Wann ist ein Aufprall ohne Gurt tödlich?

Jetzt in der Vorweihnachtszeit ist man besonders viel mit dem Auto unterwegs – zu schnellen Einkäufen, kurzen Erledigungen, einem Stopp am Geldautomaten oder einem Halt am Briefkasten. Und dann lässt man sich immer wieder verleiten, ein paar Meter oder auch Kilometer ohne Gurt zu fahren. Und wenn man sich dabei ertappt, dass man gegen die so bewährte Grundregel „Erst gurten – dann starten“ verstößt, dann entschuldigt man sich meist damit, dass man ja schließlich in der Stadt unterwegs sei – mit Stadttempo 50 und oft sogar noch viel langsamer. Und das sei ja alles nicht ganz so schlimm, redet man sich dann ein und statt den Gurt anzulegen, lässt man ihn einfach hängen und denkt nicht eine Sekunde darüber nach, was es nach den Gesetzen der Physik bedeutet, wenn man mit „nur“ Tempo 10 gegen ein festes Hindernis prallen sollte. Und selbst Stadttempo 50 macht den meisten keine so große Angst.

Dabei reicht eine kurze Überschlagsrechnung, um einem einen wahren Schrecken einzujagen. Denn der Aufprall eines Fahrzeugs mit Tempo 50 auf eine Barriere entspricht einem Aufprall am Boden nach einem freien Fall aus einer Höhe von zehn Metern. Wer je auf einem 10Meter-Turm im Schwimmbad gestanden hat, weiß, was für eine gewaltige Höhe das ist. Und können Sie sich vorstellen, von einem 10-Meter-Sprungturm in ein Schwimmbecken ohne Wasser zu springen. Tödlich, werden die meisten dazu spontan sagen – und das mit gutem Grund. Doch im Auto nehmen sie dieses Risiko auf sich, wenn sie mit Tempo 50 ohne Gurt unterwegs sind. Denn es fehlt uns leider ein geeigneter Sinn, um die in solchem Verhalten verborgene Gefahr zu erfassen.

Während sich viele im Gespräch wenigstens davon überzeugen lassen, dass Tempo 50 ohne Gurt bereits enorm gefährlich ist – immerhin wurden bis vor wenigen Jahren Fahrzeuge bei diesem Tempo gecrasht – wird meist abwinken, wenn man ihm klar machen will, das selbst Tempo 10 noch enorme Risiken birgt. Und viele denken, dass, wenn es bei so niedrigen Geschwindigkeiten zu einem Aufprall kommt und man keinen Gurt angelegt hat, dann der Airbag schon alles richten werde. Wird er aber nicht. Denn die Airbags sind nun einmal so programmiert, dass sie erst bei Geschwindigkeiten oberhalb 25 km/h auslösen. Denn bei niedrigeren Geschwindigkeiten setzt man auf die Wirkung des ordentlich angelegten Sicherheitsgurts. Nicht zuletzt auch mit Blick auf die hohen Kosten, die der Ersatz eines ausgelösten Airbags bedeutet.

Und so ist man ohne Gurt auch bei sehr niedrigen Geschwindigkeiten in großer Gefahr. Denn auch hier zeigt eine kurze Überschlagsrechnung, dass die meisten gar nicht ahnen, was ihnen droht. Schon bei einem Aufprall mit Tempo 10 können beim abrupten Abbremsen des Fahrzeugs Verzögerungswerte von bis zu 10 g – dem Zehnfachen der Erdbeschleunigung auftreten. Die 50 Kilo schwere Mutter, die bei diesem Manöver ihr Baby auf dem Schoß hält, drückt das dann mit der Kraft von rund 500 Kilo, also einer halben Tonne, gegen das Armaturenbrett. Und spätesten dann merkt man auch, dass die Vorstellung, man könne sich bei so geringen Geschwindigkeit wenigstens mit der Hand abstützen, Illusion ist. Denn 500 Kilo abzustützen, das ist schlicht unmöglich! Also nehmen sie sich die Zeit, immer den Gurt anzulegen. ivd

-

Zur Startseite

Sicherheitsgurt

Ein Drittel der tödlich verunglückten Auto-Insassen nicht angeschnallt

Anschnallen rettet Leben – das belegen auch Zahlen der Statistik Austria. Modernste Sicherheitsausstattung kann den Gurt nicht ersetzen

Ein Drittel aller tödlich verunglückten Pkw-Insassen der vergangenen Jahre war nicht angeschnallt. Das ergab eine Analyse der ÖAMTC-Unfallforschung. 1.451 Auto-Insassen starben im Zeitraum 2012 bis 2018 infolge von Unfällen, 447 davon trugen keinen Gurt. "Die Gurtmoral lässt also trotz der seit 1976 geltenden Gurtpflicht nach wie vor zu wünschen übrig", analysierte ÖAMTC-Verkehrstechniker David Nose.

Willkommen bei DER STANDARD

Sie entscheiden darüber, wie Sie unsere Inhalte nutzen wollen. Ihr Gerät erlaubt uns derzeit leider nicht, die entsprechenden Optionen anzuzeigen.

Bitte deaktivieren Sie sämtliche Hard- und Software-Komponenten, die in der Lage sind Teile unserer Website zu blockieren. Z.B. Browser-AddOns wie Adblocker oder auch netzwerktechnische Filter.

Sie haben ein PUR-Abo?

Immer mehr Autofahrer verzichten vor allem innerorts auf den Gurt. Sie unterschätzen das hohe Verletzungsrisiko schon bei Unfällen mit geringen Geschwindigkeiten. Der ADAC hat dazu einen Crashtest durchgeführt, der zeigt, dass bei einem Frontalaufprall mit 30 km/h sich ein Insasse nicht mehr mit den Händen abstützen kann.

Die Geschwindigkeit mit der der Fahrer ans Lenkrad prallt, entspricht einem Sturz aus vier Metern Höhe. Ist der Fahrer dabei nicht angeschnallt und sitzt niemand hinter ihm, schleudert er nach dem Aufprall verletzt in seinen Sitz zurück. Vorher schlägt er mit dem Kehlkopf direkt auf das Lenkrad auf. Mit schweren Nacken-, Brust-, Kopf- und Knieverletzungen ist zu rechnen. Der Gurt ist ein absolutes Muss für alle Insassen – auch bei geringen Geschwindigkeiten.

Schlimme Folgen bei einem Aufprall sind auch zu erwarten, wenn der Fahrzeuglenker angeschnallt ist, der hinter ihm sitzende Insasse aber nicht. Die hintere Person knallt mit erheblicher Wucht nach vorne. Der Kopf des hinteren Insassen prallt mit dem Kopf des Fahrers zusammen. Dass der Fahrer angeschnallt war, kann diese Kollision nicht verhindern. Es kommt zu Verletzungen bei beiden Insassen.

Ein Erwachsener mit einem Körpergewicht von 75 Kilogramm müsste 750 Kilogramm stemmen, um sich bei einem Aufprall ohne Gurthalt selbst abstützen zu können. Da dies nicht möglich ist, schlägt der Fahrer auch bei einem an sich harmlos aussehenden Unfall hart auf Armaturenbrett und Lenkrad auf. Da beim simulierten Aufprall ein Auslösen des Airbags in Abhängigkeit vom Fahrzeugmodell möglich, aber keinesfalls sichergestellt ist, wurde der „Gurtmuffeltests“ ohne Airbag durchgeführt.

Toplist

Neuester Beitrag

Stichworte