Antibiotika gleiches mehrmals nehmen

Im Kampf gegen Bakterien sind Antibiotika immer noch das Mittel der Wahl. Gleichzeitig nimmt die Zahl der Antibiotika-Resistenzen zu. Das liegt auch daran, dass viele Mediziner nicht gut informiert sind. Sie verschreiben unwirksame Standardmittel und lassen Patienten die Pillen viel zu lange nehmen.

Fieber, Halsschmerzen, Husten: Bei einer bakteriellen Infektion gelten Antibiotika als Allheilmittel. Fast jeder hat daher schon einmal eine Packung vom Arzt verschrieben bekommen. Mittlerweile warnen Experten jedoch vor einer leichtfertigen Einnahme – aus folgenden Gründen:

Problem 1: Ärzte verschreiben Antibiotika zu lange

„Nehmen Sie die Packung, bis sie leer ist.“ Diesen Satz haben sicher schon viele von ihrem Arzt gehört. Oft nehmen Patienten das Medikament dann eine ganze Woche ein, selbst wenn sie die Erkrankung bereits nach wenigen Tagen überstanden haben. Dabei war die Eine-Woche-Regel laut Mediziner Winfried Kern „schon immer schlecht begründet oder sogar unsinnig“. Das sagte der Leiter der Infektiologie Freiburg zur „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“.

Mit einer ausreichenden Einnahmedauer wollen Mediziner sichergehen, dass auch wirklich alle Erreger abgetötet werden und sich keine resistenten Keime bilden. Allerdings kann eine übermäßige Einnahmedauer auch genau das Gegenteil bewirken: Das Mittel tötet alle empfindlichen Erreger ab. So haben bereits vorhandene antibiotikaresistente Keime mehr Platz und gedeihen umso besser.

Die Dauer der Einnahme sollte der Arzt daher je nach Erkrankung des Patienten individuell festlegen.

Problem 2: Ärzte verschreiben zu oft Antibiotika

Etwa jede dritte Verschreibung ist überflüssig. Das zeigte 2016 eine Studie des US-Zentrums für Seuchenbekämpfung und -prävention. Wissenschaftler untersuchten die Daten von rund 185.000 Patienten. Ihr Fazit: Jedes Jahr stellen amerikanische Ärzte pro 1000 Einwohner rund 500 Antibiotika-Rezepte aus – dabei wären nur rund 350 Verschreibungen notwendig.

Ein möglicher Grund: Antibiotika wirkt gegen Bakterien, gegen Viren sind die Mittel aber machtlos. Trotzdem verschreiben Ärzte Antibiotika häufig auch bei Virusinfektionen. Oft erkennen Sie schlichtweg nicht, um welche Art der Infektion es sich handelt. Dabei gibt es bereits Bluttests, die in kurzer Zeit klären, ob eine bakterielle Infektion vorliegt und der Einsatz von Antibiotika sinnvoll ist. Ärzte greifen jedoch noch zu selten darauf zurück. 

Problem 3: Ärzte verschreiben unwirksame Antibiotika

Hat sich ein Antibiotikum bewährt, kommt es immer wieder zum Einsatz. Manche Ärzte verschreiben daher seit Jahren das gleiche Mittel – auch wenn es längst nicht mehr so gut wirkt wie früher.

Ein Antibiogramm könnte das Problem lösen. Der Abstich soll innerhalb von 48 Stunden zeigen, welches Antibiotikum gegen den Erreger hilft – und welches unwirksam wäre. Laut einer Erhebung der Betriebskrankenkasse Nordwest unter rund sieben Millionen Versicherten kommt das 5,40 Euro teure Verfahren allerdings noch kaum in Arztpraxen zum Einsatz.

 

Auch im Video: In Kombination mit Kaffee können bestimmte Medikamente Ihrem Körper schaden

Mythos 1 – Antibiotika helfen gegen Erkältung

Das ist ein Irrglaube. Atemwegs­infekte wie Hals­entzündung, Schnupfen, Husten und Bronchitis sind meist durch Viren bedingt. Dagegen helfen Antibiotika nicht, sondern nur gegen Bakterien. Selbst die echte Grippe, bei der Erkältungs­symptome und hohes Fieber zumeist geballt und massiv auftreten, ist eine Viren-Erkrankung. Die Patienten genesen in aller Regel von allein, auch wenn das leider ein bis zwei Wochen, teils auch länger dauern kann. Oft helfen Ruhe, viel trinken und rezeptfreie Erkältungsmittel. Die Arznei­mittel­experten der Stiftung Warentest informieren in der Daten­bank Medikamente im Test über die besten Medikamente gegen Husten, Schnupfen, Halsschmerzen, Paracetamol und Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen.

