Was passiert wenn man ein Wattestäbchen zu tief ins Ohr steckt?

Der äußere Gehörgang erstreckt sich über drei bis vier Zentimeter. An seinem inneren Ende wird er durch das Trommelfell vom Mittelohr abgegrenzt. An einer Stelle ist er leicht abgeknickt und verengt, so dass man ohne Hilfsmittel nicht den gesamten Gehörgang einsehen kann.

Viele Kinder in einem gewissen Alter stecken sich alles Greifbare ins Ohr. Von der Erdnuss bis zur Perle kann beim Kind jeder erdenkliche Gegenstand ins Ohr gelangen und sich dort festsetzen. Beim nicht fachgerechten Versuch, sie zu entfernen, rutschen die Gegenstände häufig immer tiefer hinein.

Bei Erwachsenen wird das Gefühl eines Fremdkörpers im Ohr meist durch einen Ohrenschmalzpfropf ausgelöst. Das Ohrenschmalz (Cerumen) wird aus dem gelblichen Sekret der im äußeren Teil des Gehörgangs liegenden Talgdrüsen, aus Haarfollikel und abgeschilferten Hornstückchen gebildet. In Form eines Pfropfens kann es im hinteren Teil des Gehörganges vor dem Trommelfell festsitzen (Cerumen obturans). Die Ursache für das Verstopfen ist fast immer ein vorangegangener Reinigungsversuch mit einem Wattestäbchen oder einem anderen Gerät. Das Ohrenschmalz wird dabei nach hinten an das Trommelfell geschoben, wo es stecken bleibt. Häufig bleiben auch Reste von Watte oder Ohrenstöpseln (zum Beispiel aus Wachs) im Gehörgang zurück.

Cerumenpfröpfe können eine beachtliche Größe erreichen und das Hörvermögen deutlich beeinträchtigen. Besonders wenn Wasser in den verstopften Gehörgang gelangt, verschlimmern sich die Beschwerden, weil das Ohrenschmalz aufquillt. Die eigene Stimme klingt dann ungewohnt, da die über den Knochen zum Innenohr geleiteten Schwingungen nun deutlicher wahrgenommen werden als sonst. Begleitend treten häufig ein dumpfes Druckgefühl, Ohrensausen oder Schwindel auf.

Fremdkörper im Ohr von Kindern können beim Hineindrücken oder (häufiger) beim nicht fachgerechten Versuch, sie zu entfernen, Verletzungen herbeiführen. Spitze, längere Gegenstände können das Trommelfell durchstoßen. Sie verursachen dabei einen spitzen Schmerz, gefolgt von einer plötzlichen Hörminderung. Eventuell rinnt danach etwas Blut aus dem Ohr.

Schnitte oder Blutergüsse im Gehörgang sind meist sehr schmerzhaft, da die Haut dort unverschieblich und fest dem Knochen aufliegt. Schwellungen durch Verletzung oder Entzündung führen sehr leicht zu erheblichen Spannungen und Irritationen der empfindlichen Knochenhaut.

Häufig kommt es vor, dass Kleinteile im Ohr der Kinder längere Zeit nicht bemerkt werden. Stecken die Fremdkörper tief im Gehörgang, sind sie von außen nicht mehr sichtbar. Solche vergessenen Fremdkörper können sehr leicht Infektionen auslösen (Gehörgangsentzündung). Die Ohrmuschel ist dabei gerötet, es entwickeln sich Juckreiz und Schmerzen. Insbesondere beim Druck auf den vorderen Ohrknorpel und beim Zug am Ohrläppchen entstehen Schmerzen. Manchmal rinnt etwas gelblicher Eiter aus dem Gehörgang. Eltern erkennen das Problem, wenn sie ihr Kind genau beobachten. Es wird sich immer wieder ans Ohr greifen und sehr unruhig sein oder weinen. Auch beim Kauen tut es weh, sodass das Kind die Nahrungsaufnahme verweigert. Manchmal macht auch ein schlechter Geruch aus dem Ohr auf die Entzündung aufmerksam.

Verbleibt der Gegenstand weiter im Ohr und schreitet die Entzündung fort, kann sich eine eitrige abgekapselte Entzündung (Abszess) bilden, die auf das Mittelohr und den Knochen übergreift.

Fremdkörper erkennt der Arzt oder die Ärztin beim Blick in das Ohr. Zur Inspektion des Gehörganges sollte die Ohrmuschel nach hinten oben gezogen und mögliche Cerumenpfropfen entfernt werden. Eine freie Sicht sollte jedoch nicht erzwungen werden. Der Arzt oder die Ärztin verwendet zur Untersuchung einen Ohrtrichter und ein Ohrmikroskop. Beim Ohrtrichter handelt es sich um ein trichterförmiges Instrument, das in den Gehörgang eingeführt wird. Durch das Ohrmikroskop kann der Gehörgang mit Vergrößerung und Beleuchtung betrachtet werden. Vor der Ohrmikroskopie muss der Gehörgang in manchen Fällen zunächst durch eine Absaugung gereinigt werden. Es werden in der Regel beide Trommelfelle untersucht.

Der Arzt oder die Ärztin kann bei dieser Untersuchung auch feststellen, ob Verletzungen, Infektionen oder Schäden am Trommelfell und im Mittelohr entstanden sind. Nach der Entfernung des Fremdkörpers findet gewöhnlich eine Hörprüfung statt. Manchmal sind eine oder mehrere Nachkontrollen notwendig.

