1. Das Wichtigste in Kürze
Berufstätige haben einen Anspruch auf Freistellung von der Arbeit, um einen nahen Angehörigen zu pflegen. Die Pflegezeit kann für maximal 6 Monate beantragt werden. In dieser Zeit ist die Pflegeperson, in der Regel ohne Gehalt, von der Arbeit freigestellt. Auch eine teilweise Freistellung in Form von Reduzierung bzw. Verteilung der Arbeitszeit ist möglich. Für die Pflegezeit kann ein zinsloses Darlehen beantragt werden.
2. Voraussetzungen
Um Pflegezeit beantragen zu können, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
- Häusliche Pflege eines nahen, pflegebedürftigen Angehörigen. Nahe Angehörige sind:
- Großeltern, Eltern, Schwiegereltern, Stiefeltern
- Ehe- und Lebenspartner, Partner ehe- oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaften, Geschwister, Schwägerinnen/Schwäger
- Kinder, Adoptiv- oder Pflegekinder (auch des Ehe- oder Lebenspartners), Schwiegersohn oder -tochter, Enkelkinder
- Bescheinigung über die Pflegebedürftigkeit des Angehörigen durch die Pflegekasse oder den Medizinischen Dienst (MD).
- Schriftliche Anmeldung der Pflegezeit beim Arbeitgeber.
Die Freistellung muss 10 Tage vor Pflegebeginn beim Arbeitgeber angekündigt werden. Es muss der Zeitraum der Pflegezeit oder der Umfang der teilweisen Freistellung (Teilzeitarbeit) festgelegt sein.
Die Pflegezeit können nur sozialversicherungspflichtige Beschäftigte in Anspruch nehmen. Ein Rechtsanspruch auf Pflegezeit besteht erst ab einer Betriebsgröße von mehr als 15 Beschäftigten. Bei einer teilweisen Freistellung muss der Arbeitgeber den Wünschen des Arbeitnehmers entsprechen, es sei denn betriebliche Gründe stehen dem entgegen.
3. Dauer
Die Pflegezeit beträgt für jeden pflegebedürftigen nahen Angehörigen maximal 6 Monate. Eine Aufteilung der Pflegezeit in mehrere getrennte Abschnitte ist nicht möglich. Die Pflegezeit kann nur einmal zusammenhängend in Anspruch genommen werden. Mit der erstmaligen Inanspruchnahme der Pflegezeit ist ein weiterer Anspruch hierauf erloschen (Gerichtsentscheidung des BAG vom 15.11.2011 – Az.: 9 AZR 348/10); eine Verlängerung ist nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich (siehe unten).
Soll im Anschluss an die Pflegezeit Familienpflegezeit genommen werden, muss dies dem Arbeitgeber innerhalb von 3 Monaten, spätestens 8 Wochen vor Ende der Pflegezeit, mitgeteilt werden und muss unmittelbar an die Pflegezeit anschließen.
Familienpflegezeit und Pflegezeit dürfen zusammen längstens 24 Monate dauern.
3.1. Vorzeitige Beendigung der Pflegezeit
Ist der Angehörige nicht mehr pflegebedürftig oder die häusliche Pflege unmöglich oder unzumutbar, endet die Pflegezeit 4 Wochen nach Eintritt der veränderten Umstände. Der Arbeitgeber ist darüber unverzüglich zu informieren. Solche Umstände können z.B. Tod des Pflegebedürftigen, stationäre Unterbringung oder finanzielle Engpässe der Pflegeperson sein.
Liegen keine entsprechenden schweren Umstände vor, und die Pflegezeit soll trotzdem vorzeitig beendet werden, so ist dies von der Zustimmung des Arbeitgebers abhängig.
3.2. Verlängerung der beantragten Pflegezeit
Für einen kürzeren Zeitraum in Anspruch genommene Pflegezeit kann bis zur Höchstdauer von 6 Monaten verlängert werden, wenn der Arbeitgeber zustimmt und die Verlängerung sich unmittelbar an den ersten Zeitabschnitt anschließt. Eine Verlängerung kann z.B. dann notwendig sein, wenn die Pflege von der zukünftigen Pflegeperson zum vereinbarten Zeitpunkt nicht angetreten werden kann.
Zur Sterbebegleitung kann die Pflegezeit um bis zu 3 Monate verlängert werden. Das ist auch dann möglich, wenn der Sterbende in einem Hospiz lebt.
4. Kurzzeitige Arbeitsverhinderung
Eine Sonderform der Pflegezeit ist die kurzzeitige Freistellung eines Arbeitnehmers für bis zu 10 Arbeitstage, worauf jeder Arbeitnehmer unabhängig von der Betriebsgröße Anspruch hat.
Diese sog. "kurzzeitige Arbeitsverhinderung" kann bei einer unerwartet eingetretenen Pflegesituation in Anspruch genommen werden. In dieser Zeit kann z.B. die Pflege des Angehörigen organisiert oder die pflegerische Versorgung sichergestellt werden. Die Dauer der Arbeitsverhinderung muss dem Arbeitgeber unverzüglich mitgeteilt werden. Er kann auch eine ärztliche Bescheinigung über die Notwendigkeit der Arbeitsverhinderung verlangen. Lohnfortzahlungen können gegeben sein, wenn im Arbeits- oder Tarifvertrag eine entsprechende Regelung enthalten ist.