Wenn Bakterien dazu­kommen. Mitunter siedeln sich Bakterien aber im vorbelasteten Gewebe an. Anzeichen können etwa eitrige Mandeln oder grünlicher Auswurf sein. Das ist mit dem Arzt zu klären. Er kann auch Labor­methoden einsetzen – etwa Schnell­tests auf Streptokokken bei Infekten mit Hals­schmerzen – oder ein Antibiogramm. Dazu nimmt er eine Probe vom Patienten. Mit einem Nähr­medium versetzt, zeigt sie im Labor, ob und welche Antibiotika gegen die Erreger wirken.

Mythos 2 – Antibiotika machen mich resistent

Antibiotika gleiches mehrmals nehmen

Erfasst. Rund um wirk­same Antibiotika wachsen keine Keime. © Getty Images / A. Brookes

Das ist nicht korrekt ausgedrückt, aber wichtig. Der menschliche Körper gewöhnt sich nicht an Antibiotika – Bakterien aber schon. Manche werden widerstands­fähig (resistent) gegen die Arzneien. Das passiert oft durch zufäl­lige Mutationen im Erbgut der Erreger, die sie an ihre Nach­kommen weitergeben. Resistente Keime können schwere Infektionen verursachen, weil ursprüng­lich hilf­reiche Medikamente nichts mehr gegen sie ausrichten. Antibiotika sollten daher nicht unnötig genommen werden, damit sie wirk­sam bleiben.

Fleisch ist belastet. Auch Nutztiere erhalten teil­weise Antibiotika. Entsprechend wurden in vielen Fleisch­proben resistente Keime entdeckt, so bei unserem Test von Hähnchenschenkeln. Von dort können die Erreger auf Menschen übergehen. Küchenhygiene schützt, dazu zählt: Hände vor und nach der Zubereitung von Speisen waschen und Fleisch gut kochen oder durch­braten. Das tötet Keime ab – auch resistente. test.de nennt Zehn Fakten, die Sie kennen sollten.

Mythos 3 – Antibiotika gehören in jede Haus­apotheke

Falsch. Antibiotika sind nicht ohne Grund rezept­pflichtig. Der Arzt muss im konkreten Krank­heits­fall entscheiden, ob ein Antibiotikum erforderlich ist – und gegen welche Bakterien. Patienten sollten übrig gebliebene Antibiotika daher auch nicht aufheben und schon gar nicht an Dritte weitergeben. Selbst wenn jemand an ganz ähnlichen Symptomen leidet, könnten andere Erreger die Ursache sein.

Sicher entsorgen. Alte oder über­zählige Arzneien gehören nicht in den Abfluss oder die Toilette. Klär­anlagen entfernen sie nicht komplett. Dann können sie Gewässer, Tiere und Pflanzen belasten. Antibiotika zum Beispiel begüns­tigen womöglich draußen in der Natur die Bildung resistenter Bakterien. Sicherer entsorgen lassen sich Medikamente mit dem Hausmüll, der meist verbrannt wird. Der Königsweg: Alt-Arznei­mittel bei Schad­stoff­sammelstellen abgeben.

