DGNeurologie. 2021; 4(4): 319–326. Leserbrief zuBerthele A, Hemmer B (2021) S2k-Leitlinie: Diagnose und Therapie der multiplen Sklerose, Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen und MOG-IgG-assoziierten Erkrankungen. Zusammenfassung der Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie. DGNeurologie. 10.1007/s42451-021-00334-6 Die multiple Sklerose (MS) ist eine komplexe, autoimmun vermittelte Erkrankung des zentralen Nervensystems, charakterisiert durch entzündliche Demyelinisierung sowie axonalen/neuronalen Schaden. Die Zulassung verschiedener verlaufsmodifizierender Therapien sowie auch das in den vergangenen Jahren enorm gewachsene Krankheitsverständnis veränderten Verlauf und Prognose der Erkrankung wesentlich. Unter diesem Aspekt ist die Aktualisierung der Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN; S2k-Leitlinie) einerseits eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe. Andererseits führte aber bereits die im August 2020 veröffentlichte Konsultationsfassung zu erheblichen Diskussionen, z. T. auch mit Vermittlung der DGN. Daher ist aus Sicht dieser Autorengruppe (Multiple Sklerose Therapie Konsensus Gruppe, MSTKG) eine Positionierung, insbesondere im Hinblick auf einige wenige, aber wesentliche Kritikpunkte, notwendig. Daher verweisen wir gleichzeitig auch auf ein MSTKG-Positionspapier mit wesentlichen Empfehlungen zur verlaufsmodifizierenden Therapie der MS als Ergebnis einer Zusammenarbeit von Mitgliedern des Kompetenznetzwerks Multiple Sklerose (KKNMS; einschließlich Vorstandsmitgliedern), Mitgliedern des Bund Deutscher Neurologen (BDN), Mitgliedern der DGN sowie Vertretern aus Österreich und der Schweiz, dessen Ziel es ist, das Wissen zur MS, zu ihrem Verlauf und insbesondere ihrer therapeutischen Beeinflussung auf dem Stand des Jahres 2021 für die Anwendung im deutschsprachigen Raum auf Basis verfügbarer wissenschaftlicher Evidenzen bestmöglich zu bündeln (OpenScienceFramework, Vorabdruck, https://osf.io/j7z8s/). Die Leitlinie (LL) der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) zur Diagnose und verlaufsmodifizierenden Therapie der multiplen Sklerose (MS) mit verwendeter Methodologie in AWMF-Konformität (S2k-Status) erbringt viele Empfehlungen, die unstrittig richtig und hilfreich sind. Der Kommentar fokussiert von daher ausschließlich auf die wenigen kritischen Aspekte und warum sie aus Sicht der Multiple Sklerose Therapie Konsensus Gruppe (MSTKG) einer Kommentierung bedürfen bzw. eine alternative Empfehlungssituation notwendig machen. Aus Sicht der MSTKG sind die wesentlichen Kritikpunkte an der neuen Leitlinie (und Unterschiede zum Positionspapier der MSTKG) wie folgt:
Supplementary InformationMitglieder der Multiple Sklerose Therapie Konsensus Gruppe (MSTKG)Heinz Wiendl; Ralf Gold; Thomas Berger; Tobias Derfuss; Ralf Linker; Mathias Mäurer; Martin Stangel; Orhan Aktas; Karl Baum; Martin Berghoff; Stefan Bittner; Andrew Chan; Adam Czaplinski; Florian Deisenhammer; Franziska Di Pauli; Renaud Du Pasquier; Christian Enzinger; Elisabeth Fertl; Achim Gass; Klaus Gehring; Claudio Gobbi; Norbert Goebels; Michael Guger; Aiden Haghikia; Hans-Peter Hartung; Fedor Heidenreich; Olaf Hoffmann; Boris Kallmann; Christoph Kleinschnitz; Luisa Klotz; Verena Leussink; Fritz Leutmezer; Volker Limmroth; Jan D. Lünemann; Andreas Lutterotti; Sven G. Meuth; Uta Meyding-Lamadé; Michael Platten; Peter Rieckmann; Stephan Schmidt; Hayrettin Tumani; Frank Weber; Martin S. Weber; Uwe K. Zettl; Tjalf Ziemssen; Frauke Zipp AnhangExzerpt der Therapieempfehlungen des MSTKG-PositionspapiersDieses Positionspapier baut in wesentlichen inhaltlichen Kernaussagen auf der Leitlinie der ECTRIMS/EAN aus dem Jahr 2018 [1] bzw. deren anstehender aktualisierter Fassung auf und präzisiert bzw. aktualisiert diese für die Versorgungssituation im deutschsprachigen Raum. Weiterhin erfolgte eine Auseinandersetzung mit der amerikanischen Leitlinie aus 2018 [2]. Die Evidenzstärken wurden nach Beurteilung der zugrunde liegenden (Studien‑)Datenlage bewertet (Grad 1–5, analog zum System des „Oxford Centre for Evidence-based Medicine“). Die Empfehlungsstärken werden auf Basis ihrer Datengrundlage folgendermaßen gradiert (analog zum AWMF-Regelwerk):
