Wer sitzt rechts neben dem bundestagspräsident

Stand: 19.10.2021 18:44 Uhr

Die FDP will weg von der AfD - und im Bundestag näher an Grüne und SPD rücken. Das geht nur mit einem Tausch mit der Union. Doch die lehnt Änderungen an der Sitzordnung ab. Die Linkspartei wiederum kann die FDP verstehen.

Mit der neuen Legislaturperiode ist auch der Streit um die Sitzordnung im Bundestag neu entbrannt. Schon nach der Wahl 2017 hatten die Liberalen beantragt, mit CDU/CSU im Plenarsaal die Plätze tauschen zu wollen. Bisher sitzen dort - vom Platz des Bundestagspräsidenten aus gesehen - die AfD ganz rechts, daneben die FDP, dann die Union, die Grünen, die SPD und am linken Rand die Linkspartei. Nach der Bundestagswahl erneuerte die FDP ihre Forderung und stellte einen Antrag auf Änderung der Sitzordnung - doch das stößt auf Ablehnung der Union.

Der Parlamentarische Geschäftsführer Stefan Müller (CSU) sagte auf Anfrage der Nachrichtenagentur dpa: "Die Sitzordnung im Deutschen Bundestag ist kein Karussell, das nach Belieben herumgedreht werden sollte. Es gibt keinen schlüssigen Grund, die bekannte Sitzordnung zu verändern." Ein führendes Fraktionsmitglied betonte gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters: "Die Sitzordnung ist politisch."

Politisch heikel

Politisch heikel ist sie im Falle des Zustandekommens einer Ampel-Koalition auf jeden Fall. Denn die FDP setzt mit ihrem Antrag zum einen darauf, dass SPD und Grüne dem neuen Partner die nötige Mehrheit gegen CDU/CSU verschaffen. Zum anderen wollen die drei Ampel-Parteien den Eindruck erwecken, dass sie eine Koalition der Mitte bilden - das würde optisch unterstrichen, wenn sie die Mitte-Plätze im Bundestag einnehmen würden und die Union nach rechts rücken müsste.

"Kein Spaß, neben der AfD zu sitzen"

Für die FDP geht es in der Frage auch um Symbolik, wie aus den Reihen der Liberalen zu hören ist. Die FDP sei die Partei der bürgerlichen Mitte, während sich CDU und CSU rechts der Mitte definieren würden. Ein Sitzplatz zwischen SPD und Union müsse schon deshalb sein, weil man mit beiden und auch mit den Grünen in den Ländern koaliere.

Zudem sei es "kein Spaß, neben der AfD zu sitzen", sagte Vize-Fraktionsvorsitzende Stephan Thomae kürzlich der "Augsburger Allgemeinen" und sprach von "vulgären" Kommentaren, die sich Frauen seiner Fraktion aus den Reihen der AfD anhören müssten, sowie von Gesprächen, in die man verwickelt werde, aber gar nicht führen wolle.

"Volle Unterstützung" der Linkspartei

Unterstützung bekommen die Liberalen von der Linkspartei. "Jeder Demokrat, der nicht mehr neben der AfD sitzen möchte, hat meine volle Unterstützung", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Linken-Fraktion, Jan Korte, der Nachrichtenagentur Reuters. "Wir hatten in der Opposition eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der FDP, insbesondere wenn es um Bürgerrechte oder die Rechte des Parlaments ging", fügte er als Begründung hinzu, wieso die Linken die Liberalen unterstützen wollen.

Korte lieferte noch einen Grund, wieso seine Fraktion den Wunsch der Liberalen unterstützen will: "Den Wunsch, nicht mehr neben der AfD zu sitzen, betrachte ich außerdem als ein Zeichen dafür, dass die Tür für eine Zusammenarbeit mit den Rechtsextremisten von der AfD ein für alle Mal geschlossen ist und sich Vorgänge wie in Thüringen damit nie wiederholen", sagte er in Anspielung auf den 5. Februar 2020 in Erfurt. Damals hatte sich der FDP-Politiker Thomas Kemmerich im thüringischen Landtag mit Stimmen der AfD zum Ministerpräsidenten wählen lassen.