Mythos 4 – Antibiotika sind gefähr­liche Arzneien

Antibiotika gleiches mehrmals nehmen

Kindgerecht. Manche Antibiotika gibt es als Saft – gut dosier­bar für Kinder. © Getty Images / ruizluquepaz

Meist nicht. Antibiotika sind nicht per se riskanter als andere Medizin. Sie können aber durch­aus Neben­wirkungen verursachen. Zu den leichteren Beschwerden gehören etwa Magen-Darm-Beschwerden wie Durchfall und Erbrechen. Jeder zehnte vermutet auch, allergisch auf die Antibiotika-Gruppe Penicilline zu reagieren, in Wirk­lich­keit betrifft das laut einer Studie im Fachjournal Jama nur jeden Zwei­hundertsten. Gravierende Neben­wirkungen wie Sehnenrisse, Nervenschäden und psychische Erkrankungen können die Fluorchinolon-Antibiotika haben. Diese Antibiotika mit den Wirk­stoffen Cipro­floxacin, Levofloxacin oder Ofloxacin wurden bis vor Kurzem noch viel verordnet. Pharmafirmen haben Ärzte jetzt auf Veranlassung europäischer Zulassungs­behörden aufgefordert, diese Medikamente nicht mehr breit zu verschreiben. Mehr über Neben­wirkungen und allgemeine Infos zu Antibiotika finden Sie in unserer Medikamenten­daten­bank.

Darm ist gestresst. Im menschlichen Darm leben Hunderte verschiedener Bakterien­arten. Sie leisten dem Körper wert­volle Dienste, etwa bei der Verdauung. Oft unterscheidet ein Antibiotikum nicht zwischen den nützlichen und schädlichen Keimen, es zieht also auch gesunde Darmbe­wohner in Mitleidenschaft. Nach der Behand­lung erholt sich die Besiedelung in aller Regel wieder. Mittel zum „Aufbau der Darm­flora“, etwa mit Milchsäurebakterien oder Hefepilzen, können laut Studien möglicher­weise dabei helfen. Manche Experten empfehlen, wegen der enthaltenen Bakterien viel Joghurt zu essen – beispiels­weise Naturjoghurt.

Kinder sind empfindlich. Bei kleinen Kindern entwickelt sich die Darm­flora noch. Wenn sie oft Antibiotika bekommen, könnte sich das negativ auswirken, auch lang­fristig. Zu den möglichen Folgen zählen Überge­wicht und Asthma, lässt eine Studie im Fachjournal Nature Communications aus dem Jahr 2016 vermuten. Besonders hoch war das Risiko bei Makrolid-Antibiotika wie Erythromyzin. Das ist natürlich kein Grund, im Ernst­fall kein Antibiotikum zu geben. Doch sollten Eltern und Ärzte gut abwägen, ob es wirk­lich notwendig ist. Bei Atemwegs­infekten, die bei Kindern besonders oft auftreten, nützt es ohnehin meist nichts (siehe Mythos 1).

Mythos 5 – Antibiotika sind die reinsten Chemiekeulen

Das stimmt nicht. Die meisten Antibiotika sind natürlichen Ursprungs. Das erste breit genutzte Antibiotikum, Penicillin, stammt aus Schimmelpilzen der Gattung Penicillium. Als Entdecker gilt der Mikrobiologe Alexander Fleming. Er experimentierte 1928 mit Bakterien und bemerkte zufäl­lig, dass eine seiner Kulturen mit dem Pilz verunreinigt war – genau in diesem Bereich wuchsen keine Keime. Auch viele andere Antibiotika sind Naturstoffe aus Pilzen oder anderen Mikro­organismen. Manche werden heut­zutage chemisch abge­wandelt oder komplett synthetisch produziert.

Effekte unterscheiden sich. Es gibt inzwischen eine Vielzahl von Antibiotika. Sie lassen sich je nach Struktur und Wirk­weise in Gruppen einteilen und haben unterschiedliche Angriffs­punkte in Bakterien­zellen. Manche bekämpfen nur bestimmte Erreger – andere, sogenannte Breitbandantibiotika, viele verschiedene. Daher ist es wichtig, dass der Arzt ein passendes Mittel auswählt.

Mythos 6 – Wer sich besser fühlt, kann sein Antibiotikum absetzen

Das ist nicht richtig. Viele Antibiotika wirken schnell und drücken die Zahl der krankmachenden Keime zügig so stark herunter, dass Patienten kaum noch Symptome spüren. Das heißt aber nicht auto­matisch, dass die Bakterien bereits komplett beseitigt sind. Über­lebende können sich beim Absetzen der Arznei wieder ungestört vermehren, also mit voller Wucht zurück­kommen.