Im Kontext der Empfehlungen basieren alle Therapieentscheidungen immer auf einem Patienten-Arzt-Konsens (Stichwort „shared decision making“). Aufgrund der Platzbeschränkungen ist in diesem Kommentar nur ein Extrakt mit den Kernempfehlungen des eigentlichen Positionspapiers verschriftlicht – die zugrunde liegenden Evidenzen und Literatur sind nicht abgebildet. Das Positionspapier in seiner vollen Länge ist als Vorabdruck online abrufbar [3, 4]. Wir verweisen zu Wirkungen und Nebenwirkungen sowie zu den notwendigen Untersuchungen vor Einleitung der Therapie, Laborkontrollen und Therapieumstellungen auf Details in den Qualitätshandbüchern des KKNMS (entsprechend der jeweiligen Zulassungsvorgaben; [5]) und ihren jeweiligen Aktualisierungen. Für einen verbesserten Lesefluss wird im gesamten Text auf Genderformulierungen verzichtet; es sind immer alle Geschlechter gemeint, außer bei expliziter Formulierung. Kernfragen und Empfehlungen zur therapeutischen Intervention
InteressenkonfliktVollständige Interessenkonflikterklärung aller Autoren und Autorinnen siehe: elektronisches Zusatzmaterial. FootnotesDie Mitglieder der Multiple Sklerose Therapie Konsensus Gruppe (MSTKG) werden am Beitragsende gelistet. Heinz Wiendl und Ralf Gold haben die geteilte Erstautorenschaft und in gleichen Teilen zum Manuskript beigetragen. Contributor InformationHeinz Wiendl, Email: ed.retsneum-inu@ldneiw. Ralf Gold, Email: . Frauke Zipp, Email: ed.zniam-inu@ppiz. Multiple Sklerose Therapie Konsensus Gruppe (MSTKG): Heinz Wiendl, Ralf Gold, Thomas Berger, Tobias Derfuss, Ralf Linker, Mathias Mäurer, Martin Stangel, Orhan Aktas, Karl Baum, Martin Berghoff, Stefan Bittner, Andrew Chan, Adam Czaplinski, Florian Deisenhammer, Franziska Di Pauli, Renaud Du Pasquier, Christian Enzinger, Elisabeth Fertl, Achim Gass, Klaus Gehring, Claudio Gobbi, Norbert Goebels, Michael Guger, Aiden Haghikia, Hans-Peter Hartung, Fedor Heidenreich, Olaf Hoffmann, Boris Kallmann, Christoph Kleinschnitz, Luisa Klotz, Verena Leussink, Fritz Leutmezer, Volker Limmroth, Jan D. Lünemann, Andreas Lutterotti, Sven G. Meuth, Uta Meyding-Lamadé, Michael Platten, Peter Rieckmann, Stephan Schmidt, Hayrettin Tumani, Frank Weber, Martin S. Weber, Uwe K. Zettl, Tjalf Ziemssen, and Frauke Zipp Literatur1. Montalban X, Gold R, Thompson AJ, Otero-Romero S, Amato MP, Chandraratna D, et al. ECTRIMS/EAN guideline on the pharmacological treatment of people with multiple sclerosis. Multiple Scler J. 2018;24(2):96–120. doi: 10.1177/1352458517751049. [PubMed] [CrossRef] [Google Scholar] 2. Rae-Grant A, Day GS, Marrie RA, Rabinstein A, Cree BA, Gronseth GS, et al. Practice guideline recommendations summary: disease-modifying therapies for adults with multiple sclerosis: Report of the Guideline Development, Dissemination, and Implementation Subcommittee of the American Academy of Neurology. Neurology. 2018;90(17):777–788. doi: 10.1212/WNL.0000000000005347. [PubMed] [CrossRef] [Google Scholar] 3. ONLINE PREPRINT VOLLVERSION des MSTKG: Positionspapier zur verlaufsmodifizierenden Therapie der Multiplen Sklerose 2021 (White Paper). https://osf.io/j7z8s/ 4. Wiendl H, Gold R, Berger T, Derfuss T, Linker R, Mäurer M et al (2021) MSTKG: Positionspapier zur verlaufsmodifizierenden Therapie der Multiplen Sklerose 2021 (White Paper). Nervenarzt im Druck Welche Klassifikationen von Leitlinien gibt es?3 Klassifikation. S1-Leitlinie: Empfehlungen auf der Basis eines informellen Konsens.. S2-Leitlinie. S2k-Leitlinie: Empfehlungen auf der Basis eines strukturierten Konsens. ... . S3-Leitlinie: Empfehlungen auf der Basis von Evidenz und strukturiertem Konsens.. Was bedeutet S 3 Leitlinie?Eine systematische Evidenz-Recherche hat stattgefunden. S3- Leitlinie: Die Leitlinie hat alle Elemente einer systematischen Entwicklung durchlaufen (Logik-, Entscheidungs- und Outcome-Analyse, Bewertung der klinischen Relevanz wissenschaftlicher Studien und regelmäßige Überprüfung).
Soll Empfehlung Leitlinie?Grad A, „Soll“-Empfehlung: zumindest eine randomisierte kontrollierte Studie von insgesamt guter Qualität und Konsistenz, die sich direkt auf die jeweilige Empfehlung bezieht und nicht extrapoliert wurde (Evidenzstufen Ia und Ib)
Was steht in einer Leitlinie?Leitlinien (guidelines) sind systematisch entwickelte Aussagen zur Unterstützung der Entscheidungsfindung von Ärzten, anderen im Gesundheitssystem tätigen Personen und Patienten. Das Ziel ist eine angemessene gesundheitsbezogene Versorgung in spezifischen klinischen Situationen.
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