Erstmal ändert sich nichts

Wie der Streit um die Plätze enden wird, ist fraglich. Bei der konstituierenden Sitzung des Bundestags jedenfalls bleibt noch alles beim Alten, dafür hat der noch amtierende Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) nach Absprache mit dem sogenannten Vor-Ältestenrat gesorgt. Aber dann wird angesichts der neuen Kräfteverhältnisse im Parlament ein neuer Bundestagspräsident gewählt. Und dann müssen SPD und Grüne entscheiden, ob sie ihrem designierten Partner FDP folgen oder aber an der alten Tradition festhalten. Beide Fraktionen betonten, dass man sich noch nicht entschieden habe.

Das neu gewählte Parlament kommt zum ersten Mal zusammen. Wer sitzt wo im Bundestag? Warum will keiner neben die AfD? Und welche Rolle bleibt der scheidenden Kanzlerin? Antworten auf die wichtigsten Fragen zur konstituierenden Sitzung.

Genau 30 Tage hatten die Handwerker im Reichstag Zeit, den Plenarsaal startklar für die erste Sitzung des neuen Bundestags zu machen. Es war viel zu tun, denn der Bundestag wird 2021 ordentlich durchgemischt. Es wurde geschraubt und gehämmert, Stühle wurden versetzt, Tische montiert und Mikrofone neu verkabelt.

Das Ergebnis des Umbaus kann man sich kommenden Dienstag ab elf Uhr ansehen. Dann kommt der neu gewählte Bundestag erstmals zusammen.

Wer eröffnet die konstituierende Sitzung und was passiert da?

Bundestagspräsident wird Wolfgang Schäuble (CDU) künftig nicht mehr sein. Er darf aber als Alterspräsident die konstituierende Sitzung eröffnen - und sich mit einer Rede prominent verabschieden. Dabei ist der 79-Jährige gar nicht der älteste Abgeordnete. Das ist Alexander Gauland, 80, von der AfD. Warum Gauland dann nicht Alterspräsident ist? Als 2017 die AfD in den Bundestag einzog und einer aus ihrer Fraktion ältester Abgeordnete war, wurde flugs eine neue Regelung gefunden. Jetzt ist nicht mehr das Alter entscheidend, sondern wer dem Bundestag am längsten angehört. Schäuble wurde 1972 zum ersten Mal ins deutsche Parlament gewählt, da kommt kein anderer Abgeordneter auch nur annähernd ran.

Nach der Eröffnung durch Schäuble wird über die neue Geschäftsordnung abgestimmt. Der wichtigste Tagesordnungspunkt ist die Wahl des Bundestagspräsidiums, also der Bundestagspräsidentin und Nachfolgerin Schäubles - es wird dieses Mal wohl eine Frau - sowie ihrer Stellvertreterinnen und Stellvertreter. Kann der Zeitplan eingehalten werden, singen die neu gewählten Abgeordneten zum Abschluss der Sitzung um 15 Uhr die deutsche Nationalhymne.

Wer sitzt im neuen Bundestag?

So groß wie jetzt war der Bundestag noch nie. 736 Abgeordnete insgesamt, 27 mehr als bislang. 255 davon sind Frauen, 480 Männer. Das entspricht einem Frauenanteil von 34,7 Prozent, und der ist damit immerhin etwas gestiegen. Zuletzt waren es nur 31 Prozent. 83 der 735 Abgeordneten im neuen Bundestag haben eine Migrationsgeschichte. Das entspricht einem Anstieg von 3,1 Prozent. Auch verjüngt hat sich der neue Bundestag ein wenig: Im Durchschnitt haben die Abgeordneten ein Alter von 47,5 Jahren, in der vorherigen Legislatur lag der Schnitt bei 49,4 Jahren. Das jüngste Mitglied ist Emilia Fester von den Grünen mit 23 Jahren. 279 Abgeordnete sind neu im Parlament.

Wer kommt ins Präsidium des Bundestags?

