Was bedeutend es wenn man viel klopapier braucht

Hart, rau und hauchdünn: Das war das Klopapier der DDR. Während es im Osten ein einheitliches graues Krepp-Papier mit nur einer Lage gab, glänzte der Westen seit Mitte der 1980er-Jahre mit dreilagigem Luxuspapier. Nicht selten landete ein solches weiches Luxus-Objekt im Westpaket oder wurde bei Besuchen von der Verwandschaft mitgebracht – wohl nicht zuletzt aus Eigennutz.

Warum ist das Klopapier in der DDR so rauh?

Damit auch der letzte Arsch rot wird.

Papier und nicht zuletzt Klopapier war in der DDR nicht immer und überall verfügbar. Um den realen Klopapierbedarf der Bevölkerung einzuschätzen, ergriff man ganz praktische Maßnahmen. So wurden die Mitarbeiter des "Staatlichen Kontors für Papier und Bürobedarf" 1968 aufgerufen "den Verbrauch von Toilettenpapier nach Abrissen pro Tag anzugeben", heißt es in einem Schreiben des Versorgungskontors. Das Ergebnis: Fünf Lagen Toilettenpapier benötigte der gemeine DDR-Bürger.

Toilettenpapier: Die Chinesen waren die Ersten

Historisch gesehen gibt es das Toilettenpapier noch nicht lange. Die Geschichte des gefragten Hygieneartikels geht bis ins 14. Jahrhundert zurück. Das erste Toilettenpapier wurde in China produziert. Bis dahin nahm man in vielen Kulturen lange die linke Hand oder das, was gerade greifbar war – wie Lumpen, Blätter, Moos, Schafwolle, Abfall.

Das erste industriell gefertigte und kommerziell erhältliche Toilettenpapier kam 1857 in Amerika auf den Markt – blattweise zugeschnitten in einer Box und mit Aloe Vera getränkt. Ende des 19. Jahrhunderts kam das Luxusprodukt dann auch in Form von Rollen zum Konsumenten.

Deutsche Klopapier-Ikone Hans Klenk

In Deutschland gründete Hans Klenk 1928 in Ludwigsburg die erste Toilettenpapierfabrik. Zu jener Zeit bestand eine Rolle der Firma Hakle aus 1.000 Blatt rauem Krepppapier. Klenk gilt noch heute als eine der Ikonen im Klopapiergeschäft.

Im Deutschland der Nachkriegszeit waren zu handlichen Blättern geschnittenes und gestapeltes Zeitungspapier üblich. Spätestens mit dem Wirtschaftswunder der 1950er-Jahre in Westdeutschland begann schließlich der Siegeszug des Toilettenpapiers. Aus Amerika kommend, verbreitete sich 1958 das weichere Tissue-Papier, das auf der Haut viel angenehmer als das Krepp-Papier war. Und es sollte noch besser kommen: 1972 brachte die Firma Hakle erst zweilagiges und 1984 schließlich dreilagiges Papier heraus. In der DDR allerdings dominierte weiter das kratzige Krepp-Papier.

Das High-Tech-Produkt Klopapier

Heute ist Toilettenpapier ein High-Tech-Produkt: duftend, bedruckt oder in Farbe, erst nassfest beim Gebrauch und anschließend schnellauflösend in der Kanalisation. Knapp 10 Kilogramm Standard-Toilettenpapier braucht jeder Bundesbürger laut Statista im Jahr. Einen Mangel, den gibt es heute nicht mehr – selbst wenn dieser Eindruck in Corona-Zeiten schon mal aufkommen kann.

Über dieses Thema berichtete der MDR auch im: Radio | 19.03.2020 | 07:50 Uhr

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Erstellt: 18.03.2020Aktualisiert: 03.04.2020, 20:29 Uhr

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Was bedeutend es wenn man viel klopapier braucht

Coronavirus sorgt vielerorts für Hamsterkäufe. © picture alliance/dpa

Auf der ganzen Welt bunkern Konsumenten wegen des Coronavirus Toilettenpapier. Was steckt dahinter? Psychologen haben Antworten.

  • Viele Menschen neigen wegen des Coronavirus zu Hamsterkäufen.
  • Toilettenpapier ist häufig ausverkauft.
  • Forscher erklären das Phänomen.

Egal ob in Deutschland, den USA oder Australien: Vielerorts sind die Supermarktregale für Toilettenpapier leer. Angesichts der Corona-Pandemie legen sich die Menschen Vorräte an, kaufen größere Mengen Reis, Nudeln und Konserven. Doch warum horten sie ausgerechnet Klopapier? Prügeln sich gar um die letzte Packung?

