Am 31.12.2022 wird um 19 Uhr der sogenannte „Ausnahmezustand Silvester“ ausgerufen. Ein geplanter Ausnahmezustand bedeutet, dass zusätzliche Führungsdienste eingesetzt und die Personalstärke auf den Feuerwachen sowie den Organisationseinheiten erhöht werden. Außerdem wird der Stab Feuerwehr einberufen, um das Lagebild kontinuierlich zu beurteilen. Weiterhin werden die Freiwillige Feuerwehr sowie die Hilfsorganisationen und die Bundesanstalt Technisches Hilfswerk einbezogen. Darüber hinaus stellen viele Organisationseinheiten Rufbereitschaften. Auch zahlreiche Mitarbeitende, die sich in der Laufbahn- oder Notfallsanitäterausbildung befinden, werden in der Silvesternacht Einsatzdienst versehen.
Personalstärke in der Silvesternacht
Insgesamt werden in der Silvesternacht:
- 707 Einsatzkräfte der Berufsfeuerwehr im Dienst sein,
- 520 ehrenamtliche Kräfte von 59 Freiwilligen Feuerwehren den Einsatzdienst unterstützen
- und 395 Fahrzeuge besetzt.
In der Leitstelle werden 70 Mitarbeitende tätig sein. Im Regelbetrieb sind es nachts 24.
Außerdem werden:
- 90 Kräfte der Hilfsorganisationen und der Bundeswehr (Rettungsdienst)
- und ca. 42 Kräfte der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk unterstützend tätig.
Somit wird die Personalstärke im Vergleich zum Regelbetrieb nahezu verdreifacht (1429). Für gewöhnlich sind nachts 531 Kräfte der Berufsfeuerwehr im Dienst.
Durchschnittlich bewältigt die Berliner Feuerwehr pro Tag 1.400- 1600 Einsätze.
Landesbranddirektor befürchtet Übergriffe auf Einsatzkräfte
„Wie die Jahre zuvor wird uns auch diese Silvesternacht große Herausforderungen stellen. Die Pandemielage scheint in diesem Jahr eine andere zu sein. Auch der Umgang mit Feuerwerk ist bis auf einige Bereiche im Stadtgebiet wieder gestattet“, sagte Landesbranddirektor Dr. Karsten Homrighausen im Bezug auf die Einsatzvorbereitungen der Silvesternacht.
Weiterhin betont Dr. Homrighausen: „Die meisten Verletzungen durch Pyrotechnik sind auf unsachgemäßen Gebrauch zurückzuführen und viele Brände entstehen durch fehlgeleitete Raketen. Jeder Brand und jede verletzte Person ist hier ein Notfall zu viel, aber wir sind auf eine Häufung dieser Einsätze in der Silvesternacht vorbereitet.“
„Wenn Sie feiern, bitte mit Bedacht und Achtsamkeit.“
Brand- und Verletzungsgefahren können mit einfach zu merkenden Verhaltenstipps reduziert werden.
Sicherheitstipps zum Umgang mit Feuerwerkskörpern finden Sie zusammengefasst auf der Website der Berliner Feuerwehr:
Die Frage lässt sich nicht in wenigen Worten beantworten. Die kritischen Situationen zur Beurteilung der Handlungsfähigkeit der Berliner Feuerwehr sind gerade nicht die Extremereignisse, sondern der Einsatzalltag.Stark vereinfacht:
- Die Berliner Feuerwehr besteht aus Freiwilliger und Berufsfeuerwehr. Die Aufgabe der Berufsfeuerwehr ist die schnelle Abdeckung der Masse des täglichen Einsatzgeschehens in der Brandbekämpfung, Technischen Hilfeleistung und im Rettungsdienst in Berlin.
- Die Vorhaltung einer Berufsfeuerwehr ist teuer. Daher werden in ganz Deutschland Berufsfeuerwehrkräfte nur an den Orten mit hoher Einsatzbelastung stationiert. Allen anderen Bereiche werden jeden Tag durch die ehrenamtlichen Freiwilligen Feuerwehren abgedeckt. Das ist auch in Berlin so.
- In ganz Deutschland basiert die Gefahrenabwehr durch die Feuerwehren auf diesem System aus Haupt- und Ehrenamt. Bei funktionierendem Gemeinsinn ist sehr stark und effizient.