Die größte Fraktion im Bundestag stellt traditionell auch den Bundestagspräsidenten - das formell zweithöchste Amt im Staat. Im neuen Bundestag ist die SPD die stärkste Fraktion und hat als Bundestagspräsidentin Bärbel Bas aus Duisburg vorgeschlagen. Sie wird im Anschluss an ihre wahrscheinliche Wahl eine Rede halten.

Ein Vize-Präsidenten-Posten steht grundsätzlich jeder im Bundestag vertretenen Partei zu. Im Fall der SPD wird für das begehrte Amt wohl Aydan Özoğuz kandidieren. Die Grünen haben Claudia Roth nominiert, bei der FDP soll es Wolfgang Kubicki machen, für die Linke Petra Pau. Alle vier werden auch mit großer Wahrscheinlichkeit gewählt. Roth, Kubicki und Pau hatten das Amt bereits in der abgelaufenen Legislaturperiode inne. Bei der Union gab es mehrere Interessenten. Sogar eine Kampfabstimmung schien möglich. Annette Widmann-Mauz, Tübinger Abgeordnete und Staatsministerin für Integration, hatte Interesse angemeldet - genauso wie Monika Grütters, Parlamentsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer und Ex-Gesundheitsminister Hermann Gröhe. Geeinigt hat man sich dann überraschend auf die 41-jährige Yvonne Magwas. (Mehr dazu hier.)

Ein Sonder- und Problemfall ist die AfD. Bislang war keiner aus ihren Reihen im Präsidium vertreten. Denn jeder der insgesamt sechs Kandidaten, welche die AfD-Fraktion im Lauf der vergangenen vier Jahre aufgestellt hatte, ist bei den jeweiligen Abstimmungen durchgefallen. Diesmal versucht sie es mit dem Ingenieur und Hochschullehrer Michael Kaufmann aus Jena. Die Chancen für seine Wahl sind allerdings verschwindend gering, die Skepsis bei den anderen Fraktionen groß. "Man kann es nur so bewerten, dass ein großer Teil der Abgeordneten ausgrenzen und spalten möchte", sagte Kaufmann dazu. Kaufmann war bisher Vizepräsident des Thüringer Landtags gewesen. Er habe noch am vergangenen Freitag eine Sitzung geleitet, sagte er. Er habe dieses Amt immer gewissenhaft und unparteiisch ausgeübt. Genauso würde er dies auch im Bundestag machen.

Wer sitzt wo im Bundestag?

Die FDP will nicht mehr neben der AfD Platz nehmen. Stattdessen möchte sie in die Mitte des Plenums, die Union soll dafür wiederum nach rechts rücken. Die selten gestellte Frage, wer wo im Reichstag sitzt, wird damit plötzlich zum Streitfall. Denn es geht der FDP nicht nur um den oft lautstarken, oft pöbelnden, oft nervenden Nachbarn rechts. Es geht auch um Symbolisches und damit Politisches. Die FDP würde in die Mitte rücken, da wo sie sich politisch selbst immer wieder mit Nachdruck verortet. Die Liberalen säßen dann neben den Grünen, dann käme die SPD. Die wahrscheinlichen neuen Koalitionäre würden also in der Mitte des Bundestags einen Block bilden.

Ob es so kommt, ist noch nicht entschieden. Die Union will keinesfalls umziehen. Die Spitze der Unionsfraktion hat die FDP-Pläne scharf kritisiert. In der deutschen Parlamentsgeschichte sei es immer so gewesen, dass die FDP vom Präsidium aus gesehen rechts von der Union gesessen habe, sagte Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt betonte: "Die Sitzordnung im Deutschen Bundestag ist kein Karussell, das man immer wieder neu drehen kann." Es gebe traditionelle, angestammte und demokratisch legitimierte Plätze. Brinkhaus betonte: "Wir haben unseren Platz, den möchten wir also auch entsprechend gerne behalten, weil wir auch in der Mitte des politischen Spektrums stehen als breit aufgestellte Volkspartei." Wenn man die Union womöglich überstimmen werde, wäre dies sehr bedauerlich und falsch. "Ich glaube, man sollte mit neu gewonnener Macht dann auch entsprechend angemessen umgehen", sagte Brinkhaus, der erklärte, er hoffe auf Einsicht der künftigen Ampel-Koalition.