Ausreichend Zeit geben. Auch resistente Keime (siehe Mythos 2) scheint es zu fördern, wenn Antibiotika zu kurz oder zu nied­rig dosiert einge­setzt werden. Patienten sollten die Mittel daher so lange nehmen, wie mit dem Arzt besprochen. Oft heißt das: bis zum Ende der Packung. Ebenfalls wichtig sind die zeitlichen Abstände. „1 x täglich“ heißt ungefähr alle 24 Stunden einnehmen, „2 x täglich“ oder „3 x täglich“ entsprechend etwa alle zwölf beziehungs­weise acht Stunden. So bleiben die Konzentrationen des Antibiotikums im Blut konstant – das ist gut für die Wirkung.

Mythos 7 – Antibiotika vertragen sich nicht mit Milch

So pauschal stimmt das nicht. Das gilt nur für manche Antibiotika, zum Beispiel für die Wirk­stoffe Tetra­zyklin, Doxy­zyklin, Mino­zyklin oder Cipro­floxazin und Norfloxazin. Solche Substanzen können mit Kalzium aus Milch im Magen und Darm schwer lösliche Verbindungen eingehen. Das behindert die Aufnahme der Mittel ins Blut und lässt sie schwächer wirken. Daher: Vor und nach der Einnahme mindestens zwei Stunden auf Milch verzichten – auch auf kalziumreiches Mineral­wasser und Milch­produkte wie Käse, Quark oder Joghurt. Grund­sätzlich schluckt man Antibiotika – egal welche – am besten mit einem großen Glas Leitungs­wasser.

Den Beipack­zettel lesen. Viele weitere Wechsel­wirkungen sind möglich, daher: Beipack­zettel beachten. Teils sind Antibiotika zum Beispiel zur Mahl­zeit zu nehmen, teils mit etwas Abstand vorher oder nachher. Wichtig für Frauen: Die Mittel können die verhütende Wirkung der Pille mindern, etwa weil sie die Darm­flora (siehe Mythos 4) und damit die Aufnahme der Hormone beein­trächtigen. Während der Therapie daher gegebenenfalls zusätzlich mit Kondomen schützen. Ebenfalls nicht zu unterschätzen: Manche Antibiotika vertragen sich nicht mit Alkohol. Er wirkt zum Beispiel zusammen mit Metronidazol oft weit­aus stärker als gewöhnlich. Weil Alkohol Organe und Gewebe zusätzlich strapazieren und daher die Genesung behindern kann, raten manche Mediziner grund­sätzlich davon ab, solange Patienten ein Antibiotikum einnehmen – egal um welchen Wirk­stoff es sich handelt.

Dieses Stück ist erst­mals am 25. Januar 2017 auf test.de erschienen. Es wurde am 3. April 2020 aktualisiert.

Wie oft darf man das gleiche Antibiotika nehmen?

Antibiotika wirken nicht nur gegen krankmachende Erreger, sondern auch gegen nützliche Bakterien, die auf der Haut und den Schleimhäuten leben. Grundsätzlich gilt daher für den Einsatz von Antibiotika: So oft wie notwendig und so selten wie möglich.

Wie lange Pause zwischen zwei Antibiotika?

Spricht der Arzt von "1x1 täglich", dann bedeutet das: Etwa alle 24 Stunden die Tablette oder die Creme anwenden. Mit "2x1 pro Tag" ist gemeint, das Präparat im Abstand von zirka 12 Stunden zu verwenden. "3x1 am Tag" heißt, ungefähr alle acht Stunden nehmen.

Kann man nach 3 Wochen wieder Antibiotika nehmen?

Neue Regeln für die Dauer der Einnahme Früher hieß es: Das Antibiotikum sollte so lange wie möglich genommen werden. Heute lautet die Empfehlung: So lange wie nötig – so kurz wie möglich. Studien zeigen, dass bei bestimmten Infektionen eine kürzere Einnahmezeit genauso wirksam ist wie eine längere.

Was kann passieren wenn man zu oft Antibiotika nimmt?

Werden Antibiotika sehr häufig eingesetzt, kann sich ein resistent gewordener Erreger besonders gut vermehren, da seine Antibiotika-empfindlichen Artgenossen ja gehemmt werden. Infiziert sich nun ein Mensch mit dem resistenten Erreger, helfen Antibiotika nicht mehr.