Das Problem in Berlin ist, dass die Berufsfeuerwehr im Alltag die Abdeckung ihrer Einsatzgrundlast nicht mehr alleine bewältigt.
Zur Erfüllung der täglichen Gefahrenabwehr muss zunehmend auf die Ressourcen der Freiwilligen Feuerwehren zurückgegriffen werden. Beispielhaft ist der Rettungsdienst. Hier sollten die Freiwilligen Feuerwehren eigentlich nur eingesetzt werden, wenn es auf jede Sekunde ankommt. Dann, wenn die Freiwilligen Feuerwehren aufgrund der örtlichen Nähe schneller bei diesen kritischen Patienten sein können, als der mitalarmierte Rettungswagen.
Die Abbildung zeigt die Entwicklung der Einsatzzahlen der Freiwilligen Feuerwehren in Berlin in den letzten Jahren. 2018 waren es mehr als doppelt so viele Rettungsdiensteinsätze, wie in der technischen Hilfeleistung und Brandbekämpfung zusammen.
Abbildung 1: Entwicklung der Einsatzzahlen der Freiwilligen Feuerwehren
Tatsächlich sind die Freiwilligen Feuerwehren an ca. 25% aller Einsätze im Bereich Brandbekämpfung und Technische Hilfeleistung in Berlin beteiligt.
Wo liegen die tatsächlichen Probleme?
- Der Berufsfeuerwehr fehlt Personal auf den Feuerwachen, weil die hohen Einsatzzahlen im Rettungsdienst die vorhandenen Ressourcen verbrauchen. Diese Situation wird sich trotz vieler neuer Stellen aber nicht so schnell ändern.
- Beiden, also Berufs- und Freiwilliger Feuerwehr, fehlt aufgrund der vergangenen 20 Jahre Sparwirtschaft modernes personaleffizient einsetzbares Material. So kommt es, dass Freiwillige Feuerwehren trotz verfügbarem Personal nicht immer helfen können, obwohl sie wollten, weil Löschfahrzeuge fehlen bzw. abgezogen wurden.
- Die Kombination aus zunehmender Einsatzbelastung der Freiwilligen Feuerwehren, den weiterhin desolaten Zuständen bei Einsatzmaterial und Wachen und dem Widerspruch zwischen politischen Willenbekundungen und tatsächlicher rascher Umsetzung ist gefährlich für die Motivation der Angehörigen der Freiwilligen Feuerwehren. Berlin wird aber in den nächsten Jahren noch viel mehr auf das Engagement dieser Freiwilligen Feuerwehrangehörigen angewiesen sein.
Das Problem ist also nicht, dass bei Großbränden die Freiwilligen Feuerwehren die leeren Berufsfeuerwachen besetzen oder ebenfalls zu diesen Einsatzstellen fahren, wie häufig in schlecht informierten Medien zu lesen ist. Das tatsächliche Problem ist,
- dass es jeden Tag nicht oder nicht vollständig besetzte Einsatzfahrzeuge auf mehreren Wachen der Berufsfeuerwehr gibt,
- dass in Folge dessen schon bei mehreren kleineren Einsätzen zahlreiche Berufsfeuerwachen in einem größeren Gebiet leer sind,
- dass diese Fälle zu häufig vorkommen, bzw. die Zeitspanne der vielen gleichzeitigen kleineren Einsätze zu kurz sind, um mit Hilfe der Freiwilligen Feuerwehren (B-Wehren) auszuhelfen und
- außerhalb des Innenstadtbereiches diese Einsatzlast von den dortigen Freiwilligen Feuerwehren (A-Wehren) aufgefangen werden muss.
Genau diese von der Öffentlichkeit unbemerkten Tagessituationen gefährden die Handlungsfähigkeit der Berliner Feuerwehr bzw. vielmehr die Menschen in Berlin.
Die Feuerwehr ist für den Hilfesuchenden nämlich nur dann wirklich nützlich, wenn sie
- mit der richtigen Anzahl und Art von Einsatzmitteln
- am richtigen Ort
- mit ausreichender Personalstärke
- schnell eintrifft.
Das viele Feuerwehrfahrzeuge mit Blaulicht und Martinhorn große Strecken durch die Stadt zurücklegen ist also mitnichten ein Zeichen von Handlungsfähigkeit.