Von drauß vom walde komme ich her loriot

Mainz Wer kann das bekannteste deutsche Weihnachtsgedicht aufsagen? „Von drauß“ vom Walde komm ich her; Ich muss euch sagen, es weihnachtet sehr!“ So fängt „Knecht Ruprecht“ von Theodor Storm (1817-88) an. Und die nächsten Verse? „Allüberall auf den Tannenspitzen/ Sah ich goldene Lichtlein sitzen.“ Doch danach steigen vermutlich die meisten aus, weiter reicht das Gedächtnis nicht.

Schon bei Weihnachtsliedern ist es so, dass 60 Prozent der Deutschen unter dem Tannenbaum nicht mehr singen, wie eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov für die dpa aus dem Jahr 2012 ergab. Trotzdem kennen die meisten Menschen Lieder wie „Oh du fröhliche“ oder „Stille Nacht“. Das Überleben von Gedichten im allgemeinen Gedächtnis ist schwieriger.

„Das ist mausetot“, sagt der Frankfurter Literaturwissenschaftler Prof. Heiner Boehncke über das Auswendiglernen von Gedichten zu Weihnachten. Die mündliche Tradition, repräsentiert meist durch die Großeltern, gehe verloren. „Dieses immaterielle Kulturgut stirbt aus.“

Die gute Nachricht: Kinder müssen nicht mehr wie früher zu Weihnachten ihr Sprüchlein aufsagen. Wehe dem, der nicht mindestens diesen Vierzeiler parat hatte: „Lieber guter Weihnachtsmann, schau mich nicht so böse an! Stecke deine Rute ein! Ich will auch immer artig sein.“

Dass diese Art von schwarzer Pädagogik verschwunden ist, findet Christine Kranz von der Stiftung Lesen in Mainz gut. Die Referentin für Leseförderung teilt den Kulturpessimismus in Sachen Lyrik nicht. „Es wird wieder mehr auswendig gelernt“, hat sie in Kindergärten und Schulen beobachtet. „Gedichte sind für die Lese- und Sprachförderung sehr wichtig.“ Ein Reim, in der Kindheit gelernt, bleibe bis im Alter im Gedächtnis.

Deshalb sieht Kranz auch eine Wiederkehr von Gedichten zur Weihnacht. „Der Bratapfel“ sei sehr populär: „Kinder, kommt und ratet, was im Ofen bratet!“. Auch Klassiker der Kinderlyrik wie Josef Guggenmos oder James Krüss würden viel gelesen. „Die Weihnachtsmaus ist sonderbar (sogar für die Gelehrten), denn einmal nur im ganzen Jahr entdeckt man ihre Fährten“, reimte Krüss. Kekse und Süßigkeiten futtert das rätselhafte Tier, blicken lässt es sich nie!

Über die Jahrhunderte hat Weihnachten die Dichter inspiriert. Viele fassten den religiösen Sinn des Festes in Worte. Der Reformator Martin Luther schrieb und komponierte für seine Kinder „Vom Himmel hoch da komm ich her“. In der Moderne haben sich Autoren wie Rainer Maria Rilke, Robert Walser oder Marie Luise Kaschnitz dem Fest von der frommen, andächtigen Seite genähert.

Der „emotionalen Energie von Weihnachten“ (Boehncke) konnten sich auch Spötter und Sozialkritiker wie Bertolt Brecht und Kurt Tucholsky nicht entziehen. „Morgen, Kinder, wird“s nichts geben! Nur wer hat, kriegt noch geschenkt“, dichtete Erich Kästner. Auch Peter Rühmkorf, Robert Gernhardt, Heinz Erhardt haben wunderbare, teils sehr witzige Weihnachtsgedichte geschrieben. „Es gibt jede Menge Weihnachtskritisches“, sagt Boehncke. Wer Sprachspiele mag, der wird bei Ernst Jandl fündig („machet auf den türel“).

Und wenn heutzutage auf der Betriebsweihnachtsfeier etwas vorgetragen wird, dann ist es meist Loriots makabre Ballade von der mörderischen Förstersfrau: „In dieser wunderschönen Nacht hat sie den Förster umgebracht.“ Woher stammt der trauliche Tonfall dieser Verse? Genau, vom alten Theodor Storm.

Es ist Adventszeit und der Nikolaus steht vor der Türe. Zeit also für dieses groteske Gedicht von Loriot alias Vicco von Bülow:

Advent

Es blaut die Nacht
Die Sternlein blinken.
Schneeflöcklein leise niedersinken.
Auf Edeltännleins grünem Wipfel
häuft sich ein kleiner weißer Zipfel.

Und dort, vom Fenster her durchbricht
den dunklen Tann' ein warmes Licht.
Im Forsthaus kniet bei Kerzenschimmer
die Försterin im Herrenzimmer.

In dieser wunderschönen Nacht
hat sie den Förster umgebracht.
Er war ihr bei der Heimespflege
seit langer Zeit schon sehr im Wege.

So kam sie mit sich überein:
Am Nicklausabend muß es sein.
Und als das Rehlein ging zur Ruh',
das Häslein tat die Augen zu,

Erlegte sie - direkt von vor'n
- den Gatten über Kimm' und Korn.
Vom Knall geweckt rümpft nur der Hase
zwei-, drei-, viermal die Schnuppernase.

Und ruhet weiter süß im Dunkeln,
Derweil die Sternlein traulich funkeln.
Und in der guten Stube drinnen,
da läuft des Försters Blut von hinnen.