Die Antwort gebe die Spieltheorie, sagen Psychologen. Wenn jeder nur so viel kaufe, wie er tatsächlich benötigt, gibt es keinen Mangel. Beginnen einige jedoch mit Hamsterkäufen, ist es die beste Strategie, dem Beispiel zu folgen. Es geht also darum sicherzustellen, dass das begehrte Gut im eigenen Heim nicht ausgeht.

Coronavirus löst Hamsterkäufe aus - Toilettenpapier heiß begehrt

Doch das erklärt nicht, warum sich die Panikkäufer während Corona vor allem auf Toilettenpapier stürzen. Schließlich schützt es weder vor einer Infektion mit dem neuen Virus noch handelt es sich bei der ausgelösten Krankheit um Durchfall.

"Die Menschen haben das Bedürfnis, etwas zu tun, um sich und ihre Familie zu schützen", sagt der Wissenschaftler Steven Taylor, der ein Buch über die Psychologie von Pandemien geschrieben hat. "Was können sie schon tun, außer sich die Hände zu waschen und sich zurückzuziehen?" Durch die unzähligen Bilder von Einkaufswagen voller Klopapier-Rollen in den sozialen Medien sei Toilettenpapier zu einem "Symbol für Sicherheit" in den Köpfen der Menschen geworden, sagt der Professor für Psychiatrie an der Universität von British Columbia in Kanada. Und indem man selbst auch welches kaufe, tue man bewusst etwas.

Hamstern von Hygieneartikeln in Zeiten des Coronavirus

Eine andere Erklärung für das Hamstern von Hygieneartikeln könnte in unserer evolutionär bedingten Abneigung gegen Dinge liegen, die uns ekeln, sagt Taylor weiter. Die Gefahr der Infektion durch Corona verstärke diese Aversion. "Ich glaube, das ist ein Grund, warum die Leute sich an das Toilettenpapier halten, denn das ist ein Mittel, Ekel zu vermeiden."

Wirtschaftswissenschaftler führen ein ganz anderes Erklärungsmodell an: Demnach versuchen die Menschen mit ihren vielen Rollen Klopapier ein relativ oberflächliches Risiko auszuschließen - anstatt mehr Geld auszugeben, um ein größeres Risiko zu minimieren. Ökonomen sprechen von "Zero-Risk Bias", also der Neigung zum Nullrisiko.

"Meine Vermutung ist, dass wir das Gefühl von Kontrolle während der Corona-Krise haben wollen und gleichzeitig nur über ein begrenztes Budget verfügen", sagt Farasat Bokhari, Gesundheitsökonom an der Universität East Anglia in Großbritannien. "Also kaufen wir etwas billiges, das wir gut lagern können und das wir sowieso irgendwann brauchen", sagt er. Wichtiger als Toilettenpapier könnten im Notfall natürlich haltbare Lebensmittel wie Konserven oder Tiefkühlgerichte sein. Aber die sind teurer und am Ende könnten der Linseneintopf oder die Ravioli in der Dose im Müll landen, sagt Bokhari. Das Geld dafür wäre dann verschwendet.

Hamsterkäufe: Raufereien ums Klopapier dank des Coronavirus

So oder so: Hamsterkäufe wie jetzt habe es auch bei früheren Pandemien gegeben, sagt Taylor. Auch als 1918 die Spanische Grippe grassierte, kauften die Menschen in Panik Geschäfte und Apotheken leer.

Noch nie aber hätten die sozialen Medien eine so große Rolle gespielt, sagt der Professor. Bei der Schweinegrippen-Pandemie 2009 waren diese Medien noch neu. Jetzt habe nahezu jeder Zugang. "Die Weiterverbreitung dramatischer Bilder und Videos über die ganze Welt verstärkt das Gefühl der Bedrohung", sagt Taylor. Andererseits seien soziale Medien "eine großartige soziale Unterstützung, gerade wenn man sich isolieren muss".

Auch wenn sich auf Facebook und Twitter Videos von Raufereien ums Toilettenpapier häufen, ist der Psychologe grundsätzlich zuversichtlich, dass die meisten Menschen vernünftig mit der Situation umgehen. "Ausschreitungen und schlechtes Verhalten waren bei früheren Pandemien relativ selten", sagt er. "Am häufigsten haben die Menschen geordnet und mit Solidarität und gegenseitiger Hilfe reagiert."

Das Coronavirus hat auch paradoxe Auswirkungen: In der Schweiz schwächelt das Internet, weil offenbar zu viele Menschen wegen des Coronavirus zu Hause sitzen und Netflix schauen oder Playstation spielen. Droht der Netflix-Stopp? Und wie sieht es mit dem Internet in Deutschland aus?

Einkäufe sorgen rund um das Osterwochenende ohnehin schon für einen regelrechten Ansturm in den Supermärkten. In der Corona-Krise verschärft sich das Problem für Rewe, Edeka und Co. 

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