Bei wiederkehrendem Ohrschmalz kann zu Hause zunächst versucht werden, mit lauwarmem Wasser zu spülen. Es gibt außerdem entsprechende Tropfen, die über einige Tage ins Ohr gegeben werden können, um den Pfropf aufzuweichen. Wenn diese Versuche fehlschlagen, das Ohrschmalz zu entfernen, sollte ein Facharzt oder eine Fachärztin für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde (HNO) aufgesucht werden. Verstopfungen durch Ohrenschmalz sollten nicht mit einem Löffel oder ähnlichem Gerät und durch spitze Pinzetten entfernt werden. Das Trommelfell und der Gehörgang könnten dabei leicht verletzt und der Pfropf noch fester hineingedrückt werden.

Der Arzt oder die Ärztin saugt das Ohrschmalz mit einem Sauger ab oder spült den Pfropf mithilfe einer kleinen Wasserdüse heraus. Unter Sichtkontrolle des Ohrmikroskops kann er oder sie das Cerumen auch mit speziellen Ohrküretten (eine Art Löffel aus Metall) herausschälen oder mit Häkchen entfernen.

Fremdkörper müssen immer ärztlich entfernt werden, meist gelingt dies problemlos in der Praxis.
Fremdkörper, die schon lange im Gehörgang eingeschlossen sind und festhängen, entfernt der HNO-Arzt oder die HNO-Ärztin operativ unter lokaler Betäubung (bei Kindern in Vollnarkose). Falls nach der Entfernung Verletzungen zu sehen sind, kann vorsorglich ein Mullstreifen mit antibiotischer Salbe eingelegt werden. Besteht bereits eine Entzündung, verschreibt der Arzt oder die Ärztin gegebenenfalls Antibiotika in Tablettenform. Infektionen im Ohrbereich können in seltenen Fällen wegen der Nähe zum Gehirn zu schweren Komplikationen wie Hirnhaut- oder Gehirnentzündungen führen.

Zur generellen Reinigung des Gehörganges sollten keine Wattestäbchen verwendet werden. Das dort anfallende Ohrenschmalz ist Teil des natürlichen Schutzes dieser Region und muss nicht herausgeholt werden. Beim normalen Waschen des Ohres wird überflüssiges Cerumen auf ungefährliche Weise entfernt. Zu häufiges Reinigen des Gehörgangs, vor allem mit Seifen und Shampoos, verstärkt die Produktion von Ohrenschmalz und führt zu Austrocknung der Haut. Infektionen können die Folge sein.

Sobald Kleinkinder dazu in der Lage sind, stecken sie alles, was klein genug ist, in Mund, Nase und Ohren. Eltern sollten darauf achten, in dieser Entwicklungsphase entsprechende Dinge nicht in Reichweite der Kinder herumliegen zu lassen. Dazu können auch Speisen wie Erdnüsse, Kernobst oder bestimmte Frühstücksflocken zählen. Auch sollten die Altersangaben auf Spielwarenverpackungen beachtet werden. Sie beziehen sich im Kleinkindbereich vor allem darauf, ob ihre Bestandteile in kindliche Körperöffnungen hineinpassen.

  • QUELLEN

    • Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM). Leitlinie: Ohrenschmerzen.(Stand: 01.11.2014 (in Überarbeitung), gültig bis 31.10.2019). Letzter Zugriff: 22.08.2022.
    • DynaMed [Internet]. Ipswich (MA): EBSCO Information Services. 1995 - . Record No. T230359. Cerumen Impaction. [updated 2018 Nov 30]. Registrierung und Login erforderlich.
    • DynaMed [Internet]. Ipswich (MA): EBSCO Information Services. 1995 - . Record No. T909713. Ear Foreign Body Removal. [updated 2018 Nov 30]. Registrierung und Login erforderlich.

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Wie merkt man ob das Trommelfell beschädigt ist?

plötzlich auftretender Ohrenschmerz oder ein plötzlicher Rückgang der Ohrenschmerzen. Ausfluss aus dem Ohr, der blutig oder durchsichtig sein kann oder Eiter ähnelt. Ohrgeräusche oder Ohrensausen. leichter bis hin zu vollständigem Hörverlust.

Wie tief darf man mit Wattestäbchen ins Ohr?

Aufgrund des Selbstreinigungsmechanismus genügt es in der Regel, ausschließlich die Haut der Ohrmuschel und hinter dem Ohr mit den Händen zu reinigen. Dabei ist im äußeren Gehörgang höchstens der kleine Finger erlaubt. Anatomisch bedingt kann der kleine Finger nicht zu tief in den Gehörgang eindringen.

Was passiert wenn man zu tief ins Ohr geht?

Komplikationen. Die häufigste Komplikation einer Trommelfellverletzung ist die Infektion des Mittelohrs durch über den Gehörgang eindringende Bakterien (akute Mittelohrentzündung). Warnhinweise dafür sind zunehmende Ohrenschmerzen und/oder der Austritt von eitrigem Sekret aus dem Ohr.

Wie kann ein Trommelfell durch ein Wattestäbchen verletzt werden?

Platzen oder reißen kann es durch zu hohen Druck, einen Schlag aufs Ohr, den unvorsichtigen Gebrauch von Wattestäbchen oder einem Sturz ins Wasser. Typische Symptome sind stechende Ohrenschmerzen und plötzliche Hörverschlechterung. Suchen Sie im Zweifelsfall immer einen HNO-Arzt auf.

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