Nun muß die Försterin sich eilen,
den Gatten sauber zu zerteilen.
Schnell hat sie bis auf die Knochen
nach Waidmanns Sitte aufgebrochen.

Voll Sorgfalt legt sie Glied auf Glied
- was der Gemahl bisher vermied -
Behält ein Teil Filet zurück,
als festtägliches Bratenstück.

Und packt zum Schluß - es geht auf vier -
die Reste in Geschenkpapier.
Da dröhnt's von fern wie Silberschellen.
Im Dorfe hört man Hunde bellen.

Wer ist's, der in so tiefer Nacht
im Schnee noch seine Runde macht?
Knecht Ruprecht kommt mit goldenem Schlitten
auf einem Hirsch herangeritten!

»Heh, gute Frau, habt ihr noch Sachen,
die armen Menschen Freude machen?«
Des Försters Haus ist tief verschneit,
doch seine Frau steht schon bereit:

»Die sechs Pakete, heil'ger Mann,
's ist alles, was ich geben kann!«
Die Silberschellen klingen leise.
Knecht Ruprecht macht sich auf die Reise.

Im Försterhaus die Kerze brennt.
Ein Sternlein blinkt: Es ist Advent.

So ist er eben, der Altmeister des Humors. Zunächst gaukelt er uns eine friedliche Adventszeit vor, und plötzlich verkehrt er diese heile Welt in eine zutiefst grausame. Eine Förstersfrau, die ihren Gatten satt hat, weil er ihr bei der Hausarbeit immer im Wege steht, ermordet diesen kaltblütig am Nikolausabend. Der entsetzte Leser erfährt sogar, wie sie dabei vorgegangen ist. Sie muss ihm entgegen getreten sein, als er gerade von der Revierarbeit - ich nehme an, er war zum Baummarkieren im finstren Tann - heimkehrt und sich wahrscheinlich die Schneereste aus dem grünen Gewand klopfen will. Als er sich wieder aufrichtet, greift seine wild entschlossene Gattin zu seiner Dienstwaffe, legt kurz an und erledigt ihn - waffentechnisch richtig - über Kimme und Korn.

Soweit der Mord. Doch der ist noch nicht grausam genug. Die Täterin wird auch noch handgreiflich und zerlegt den blutverschmierten Leichnam in seine Einzelteile. Als Fleischkennerin reserviert sie die Filets für sich als Festtagsbraten, derweil sie als perfekte Hausfrau die anderen Stücke fein säuberlich in Geschenkpapier einwickelt und dem nichts ahnenden Knecht Ruprecht mit auf den Rentierschlitten packt.

Natürlich sind wir geschockt über diese abscheuliche Tat. Doch als geübte Zuschauer von Freitagskrimis können wir sicher sein, dass die Polizei der Täterin schnell mit ihren Spürhunden und Genanalysen auf die Schliche kommen wird und sie ihrer gerechten Strafe zuführen wird. Es sei denn, sie war zur Tatzeit stark alkoholisiert und nicht ganz bei Trost.

Humor ist dann gegeben ist, wenn wenn man trotzdem lacht. So gesehen ist dieses Loriot-Gedicht ein gutes Beispiel dafür. Obwohl die Handlung extrem "grauslig" (O-Ton Österreich) ist, weil es sich um Mord und Kannibalismus handelt, so muss man trotzdem lachen, weil diese Untat einfach nicht in die friedvolle Adventszeit passt. Sie ist absurd: Gattenmord aus diesen niederen Beweggründen? Nein, nicht mit uns! Das kann man uns nicht weis machen.

Ich glaube, dass dieses Loriot-Gedicht noch mehr ist. Es ist auch ein gutes Beispiel für "schwarzen Humor", eine Humorform, die mehr der englischen Art entspricht. Dieser behandelt gewöhnlich ernste oder makabre Themen wie Verbrechen, Krankheit und Tod in satirischer oder bewusst verharmlosender Weise. Und die demonstriert Loriot hier genial, eben auf seine unnachahmliche Weise ...

Wie geht das Gedicht draußen vom Walde komm ich her?

Nikolaus-Gedicht: Knecht Ruprecht Von draußen, vom Walde komm ich her; ich muss euch sagen, es weihnachtet sehr! Überall auf den Tannenspitzen sah ich goldene Lichtlein blitzen, und droben aus dem Himmelstor sah mit großen Augen das Christkind hervor.

Wie heißt das Gedicht von Theodor Storm welches mit den Worten von drauß vom Walde komm ich her beginnt?

Und natürlich wird dabei ein Gedicht nicht fehlen – Storms berühmtestes Weihnachtsgedicht, das er selber Knecht Ruprecht betitelte und das mit den Worten beginnt: Von drauß' vom Walde komm ich her / Ich muß euch sagen, es weihnachtet sehr! Heiko Postma, geb.

Wie geht das Gedicht Knecht Ruprecht?

hebe die Beine und spute dich schnell! von der Jagd des Lebens einmal ruhn; und morgen flieg ich hinab zur Erden, denn es soll wieder weihnachten werden!

Wer hat das Gedicht Knecht Ruprecht geschrieben?

Das berühmte Gedicht "Knecht Ruprecht" stammt vom Husumer Dichter und Weihnachts-Fan Theodor Storm. "Von drauß' vom Walde komm ich her, ich muss euch sagen, es weihnachtet sehr..." Wer musste diese Zeilen nicht zu Schultagen auswendig lernen?

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