufrechnung und Insolvenzordnung. Letzte Chance der Finanzverwaltung; NWB - Neue Wirtschaftsbriefe 2005, 1465 Coester-Waltjen: Aufrechnung bei Abtretung; Jura 2004, 391 Coester-Waltjen: Die Aufrechnung; Jura 2003, 246 Franck: Verbot der Aufrechnung gegen Forderungen auf Kartellschadensersatz; Betriebs-Berater - BB 2009, 1935 Hilgard: Verjährung und Aufrechnung beim Unternehmenskauf; Betriebs-Berater - BB 2012, 852 Leichsenring: Die Rücknahme der Prozessaufrechnung; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2013, 2155 Prütting/Wegen/Weinreich: BGB Kommentar; 9. Auflage 2014 Skamel: Verfahrensaussetzung bei Prozessaufrechnung mit rechtshängiger Gegenforderung; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2015, 2460 Wolf: Die Prozessaufrechnung; JA - Juristische Arbeitsblätter 2008, 673 Wann ist Aufrechnung nicht möglich?Beschlagnahmte Hauptforderung (§ 392)
§ 392 verbietet eine Aufrechnung gegen eine beschlagnahmte Forderung, wenn der Schuldner seine Forderung nach der Beschlagnahme erworben hat oder wenn seine Forderung erst nach der Beschlagnahme und später als die in Beschlag genommene Forderungen fällig geworden ist.
Kann man sich gegen Aufrechnung wehren?Ist der Beklagte unsicher, ob das Gericht den Anspruch des Klägers bejahen wird, kann er durch die Aufrechnung mit einer Gegenforderung den klägerischen Anspruch vernichten. Erklärt der Beklagte die Aufrechnung unbedingt, ist der Zahlungsanspruch des Klägers durch die Aufrechnung erloschen (§ 389 BGB).
Wann ist eine Aufrechnung möglich?Voraussetzung für eine wirksame Aufrechnung ist das Vorliegen der sog. Aufrechnungslage. Sie ist gegeben bei Gegenseitigkeit der Forderungen, Gleichartigkeit der Forderungen, Erfüllbarkeit der Hauptforderung und Fälligkeit der Gegenforderung.
Kann man einer Aufrechnung widersprechen?Die Aufrechnung kann grundsätzlich nicht widerrufen werden. Wenn Sie sie dennoch rückgängig machen wollen, müssen Sie daher die Aufrechnungserklärung oder die Forderungen anfechten.
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