4.1. Pflegeunterstützungsgeld
Wenn die Pflegeperson während der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung kein Gehalt mehr bekommt, kann sie Pflegeunterstützungsgeld als Lohnersatzleistung bei der Pflegekasse des Pflegebedürftigen beantragen. Sie benötigt dazu eine ärztliche Bescheinigung.
Das Pflegeunterstützungsgeld gilt als Einnahme zum Lebensunterhalt und wird beim Bezug einkommensabhängiger Sozialleistungen berücksichtigt.
4.1.1. Höhe
Es werden 90 % des ausgefallenen Nettoarbeitsentgelts bezahlt, maximal jedoch 70 % der Beitragsbemessungsgrenze, das entspricht 2022 maximal 112,88 € pro Tag. Einmalzahlungen werden bei der Berechnung des Nettoarbeitsentgelts nicht berücksichtigt.
4.1.2. Voraussetzungen
Die Pflegeperson erhält keinen Lohn vom Arbeitgeber und kein Kinderpflege-Krankengeld.
4.1.3. Sozialversicherung der Pflegeperson für die Zeit des Pflegeunterstützungsgelds
- Während des Bezugs von Pflegeunterstützungsgeld bleibt die Mitgliedschaft in der Kranken- und Pflegeversicherung erhalten.
- Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherungsbeiträge werden je zur Hälfte von der Pflegekasse des Pflegebedürftigen erbracht.
- In der Pflegeversicherung besteht Beitragsbefreiung.
- In die Unfallversicherung wird nicht eingezahlt, aber die Pflegeperson steht während der Pflegetätigkeit unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.
- Bei Minijobs zahlen die gesetzlichen und privaten Pflegekassen die Sozialversicherungsbeiträge zu Renten- und Krankenversicherung.
4.2. Kündigungsschutz
Während der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung und der Pflegezeit darf der Arbeitgeber in der Regel das Beschäftigungsverhältnis nicht kündigen.
5. Sozialversicherung
Während der Pflegezeit ist die Pflegeperson über die Pflegeversicherung sozial abgesichert. Die Pflegekasse führt an folgende gesetzliche Sozialversicherungen Beiträge ab:
- Unfallversicherung
- Rentenversicherung
Die Höhe der Beiträge orientiert sich am Pflegegrad des Pflegebedürftigen, weitere Details unter Pflegende Angehörige > Sozialversicherung. - Kranken- und Pflegeversicherung
Besteht die Möglichkeit der Familienversicherung, so ist diese zu wählen. Ist dies nicht möglich, muss sich die Pflegeperson während der Pflegezeit freiwillig oder privat krankenversichern. Auf Antrag bezuschusst die Pflegeversicherung bis zur Höhe des Mindestbeitrags der Kranken- und Pflegeversicherung. - Arbeitslosenversicherung
Pflegepersonen können sich unter bestimmten Voraussetzungen freiwillig versichern. Näheres unter Arbeitslosenversicherung. Auch hier kann die Pflegeperson beantragen, dass die Pflegekasse die Beiträge übernimmt.
6. Zinsloses Darlehen
Während der Pflegezeit kann ein zinsloses Darlehen beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben beantragt werden. Das Darlehen beträgt die Hälfte des ausgefallenen, durchschnittlichen Netto-Arbeitsentgelts. Zur Berechnung des Darlehens wird auch bei einer vollständigen Freistellung maximal eine fiktive Arbeitszeit von 15 Wochenstunden angesetzt.
Es muss ab Ende der Darlehenszahlungen oder auf Antrag ab dem Ende der Freistellungsphase zurückgezahlt werden. Eine Stundung ist in Härtefällen möglich, Näheres unter Familienpflegezeit.
7. Praxistipp
Ist die pflegende Person privat krankenversichert, weil ihr Einkommen über der Versicherungspflichtgrenze liegt, kann es passieren, dass sie infolge des Gehaltsausfalls oder des reduzierten Einkommens aufgrund der Pflegezeit diese Grenze nicht mehr erreicht. In diesem Fall ist die pflegende Person verpflichtet, sich bei einer gesetzlichen Krankenkasse zu versichern. Auf Antrag kann sie jedoch für die Pflegezeit von dieser Versicherungspflicht befreit werden und Mitglied ihrer privaten Krankenversicherung bleiben. Für diese Zeit wird in der Regel eine individuelle, befristete Vertragsänderung ausgehandelt.
8. Wer hilft weiter?
- Adressen zur Pflegeberatung bietet die Stiftung "Zentrum für Qualität in der Pflege" (ZQP) unter www.zqp.de > Wissensangebot > Ratgeber & Hilfe > Alle Ratgeber & Hilfen > Pflegeberatung > Datenbank Beratung zur Pflege.
- Pflegestützpunkte bieten Pflegeberatung und weitergehende Hilfen.
- Individuelle Fragen beantworten die Pflegekassen. Sie müssen bei einem Pflegeantrag auch Beratungsstellen vermitteln.
9. Verwandte Links
Ratgeber Pflege
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Pflegende Angehörige > Sozialversicherung
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Palliativphase > Finanzielle Hilfen
Rechtsgrundlagen: §§ 44, 44 a SGB XI - PflegeZG