Bei der ersten Sitzung bleibt es jedenfalls bei der bisherigen Sitzordnung. Der neue Ältestenrat kann später eine neue beschließen. Wird keine einvernehmliche Lösung gefunden, reicht bei einer Abstimmung die einfache Mehrheit. Die Linke hat schon angekündigt, den Wunsch der FDP zu unterstützen. Ob das auch Grüne und SPD tun, ist noch nicht sicher, falls es aber zu einer Ampel kommt, dürften die Koalitionspartner ihre Zustimmung kaum verweigern.

Welche Auswirkungen haben die Corona-Regularien?

Inmitten der Corona-Pandemie ist die erste Sitzung des neuen Parlaments auch organisatorisch herausfordernd. Bisher galten einfache Abstandsregeln, um Schutz vor Corona-Infektionen zu gewähren. Das bedeutet, dass nicht alle der bisher 709 Parlamentarier gleichzeitig in den Bundestag kommen konnten. Da aber bei der konstituierenden Sitzung alle frisch gewählten 736 Mitglieder des Bundestags dabei sein sollen, gelten am Dienstag strengere Regeln. Nur wer getestet, geimpft oder genesen ist, darf den Plenarsaal betreten.

Das könnte dazu führen, dass einige Parlamentarier, die sich der 3G-Regel nicht unterwerfen wollen, auf einer der Zuschauertribünen Platz nehmen müssen. Die dafür bereitgestellten 60 Sitzplätze auf der Tribüne stehen aber auch Abgeordneten offen, die aufgrund der pandemischen Lage besonderen Wert auf einen Mindestabstand von 1,5 Metern legen. Damit auch die Parlamentarier auf der Tribüne ihr Recht wahrnehmen und das Bundestagspräsidium mitwählen können, sind auch auf der Tribüne Wahlkabinen und eine Wahlurne installiert.

Wo sind Merkel und die Regierungsmitglieder?

Mit der Konstituierung des neuen Bundestags endet die Amtszeit von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihren Ministern. Die Regierungsbank bleibt deshalb leer, scheidende Kabinettsmitglieder sehen bei der Sitzung von der Besuchertribüne aus zu. Somit wird auch Angela Merkel nicht mehr im Plenarsaal, sondern auf der Ehrentribüne sitzen. Hier wird es besonders voll: Neben dem Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier, Ehrengästen und scheidenden Ministern, sind auch jene Abgeordnete eingeladen, die den Bundestag gerade verlassen haben.

Und wo sitzt der wahrscheinlich künftige Kanzler Olaf Scholz (SPD)? Der nimmt als einfacher Parlamentarier in den Reihen seiner Fraktion Platz. Denn bis ein neues Kabinett steht und ein neuer Kanzler die Geschäfte übernimmt, bleibt Angela Merkel zumindest kommissarisch im Amt.

Wer sitzt rechts im Bundestag?

Von ihm aus rechts im Halbkreis sitzen die Abgeordneten der AfD. Daneben sitzen die Abgeordneten der CDU/CSU und anschließend mittig die FDP. Links-mittig sitzt die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen, und in der linken Hälfte des Plenums hat die SPD-Fraktion ihren Platz.

Wer steht dem Präsidium zur Seite?

Amtsinhaberin ist seit dem 26. Oktober 2021 die SPD-Bundestagsabgeordnete Bärbel Bas.

Wie verteilen sich die Sitze im Bundestag?

Die Bundesländer erhalten den Anteil der Sitze, der Ihrem Bevölkerungsanteil entspricht. Die Parteien erhalten den Anteil dieser (Landes-)Sitze, der ihrem Zweitstimmenanteil (im Land) entspricht. Alle direkt gewählten Kandidaten sind im Bundestag vertreten.

Wer sitzt im Präsidium?

Das Präsidium des 20. Deutschen Bundestages besteht aus der Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) sowie den fünf Stellvertretern Aydan Özoğuz (SPD), Yvonne Magwas (CDU), Katrin Göring-Eckardt (Bündnis 90/Die Grünen), Wolfgang Kubicki (FDP) und Petra Pau (Die Linke).